Diese guten Nachrichten werden Mathias Döpfner nicht gefallenEine Kolumne von Christian Stöcker 16.04.2023 im Spiegel hier
Elektromobilität und erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch, die Welt bewegt sich weg von fossilem Brennstoff: Es tut sich viel in Sachen Klima. Drei gute Nachrichten – und was sie mit dem Springer-Chef zu tun haben.
1. Der Kipppunkt weg vom Verbrenner ist längst da
Wenn man den »E-Fuel«-Geisterdebatten der vergangenen Monate folgte, konnte man den Eindruck bekommen, dass die ganze Welt sehnsüchtig auf Verbrennerautos aus Europa wartet (hier erklären Fraunhofer-Forscher noch einmal, warum E-Fuels für Pkw Unsinn sind).
In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall.
In China droht derzeit ein Autohändlersterben bislang unbekannten Ausmaßes – weil die Händler ihre alten Verbrennermodelle mit hohem Schadstoffausstoß nicht mehr loswerden. Ein chinesischer Autohändlerverband veröffentlichte im März einen flehenden Brandbrief, doch der Artikel wurde kurz darauf wieder gelöscht . China ist ja eine Diktatur, da kommt solche Kritik nicht gut an.
Einer der Gründe für das Autohändlersterben ist eine neue chinesische Abgasnorm mit der Bezeichnung 6b. Sie tritt am 1. Juli 2023 in Kraft, und sie ist sehr streng . Wohl mindestens so streng wie die geplante Euro-7-Norm . Angekündigt ist die neue China-Norm schon seit 2016, Hersteller und Händler hätten also durchaus Zeit gehabt, sich umzustellen.
Ein in China ansässiger Branchenexperte kommentierte den aktuellen Preiskampf mit den Worten, man beobachte dort »einen katastrophalen Leistungsabfall multinationaler Verbrennermarken«. Unterdessen eilen chinesische E-Auto-Hersteller von Rekord zu Rekord. Sie haben dem dortigen Branchenverband zufolge 2022 mehr als sieben Millionen E-Autos gebaut , und die E-Auto-Verkäufe in dem Land sind innerhalb eines einzigen Jahres um über 93 Prozent gewachsen. Allein der Hersteller BYD, den auch hierzulande bald jeder kennen wird, hat 2022 1,8 Millionen E-Autos verkauft . Europäische Hersteller müssen sich mit dem Umstieg sehr beeilen, sonst gehört der künftige Weltmarkt für E-Autos China (und Tesla).
Dazu passt eine Meldung von der amerikanischsten aller Warenhausketten, Walmart: Das Unternehmen will sein Netz von E-Auto-Ladestationen im Umfeld von Walmart- und Sam's-Club-Märkten bis 2030 massiv ausbauen . Schon heute betreibt Walmart in Kooperation mit einer VW-Tochter 1300 Ladesäulen. Wenn am Ende alle der gut 5000 Märkte auch E-Tankstellen sind, ist das durchaus relevant: 90 Prozent der US-Bürger leben in einem 10-Meilen-Umkreis um einen Walmart-Standort.
Noch können sich 41 Prozent der US-Konsumenten offenbar nicht vorstellen , sich ein Elektroauto zuzulegen (unter den Wählern der Republikaner sind es 71 %). Das hat viel mit Desinformation zu tun – ein Viertel dort glaubt, dass E-Autos dem Klima »gar nicht« nützen, weitere 35 Prozent »nur ein bisschen«. Das ist, um den internationalen Rat für sauberen Transport (ICCT) zu zitieren »einfach falsch« .
In den USA hat die Umweltbehörde EPA diese Woche ihre Planung für neue Emissionsstandards vorgestellt. Sie sollen dafür sorgen , dass in den USA bis zum Jahr 2032 bis zu zwei Drittel aller Neuwagenverkäufe auf E-Autos entfallen . EPA-Chef Michael Regan sagte CNN: »Leute, die Elektroautos kaufen, werden über die Lebensdauer der Fahrzeuge hinweg Einsparungen sehen, weil sie nichts für Benzin und Wartung ausgeben müssen.«
Das alles ändert übrigens nichts daran, dass weniger Autos, egal mit welchem Antrieb, in jedem Fall besser wären.
