Sonntag, 9. April 2023

Wer verbrennt, verschwendet. Immer!

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Eine Kolumne von Christian Stöcker  09.04.2023

Wussten Sie, dass Sie im Motorraum Ihres Autos während der Fahrt Lachs kochen könnten? Das hat mit einer sehr einfachen Regel zu tun – die auch dabei hilft, Klima-Desinformation von Fakten zu unterscheiden.


»Es ist unmöglich, eine periodisch funktionirende Maschine zu construiren,
die weiter nichts bewirkt als Hebung einer Last und Abkühlung eines Wärmereservoirs.«

Max Planck, »Thermodynamik« , 1897

Sie haben Physik in der Schule immer gehasst? Lesen Sie bitte trotzdem weiter. Es wird nicht schlimm, versprochen.

In Wahrheit ist die Sache mit der Energieversorgung, der Zukunft und dem Klima nämlich recht einfach. Etwas komplizierter ist, wie man das, was zu tun ist, politisch organisiert. Dass darüber derzeit eher wenig gesprochen wird, hat seine Gründe, aber dazu später.

Den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, oben zitiert in einer Variante von Max Planck, gibt es in unterschiedlichen Formulierungen. Noch einfacher als die Planck’sche Version ist die von Rudolf Clausius aus dem Jahr 1872: »Die Wärme kann nicht von selbst aus einem kälteren in einen wärmeren Körper übergehen.«

Das weiß im Prinzip natürlich jedes Kind: Man kann nicht einfach so aus Wasser Eis machen und mit der frei werdenden Wärme ein Ei kochen. Wärme hat eine vorgegebene Bewegungsrichtung, von warm zu kalt. Wenn man etwas wärmer machen will, kostet das Energie. Und wenn man für einen Prozess Wärme einsetzt, geht immer etwas davon verloren.

Kochen im Motorraum

Man kann das bei einem herkömmlichen Auto sehr einfach feststellen. Es gibt sogar Rezepte für Gerichte, die man im Motorraum eines Pkw zubereiten kann: Da wickelt man etwa Lachs, Spinat, Bohnen und Gewürze in Alufolie und legt »das gut verschlossene Päckchen auf den Ansaugkrümmer«, wie es in einer Rezeptstrecke auf einer Gebrauchtwagenseite heißt. Für das Lachsgericht muss man nur 20 Kilometer fahren, dann sind Fisch und Gemüse angeblich gar. Ich habe es nicht ausprobiert – aber es gibt sogar ein Motorraumkochbuch namens »Manifold Destiny« .

Einen Backofen müsste man, um dasselbe Gericht zuzubereiten, auf 180 Grad (Umluft: 160 Grad) vorheizen und den Fisch dann acht bis zehn Minuten garen. Das kostet Energie, in der Regel in Form von Strom (über 90 Prozent der deutschen Haushalte kochen und backen damit ). Das Fischgericht verbraucht, je nach Backofen, in etwa eine viertel Kilowattstunde (kWh) Strom, bei einem alten Backofen deutlich mehr.

Wenn man den Fisch im Motorraum zubereitet, bekommt man die Wärme scheinbar umsonst. In Wahrheit bezahlt man die Wärme jedes einzelne Mal mit, wenn man mit dem Auto fährt. Das ist der zweite Hauptsatz der Thermodynamik in Aktion, und deshalb liegt der sogenannte Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors »nur bei gut 20 Prozent« . Der Rest verpufft.

Physik verhandelt nicht

Autos erzeugen aus all dem Sprit vor allem heiße Luft – oder Entropie, Chaos. Das Universum kennt da nur eine Richtung. Um Stephen Hawking zu zitieren: »Die Zunahme von Unordnung oder Entropie unterscheidet die Vergangenheit von der Zukunft und gibt der Zeit ihre Richtung.« Verbrennungsprozesse sind Entropiebeschleuniger.

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik gilt immer und überall, nicht nur im Auto. Wenn man etwas verbrennt, um damit Energie freizusetzen, verschwendet man einen Teil der Energie. Immer, zwangsläufig. Physik verhandelt nicht.

Deshalb sind auch Wasserstoff- und E-Fuel-Autos eine schlechte Idee: Immer, wenn etwas verbrannt wird, um »eine periodisch funktionirende Maschine« zu betreiben, um es mit Planck zu sagen, wird viel Energie verschwendet. Unglücklicherweise sind wir vom Verbrennen besessen.

