Montag, 24. April 2023

"Unersetzliches Gut: Geht der Welt das Trinkwasser aus?"

Wieder mal Österreich - das gar nicht so weit weg liegt von uns

Standard hier  Sonja Bettel  19. April 2023

Der Zugang zu sauberem Wasser wird durch Bevölkerungswachstum und Klimawandel zur Herausforderung. Forschende arbeiten an Möglichkeiten zur gesicherten Versorgung

Die Stadt Wien hat dank der vor 150 Jahren gebauten Wiener Hochquellwasserleitung eine sichere und ausreichende Versorgung mit bestem Trinkwasser. Dennoch bereitet sich die Stadt mit der Strategie "Wiener Wasser 2050" auf die Herausforderungen der Zukunft vor: mit der Sanierung und Erweiterung der Wasserbehälter, zusätzlichen Transportleitungen und gesteigerter Wassergewinnung an den Quellen.

Die Versorgung mit Trinkwasser ist so komplex wie konfliktbehaftet. Ballungsräume entziehen oft umliegenden Regionen die kostbare Ressource, während Rassismus und Diskriminierung den Zugang zu sauberem Wasser für viele Menschen erschweren.

Denn durch das Bevölkerungswachstum und den Klimawandel wird der Wasserbedarf zunehmen und sich das Wasserdargebot saisonal und mengenmäßig verändern. In Österreich wird die Wasserversorgung zur Gänze aus dem Grundwasser, also aus Brunnen und Quellen, gedeckt. Aktuell beträgt der durchschnittliche Wasserbedarf des Landes 753 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Bis zum Jahr 2050 wird er sich aufgrund von Bevölkerungszunahme und Klimawandel um elf bis 15 Prozent erhöhen.

Versickern statt ableiten

Gleichzeitig könnten die verfügbaren Grundwasserressourcen um bis zu 23 Prozent abnehmen. Das ergab die 2021 erschienene Studie "Wasserschatz Österreichs. Grundlagen für nachhaltige Nutzung des Grundwassers". Als Grundlage für die Prognose wurden drei Klimaszenarien für Österreich verwendet. Das Sinken des Grundwassers ist vor allem in Ostösterreich jetzt schon zu bemerken. Um Wasserknappheit zu verhindern, empfehlen die Autorinnen und Autoren, den Wasserbedarf zu reduzieren und die Grundwasserneubildung zu fördern respektive wiederherzustellen.

"Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Siedlungswasserwirtschaft entstanden. Die Idee war, Niederschlagswasser rasch abzuleiten. Heute schreiben die Bauordnungen vor, dass das Wasser auf dem Eigengrund zu versickern ist", erklärt Roman Neunteufel, Forscher am Institut für Siedlungswasserbau der Universität für Bodenkultur, der an der Studie "Wasserschatz Österreichs" und an einer Studie über die Wasserzukunft Niederösterreichs mitgearbeitet hat.

Wasser wird beim Versickern durch Bodenorganismen gereinigt, versorgt Pflanzen, kühlt durch Verdunstung und speist das Grundwasser. Regenwasser kann in Städten auch zur Bewässerung grüner Infrastruktur, also Bauwerksbegrünungen oder Straßenbäumen, verwendet werden. Betonierte oder asphaltierte Flächen zu entsiegeln und unter Straßen und Plätzen Wasserspeicher nach dem Schwammstadtprinzip anzulegen helfe auch beim sparsamen Umgang mit Wasser.

Metropolen rauben Wasser

Denn nicht jedes Grundwasservorkommen ist für die Wasserversorgung nutzbar, etwa weil die Erschließung aufgrund der geologischen Schichten zu aufwendig wäre. Städte sind, global betrachtet, besser mit Wasser versorgt als ländliche Regionen. Laut WHO und Unicef haben 86 Prozent der Menschen in städtischen Gebieten eine sichere Trinkwasserversorgung, im ländlichen Raum sind es nur 60 Prozent.