Schöne Grüße an die FDP. Und an Markus Söder.
Aber woher kommt künftig der saubere Strom für die E-Autos?
2. Erneuerbare Energien sind schon jetzt die preiswerteste Form der Energieversorgung – und sie werden weiterhin billiger
Die US-Investmentbank Lazard gibt seit Jahren regelmäßig Berichte über die sogenannten Gestehungskosten für unterschiedliche Formen der Energieversorgung heraus. Der englischsprachige Fachausdruck ist »Levellized Cost of Energy« (LCOE). Der gerade veröffentlichte Bericht für das Jahr 2023 enthält eine schlechte Nachricht – und so viele gute, dass sie die schlechte irrelevant machen.
Die schlechte Nachricht lautet: Erstmals sind die Gestehungskosten für erneuerbare Energieerzeugung im Jahr 2023 wieder etwas gestiegen, zumindest am oberen Ende des Kostenspektrums. Gleichzeitig aber zeigt die Auswertung von Lazard, die sich auf den US-Energiemarkt bezieht: »Selbst angesichts von Inflation und Herausforderungen im Bereich der Lieferketten sinken die Gestehungskosten (LCOE) der jeweils Branchenbesten im Bereich Erneuerbare weiterhin.«
Wind- und Sonnenenergie sind schon jetzt konkurrenzlos günstig, auch in den USA. Und sie werden nun durch Joe Bidens Inflation Reduction Act (IRA) noch günstiger. Eine Megawattstunde Strom aus Onshore-Windkraftanlagen kostet dem Bericht zufolge im Schnitt umgerechnet 45,50 Euro, eine Megawattstunde Strom aus einem Solarkraftwerk gut 54,50 Euro – und das noch ohne Subventionen. Mit IRA-Subventionen könnte Wind- und Sonnenstrom mancherorts praktisch kostenneutral werden, schätzt Lazard. Die Preise pro Megawattstunde Onshore-Windstrom sind seit 2009 um 63 Prozent gefallen, die für Strom aus Solarkraftwerken sogar um 83 Prozent.
Zum Vergleich: Eine Megawattstunde Atomstrom kostet dem Report zufolge etwa 163,50 Euro, der Preis ist seit 2009 um 47 Prozent gestiegen. Eine Megawattstunde Kohlestrom kostet 106,30 Euro, und dieser Preis ist seit 2009 um fünf Prozent gestiegen.
Atomkraft ist also etwa dreimal so teuer wie erneuerbar erzeugter Strom, Kohlestrom etwa doppelt so teuer. Und die Preise für Kohle- und Atomstrom steigen weiter, während die Preise für erneuerbaren Strom auf lange Sicht dramatisch fallen. Und all diese Angaben verstehen sich noch ohne die Subventionen des Inflation Reduction Act oder CO₂-Bepreisung für Kohlestrom.
Dem Lazard-Bericht zufolge haben erneuerbare Kraftwerke sogar dann niedrigere Gestehungskosten, wenn sie mit Speichertechnik zur Stabilisierung bei vorübergehenden Output-Schwankungen ausgestattet werden (»Firming«). Etwa mit Lithium-Ionen-Akkus, die vier Stunden lang ausfallende Kapazitäten ausgleichen könnten. Solche EE-Kraftwerke mit Back-up sind dem Bericht zufolge in der Regel auch jetzt schon billiger als Gaskraftwerke.
