Herr Schmidt vom Südkurier will sich dem Thema Regionalplan annähern. Auf einfache und leicht verständliche Art und Weise und in einer laufenden Artikelserie.
Das ist dringend notwendig, denn in der Vergangenheit war die Regionalplanung für den "Normalbürger" ein Buch mit 7 Siegeln. Oder noch schlimmer: Jenseits der Wahrnehmung.
Das hat sich bereits ein wenig verändert, seit die Wogen im Zusammenhang mit der Fortschreibung so hoch schlugen. Aber es muss sich noch sehr viel mehr ändern, denn diese Planung hat eine unmittelbare Auswirkung auf unser Lebensumfeld!
Erst vor Kurzem erschien in der FR ein sehr spannender Beitrag aus Hessen hier, in dem berichtet wurde, dass die Kommunen ein Siebtel aller Emissionen in Deutschland einsparen könnten. Kommunen haben also eine große Macht im Klimaschutz. Unser Regionalverband scheint von diesem Bewusstsein noch sehr weit entfernt zu sein.....
12.04.2023 hier Benjamin.Schmidt@suedkurier.de / Interview mit Regionaldirektor Heine
Mit Anmerkungen aus der Sicht des ABÜ Zukunftsfähiger Regionalplan.
Herr Heine, wir sind im Büro des Regionalverbandes in Ravensburg – was machen Sie hier?
Unsere Kernaufgabe ist die Raumplanung in den Landkreisen Bodenseekreis, Ravensburg und Sigmaringen. Wir legen etwa Flächen für Freiräume, Wohnen und Gewerbe fest. Denn alles wächst, nur die Fläche nicht. Wir vermitteln in diesem Konflikt.
...Woher wissen Sie, wer was braucht? Können Sie in die Zukunft schauen?
Das muss man tatsächlich ein Stück weit. Regionalpläne gelten mindestens 15 Jahre lang. Da kommen Sie gar nicht umhin zu prüfen, wie der künftige Bedarf ist. Beim Thema Wohnen geht das zum Beispiel per Bevölkerungsprognose, etwa vom Statistischen Landesamt.
Leider hatte sich der Regionalverband mit dem ehem. Regionaldirektor Franke bei der Erstellung der Regionalplan-Fortschreibung überhaupt nicht an die Zahlen des statistischen Landesamtes gehalten. Lapidare Erklärung von Franke: wir sind eine prosperierende Region und brauchen (viel) mehr Baugebiete und außerdem stimmen die Zahlen des statistischen Landesamtes nicht.
Die Beweisführung war er schuldig geblieben, selbst bei der Verabschiedung der Fortschreibung wussten auch die kritischsten Mitglieder der Regionalversammlung nicht, auf welcher Rechnung sein Ansatz überhaupt beruhte. Wunschzahlen....
Die Scientists 4 future hatten aufgezeigt, dass der Flächenansatz in etwas dem Doppelten des gerade noch Verträglichen entsprach.(siehe dazu hier, mehrere Artikel zu den s4f - Berechnungen)
Wie viele Menschen kommen denn?
Ganz sicher sind Vorhersagen nie. Aber wir gehen derzeit von einem Bevölkerungszuwachs von gut 29.000 Personen aus – gerechnet vom Jahr 2017 bis 2035. Dann rechnen wir aus, wie viel Hektar Wohnfläche es braucht. Wir setzen Obergrenzen, um Flächen zu sparen: 95 Personen pro Hektar in Oberzentren wie Friedrichshafen oder Ravensburg, 35 Personen pro Hektar in ländlichen Gebieten.
Diese Obergrenze- Zahlen beziehen sich ausschließlich auf Neubaugebiete, auf die man aus Klimaschutzgründen aber eigentlich ganz verzichten sollte....oder wenigstens stark zurückschrauben sollte.
Der §13b hatte in den letzten Jahren für einen ungeheuren Flächenfraß gesorgt, in unserer Region fast ausschließlich für kleine Einfamilienhäuser. Dieser 13b-Flächenfraß erfolgte so ganz nebenbei - unabhängig von den ausgewiesenen Potentialen des Regionalplans. Das ist jetzt vorbei, seit Ende 2022 genau, aber in den Schubladen der Kommunen liegen noch genehmigte Pläne ....
Und dann rechnen Sie pro Stadt aus, wie viel Platz sie jeweils bieten muss?
Nein, wir rechnen nicht kommunal. Wir schauen auf die gesamte Region – und prüfen, wo es überhaupt Platz gibt. Beim Wohnen sind derzeit im Bodenseekreis geplant: Friedrichshafen-Jettenhausen mit 16 Hektar, Überlingen-Flinkern mit 16 Hektar, nordöstlich vom Hildegardring 13 Hektar sowie in Tettnang-Nordwest 11 Hektar. Daneben können die Kommunen ergänzende Wohnbauflächen ausweisen.
Für Friedrichshafen haben Sie ein Gewerbegebiet bei Hirschlatt geplant – der Gemeinderat hat das abgelehnt. Dennoch steht es weiterhin im Plan. Wie kommt das?
Wir finden im Bodenseekreis nicht mehr genug Flächen, um den Bedarf zu decken. In Friedrichshafen hatten wir keine Alternative. Deswegen mussten wir Hirschlatt in der Planung belassen. Doch wenn Friedrichshafen die Planung nicht anpackt, bleibt das Areal, was es heute ist: eine landwirtschaftliche Fläche.