Lachs garen mit Heizungsabgasen?

Die Transformation unserer Lebenswelt profitiert aber in doppelter Hinsicht, wenn wir aufhören, Sachen zu verbrennen: Bei vielen Verbrennungsprozessen wird bekanntlich CO₂ frei (und andere schädliche Substanzen wie Stickoxide, das gilt übrigens auch für E-Fuels). Gleichzeitig verschwenden Verbrennungsprozesse Energie.

Autos heizen die Umgebung, Gasheizungen den Heizungskeller und auch wieder die Umgebung: Die Abgase eines modernen Brennwertkessels sind schon relativ kühl – aber immer noch etwa 45 Grad heiß. Wenn Ihnen nicht klar ist, was das heißt, versuchen Sie mal, sich in eine 45 Grad heiße Badewanne zu setzen. Ein herkömmlicher Heizungskessel bläst sogar 160 bis 180 Grad heißes Abgas in die Außenluft. Genug für Lachs mit Spinat also, aber eben dauernd.

Die einfachste Faustregel für die effizienteste Energiewende heißt deshalb: Wenn etwas verbrannt werden muss, geht Energie verloren. Das gilt auch für Wasserstoff. Selbst dann, wenn dessen Verbrennung kein CO₂ freisetzt und er nur mit Ökostrom und Wasser hergestellt worden sein sollte. Wir werden Wasserstoff als Brennstoff vorerst brauchen – für Hochöfen etwa , oder für Sprit für Flugzeuge oder Frachtschiffe. Überall, wo es anders geht, ist das andere aber besser.

Die Idee ist 200 Jahre alt

Lösungen, bei denen nichts verbrannt werden muss, sind daher, wo immer möglich, vorzuziehen. Wärmepumpen und Elektromotoren zum Beispiel. Auch damit wird weiter Energie verschwendet, so ist die Thermodynamik nun einmal. Aber deutlich weniger, als wenn man etwas verbrennt. Ein System, das Arbeit verrichtet und dabei gar keine Energie verliert, wäre ein Perpetuum mobile, und das gibt es ja bekanntlich nicht.

Wärmepumpen haben interessanterweise viel mit Thermodynamik zu tun. Sie sind eine der besten Annäherungen an ein Perpetuum mobile, die wir derzeit kennen. Die physikalischen Grundlagen dafür hat der französische Physiker Nicolas Carnot, einer der Väter der Thermodynamik, schon vor fast genau 200 Jahren formuliert, im Jahr 1824. 110 Jahre später wurde die erste Wärmepumpe der Welt in Zürich gebaut. Seit 1938 wird sogar das Zürcher Rathaus mit einer Wärmepumpe beheizt. Um es warmzuhalten, reicht die Tatsache, dass der Fluss Limmat, an dem das Rathaus steht, auch im Winter durchschnittlich sieben Grad Celsius warmes Wasser führt.

In der »Neuen Zürcher Zeitung« steht in einem Artikel über diese historische Wärmepumpe auch: »Die sichere und dauernde Verfügbarkeit fossiler Energieträger, sei es fest, flüssig oder gasförmig, ließ den Elan, die Wärmepumpentechnik weiterzuentwickeln, in der Nachkriegszeit erlahmen.« »Eine verpasste Chance«, nennt die NZZ das heute. In der Tat.

Fast ein Perpetuum mobile. Fast

Ein Verbrennungsmotor ist eine Wärmekraftmaschine, er wandelt Hitze in Bewegungsenergie um. Eine Wärmepumpe ist eine Kraftwärmemaschine: Sie verwandelt die Wärme aus einer eigentlich nicht allzu warmen Wärmequelle – wie der sieben Grad kalten Limmat – auf einem mechanischen Umweg in Heizenergie. Sie stellt damit scheinbar den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf den Kopf, aber eben nur scheinbar. Damit das Ganze funktioniert, muss schon ein bisschen Energie aufgewendet werden. Ein Perpetuum mobile ist auch eine Wärmepumpe selbstverständlich nicht.