3. Der Stromerzeugungs-Kipppunkt ist auch schon da
Zitat aus einem aktuellen Artikel im Fachdienst »Carbon Brief« : Die Energiebranche hat einen »kritischen Kipppunkt« erreicht: 2023 wird demnach erstmals der globale Zubau CO₂-neutraler Energieversorgung größer sein als die Zunahme des globalen Energieverbrauchs, wie der Energie-Thinktank Ember ermittelt hat : »Das Wachstum in Wind- und Solarerzeugung allein (plus 557 Terawattstunden) reichte für 80 Prozent des Nachfragewachstums im Jahr 2022 (plus 694 Terawattstunden). Im Jahr 2023 wird das Wachstum sauberer Energie wahrscheinlich das Nachfragewachstum übertreffen.«
Im Jahr 2022 wurde laut Nathaniel Bullard von Bloomberg NEF mehr Stromerzeugungskapazität zugebaut als je zuvor. Und 80 Prozent davon waren Sonnen- und Windenergie . Der Siegeszug der Erneuerbaren ist unaufhaltsam. Sie sind einfach viel billiger.
Und was hat das alles mit Mathias Döpfner zu tun?
Über die seltsamen Ansichten von Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner kam diese Woche ja einiges ans Licht. Zum Thema Klimawandel hat er der »ZEIT« zufolge gesagt , er sei sehr dafür. Wir sollten den Klimawandel »nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen«. »Zivilisationsphasen der Wärme« seien »immer erfolgreicher« gewesen. Es war aber in der Geschichte der Menschheit noch nie so heiß wie jetzt.
Man kann sich zudem auf eine immer weiter steigende Erdtemperatur ebenso wenig »einstellen« wie auf immer weiter steigendes Fieber. Wir sehen das schon sehr deutlich: Am Horn von Afrika beispielsweise sind jetzt sechs Regenzeiten in Folge ausgefallen, wie diese Woche in »Science« zu lesen war . In Frankreich wird jetzt gerade das Wasser rationiert .
Döpfners Verlag ist voll von Leuten, die das mit dem Klima trotzdem ähnlich sehen wie er, oder noch extremer. »Welt«-Herausgeber Stefan Aust bezweifelt bis heute, dass der Mensch für die Klimakrise verantwortlich ist. Das erklärt die oft bizarre Klima- und Energieberichterstattung der »Welt« – zuletzt erklärte man dort Wärmepumpen zum Symbol der »Entfremdung des Menschen«, weil darin nichts verbrannt wird.
Noch wichtiger ist, wem Springer gehört : Den größten einzelnen Anteil an dem Unternehmen hält mit über 35 Prozent das Private-Equity-Unternehmen KKR, weitere knapp 13 Prozent gehören dem ebenfalls massiv in fossile Brennstoffe investierenden kanadischen Pensionsfonds CPPIB . Das und Döpfners eigene Einstellung passt nicht nur sehr gut zusammen, es passt auch zur Personalpolitik und der Klima- und Energieberichterstattung aus dem Hause Axel Springer.
KKR steht, um den britischen »Guardian« zu zitieren , auf einer Liste mit »den größten Missetätern unter acht großen Private-Equity-Firmen mit bedeutsamen Portfolios im Bereich fossiler Brennstoffe«. 78 Prozent der Energieunternehmen, in denen KKR-Geld steckt, investieren in fossile Brennstoffe, wie das »Private Equity Stakeholder Project« für einen Bericht namens »Private Equity Climate Risks« ermittelte . Das Investitionshaus bekommt in dem Bericht miserable Noten, etwa was Transparenz und Pläne zur Dekarbonisierung angeht. KKR will weiter in fossile Brennstoffe investieren. Genau wie viele Banken , die immer noch Billionen (ja: Billionen) in Öl und Gas investieren – aber die haben immerhin andere Transparenzverpflichtungen als Private-Equity-Firmen.
Zusammengefasst: Die Welt (nicht »Die Welt«) ist gerade auf dem Weg, sich in hohem Tempo und auch mit großem wirtschaftlichem Nutzen von fossilen Brennstoffen abzuwenden. Firmen wie KKR und ihren Anteilseignern könnte das hohe Verluste bringen, weil sich ihre fossilen Investitionen in »stranded assets« zu verwandeln drohen. Ein erbitterter Abwehrkampf ist im Gang.
Da kommt ein Medienhaus mit motivierten Mitarbeitern, die mit Desinformation und Propaganda gegen E-Autos, Wärmepumpen, erneuerbare Energien und für möglichst viel Verzögerung beim Umbruch agitieren, gerade recht.
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