Dennoch hagelt es Kritik zum Regionalplan. Naturschützer monieren, Sie versiegeln Flächen und verhindern Erreichen des 1,5-Grad-Ziels. Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch reduzieren.
Da sind wir mitten in der Diskussion. Wir berücksichtigen alle Vorgaben des Bundes und des Landes.?? Allerdings ist noch nicht präzisiert worden, was das 1,5-Grad-Ziel für den Regionalplan bedeutet. Wir haben also keine rechtlichen Vorgaben dafür.
Braucht man denn eine rechtliche Genehmigung dafür, Klimaschutz ernst zu nehmen und Flächenfraß einzudämmen?
Der
Flächenfraß in Deutschland ist dramatisch.
Ein wichtiges Ziel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist es, landwirtschaftliche
Flächenverluste soweit wie möglich zu reduzieren. Idealerweise sollte die
vorhandene landwirtschaftliche Fläche vollständig und nutzbar erhalten werden.
Ein wichtiges Instrument der Bundesregierung, dieses Ziel zu erreichen, ist die
deutsche
Nachhaltigkeitsstrategie. Hierin ist festgehalten, dass die
Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2030 auf
unter 30 Hektar pro Tag gesenkt werden soll.
Langfristig wird eine Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt. Das bedeutet:
Perspektivisch soll in der Summe überhaupt keine zusätzliche Fläche mehr für
Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommen werden.
Die Daten des Statistischen Bundesamtes : Zuletzt (Durchschnitt der Jahre 2017-2020)
lag der Wert bei rund 54 Hektar.
Aus Sicht des BMEL sind jedoch auch diese 54 Hektar noch zu viel. Ziel muss
eine schnellstmögliche weitere Absenkung landwirtschaftlicher Flächenverluste
sein.
(aus einem Schreiben des BMEL)
Der tägliche Flächenverbrauch lag 2021 mit 6,2 Hektar
pro Tag in Baden-Württemberg immer noch über dem landespolitischen Zielwert von
unter 3 Hektar pro Tag.
Damit nahm er im Vergleich zum
Vorjahr (5,4) erneut zu und lag damit über dem Durchschnittswert der letzten
fünf Jahre von rund 5,8 Hektar.
527 954 Hektar oder 14,8 Prozent des gesamten Landes waren somit zuletzt mit
Siedlungs- und Verkehrsflächen bedeckt.
Im Jahr 2000 waren es noch 13,2 Prozent – eine Zunahme von mehr als 55.000
Hektar in den letzten 21 Jahren (hier). Das Fatale ist dabei: Seit
1970 hat die Bevölkerung in Baden-Württemberg um 24 % zugenommen, die
Siedlungsfläche aber um 100 %. Zwei Generationen haben so viel neue
Siedlungsfläche konsumiert, wie 80 Generationen vor ihnen seit Beginn unserer
Zeitrechnung.
Viele Flächen verschwinden unter Teer und Beton.
Eine riesige Klimasünde, denn der Gebäudesektor ist für rund 40 % aller
Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dabei ist der durch die Bautätigkeit
freigesetzte, vorher im Boden gebundene Kohlenstoff noch nicht eingerechnet.
Diese Mengen sind jedoch erheblich: ein Hektar Grünland speichert mehr
als 180 Tonnen Kohlenstoff. Wird dieser freigesetzt, entsteht daraus die
dreieinhalbfache Menge an CO2, also etwa 630 Tonnen
(aus einer Zusammenfassung von den Naturschutztagen in Radolfzell)
Meines Erachtens sind das ziemlich klare Vorgaben, an die sich aber offensichtlich keine Kommune/nicht der Regionalverband halten will. Ebenso wie sie sich nicht dem 1,5° Ziel verpflichtet fühlen.
Sie zeigen mit dem Finger auf das Land?
Ich stelle nur fest, dass es noch keine rechtlich bindenden Vorgaben dafür gibt. Das bedeutet nicht, dass wir den Klimawandel ignorieren. Aber wir haben eklatanten Wohnraummangel, wir müssen Menschen irgendwo unterbringen. Das ist auch eine soziale Frage.
Und an welcher Stelle genau will man dem Klimawandel dann Rechnung tragen? Hat der Regionalverband an irgendeiner Stelle konkrete Vorstellungen, wie er seiner Verantwortung gerecht wird?
Kommen wir noch zu einem anderen brisanten Thema: Die Planung von erneuerbaren Energien in der Region steht noch aus. Geht hier bald der Streit von Neuem los?
Die Suche nach Flächen für Erneuerbare ist Aufgabe des Teilregionalplans Energie. Bislang gab es keine Flächenziele, weswegen sie in der aktuellen Fassung nicht berücksichtigst wurden. Mittlerweile sind sie aufgestellt worden.
Und welche Vorgaben haben Sie nun?
Baden-Württemberg muss mindestens 1,8 Prozent seiner Fläche für Windanlagen ausweisen. Mindestens 0,2 Prozent sollen für Photovoltaik-Freiflächen verwendet werden. Das gilt auch für unsere Region. Das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz des Landes wurde im Februar dafür fortgeschrieben. Man bemerke: 1,8 Prozent der Fläche entspricht der Gesamtheit aller Gewerbegebiete, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden sind.
Bis wann steht die Planung?
Bis zum 1. Januar 2024 müssen wir mit einem Entwurf in die Offenlage gehen. .....
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