In einer Wärmepumpe begegnet etwas sehr Kaltes etwas weniger Kaltem. Das weniger Kalte könnte zum Beispiel das Limmatwasser sein, Solewasser, das durch einen Erdwärmeschacht oder im Garten vergrabene Flächenkollektoren gepumpt wird, oder einfach die Umgebungsluft. Die Wärme dieser etwas wärmeren Substanz trifft in der Wärmepumpe auf ein Kältemittel, das schon bei extrem niedrigen Temperaturen – bis zu 30 Grad minus – verdampft, also zum Beispiel, wenn man es in die Nähe von sieben Grad kaltem Limmatwasser bringt. Das verdampfte Kältemittel wird dann in einem Kompressor zusammengedrückt, dadurch wird es heißer. So heiß, dass man damit eine Wohnung oder ein Haus und Brauchwasser heizen kann. Eine Wärmepumpe funktioniert gewissermaßen ähnlich wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt.

Je kälter, desto mehr Wärmepumpen

Das Tolle ist, dass dafür extrem wenig Energie eingesetzt werden muss. Eine Wärmepumpe macht aus zehn Kilowattstunden elektrischer Energie bis zu 45 Kilowattstunden Wärmeenergie. Merken Sie sich das für die nächste Situation, in der Ihnen jemand erzählen will, dass eine Wärmepumpe »mit Strom heizt«. Sie heizt mit Thermodynamik, und das ist fast wie ein Wunder.

Weil die eingesetzten Kältemittel schon bei extrem niedrigen Temperaturen verdampfen, funktionieren moderne Luft-Wärmepumpen noch bei minus 25 Grad Außentemperatur. Modelle, die ihre Wärme aus Wasser oder dem Erdboden beziehen, haben noch höhere Wirkungsgrade. Noch besser wird das Ganze, wenn der Strom für die Wärmepumpe direkt vom Hausdach kommt.

Falls Sie das nicht glauben wollen: Mehr als 60 Prozent der Haushalte in Norwegen und knapp 70 Prozent derer in Finnland  heizen schon heute mit Wärmepumpen. Und da wird es ja bekanntlich recht kalt.

Wer will denn dann, dass wir weiter verbrennen?

Jetzt werden Sie sich womöglich fragen, warum wir dann überhaupt über ineffiziente Lösungen wie Wasserstoff in Gasnetzen oder E-Fuels für Autos diskutieren. Das hat vor allem einen Grund: Es gibt Branchen, die ein großes Interesse daran haben, dass weiterhin Sachen verbrannt werden. Und es gibt Politikerinnen und Politiker, die diesen Branchen weiterhin gern zuhören und ihre Interessen vertreten.

Die Gasindustrie zum Beispiel lobbyiert hinter den Kulissen massiv für sogenannte »grüne« Gasmärkte, insbesondere für Biogas und Wasserstoff. Aus dem einfachen Grund, weil ihre Netze für Sachen zum Verbrennen und die Technik zum Sachenverbrennen damit womöglich weiterhin Profite abwerfen könnten. Und weil solche ineffizienten Scheinlösungen Sand im politischen Getriebe sein können, sodass diese Branche erst einmal weiter Geld mit ihrer fossilen Ware verdienen kann. Das zeigt die absurde deutsche Diskussion über Wasserstoffheizungen  sehr anschaulich (und auch Biogas ist in Kraftwerken besser aufgehoben).

Das ist keine Verschwörungstheorie, es gibt dafür klare Belege. Die Lobbyisten sprechen das sogar öffentlich aus. Der »Guardian« zitiert einen Gaslobbyisten, der bei einem Kongress in Barcelona sagte: »Der Gasboiler ist unser Lebensunterhalt, wenn er verboten wird, haben wir ein echtes Problem.« Der gleiche Mann sagte demnach auch: »Wir arbeiten intensiv mit Regulierern, um zu sehen, ob wir den Gasboiler als Heizungstechnik der Zukunft positionieren können, angetrieben mit erneuerbarem Gas.« Der Mann arbeitet aber für ein Unternehmen, das Erdgas verkauft.

Wenn also jemand behauptet, mit Verbrennungsprozessen effizienter heizen, fahren oder etwas anderes erledigen zu können, ist grundsätzlich Vorsicht geboten. Lobbyisten lügen, verzerren und verschleiern, um ihre Geschäftsmodelle am Leben zu erhalten, selbst wenn die den Planeten auf den Abgrund zutragen.

Physik dagegen lügt nicht.

Für Energietechnik der Zukunft sollten zwei Messgrößen relevant sein: Wie viel Energie etwas wirklich verbraucht, im gesamten Lebenszyklus, und wie viel CO₂ und andere Schadstoffe dabei freigesetzt werden. Sachen zu verbrennen wird da meist sehr schlecht abschneiden.

Wer etwas anderes behauptet, lügt. So einfach ist das.

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