Die Wasserversorgung von Ballungsräumen kann aber jene Regionen gefährden, aus denen das Wasser kommt. Die Finanzmetropole Frankfurt bezieht ihr Trinkwasser auch aus der 50 Kilometer entfernten Vogelsberg-Region und dem Hessischen Ried, wo die Natur bereits an Wassermangel leidet. Südafrika gewinnt sein Wasser aus dem Hochland des kleinen Königreichs Lesotho, dessen Bevölkerung dadurch ihre Existenzgrundlage verliert.

Wasserrecycling

In vielen Ländern beziehen Städte ihr Trinkwasser aus Oberflächengewässern und Speicherseen. Zumeist hat dieses Wasser schlechtere Qualität als Grundwasser. Wegen der Gewässerverschmutzung mit Müll und Abwasser würden Megastädte in Indien, Südostasien, China oder Lateinamerika große Probleme bei der Wasserversorgung bekommen, sagt Dietrich Borchardt, Forscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg: "Die Bevölkerung und die Wirtschaft in diesen Städten ist viel schneller gewachsen, als es mit dem Bau von Kanalisation und Kläranlagen kompensiert werden konnte."

Als Beispiel für einen besonders sorgsamen Umgang mit Wasser nennt Borchardt Singapur: Der Insel- und Stadtstaat mit einer Bevölkerung von rund 5,7 Millionen auf 728 Quadratkilometern Fläche sei Weltmeister im Wasserrecycling. Das Regenwasser wird auf zwei Drittel der Landesfläche aufgefangen und in Reservoirs gesammelt. Es wird gefiltert, behandelt und dann als Trinkwasser genutzt. Kein Wunder, dass das Wegwerfen einer Zigarette mit hohen Geldstrafen geahndet wird, enthalten die Stummel doch rund 4000 Giftstoffe.

Wiederverwerten und entsalzen

Grauwasser aus der Industrie wird zu Nutzwasser aufbereitet. Zusätzlich wird in fünf Entsalzungsanlagen Trinkwasser aus Meerwasser gewonnen. Die Meerwasserentsalzung verbraucht viel Energie, ist in den Golfstaaten und auf manchen Inseln aber die einzige Möglichkeit, Trinkwasser zu gewinnen. Die Zahl der Menschen, die in Ballungsräumen leben, könnte bis zum Jahr 2050 um 60 Prozent von 3,9 Milliarden auf 6,3 Milliarden steigen.

Die Stadtplanung in Entwicklungsländern werde mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten können und die Versorgung der Stadtbewohner mit Wasser und sanitären Einrichtungen nicht ausreichend sein, befürchtet die Wasser-Koordinierungsstelle der Uno. Die städtische Bevölkerung der Erde, die mit Wasserknappheit konfrontiert ist, werde deshalb von 933 Millionen auf bis zu 2,4 Milliarden Menschen ansteigen, so die Prognose im World Water Development Report 2023 der Vereinten Nationen.

Rassismus und Trinkwasser

Mangelnden Zugang zu sauberem Wasser betreffe aber nicht nur arme Länder, betonen Forschende in einem Artikel im Fachjournal "Lancet". Auch in Ländern mit einem hohen Durchschnittseinkommen seien Menschen aufgrund von Rassismus, sozialer Exklusion und Diskriminierung diesbezüglich benachteiligt. "Das Thema ist im Diskurs üblicherweise stark auf den Globalen Süden fokussiert. Wir wollten darauf aufmerksam machen, dass es auch andere Länder betrifft, und haben aus unseren diversen Fallstudien die Daten zusammengetragen", erklärt Inga Winkler von der Central European University in Wien und Mitautorin des Artikels.

Einen schlechteren Zugang zu Wasser hätten Roma in der Slowakei, in Italien und Frankreich, Schwarze in den USA oder Indigene in Australien. Menschen mit niedrigem Einkommen könnten sich den Wasseranschluss für ihr Haus oder die Sanierung der Leitungen nicht leisten, und Menschen, die wohnungslos sind oder aufgrund von Flucht in Camps leben, hätten nur sehr mangelhaften Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäranlagen. "Wir brauchen ein Umdenken in der Politik, damit das Menschenrecht auf Wasser auch umgesetzt wird", sagt Winkler. 


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