von Werner Doyé, Maximilian Hübner und Nathan Niedermeier
Die FDP bekennt sich immer wieder zu Klimaschutz als drängender Aufgabe unserer Zeit. Doch wenn es um konkrete Maßnahmen geht, verhindert sie nicht selten, was die Koalitionspartner und Wissenschaftler für notwendig halten.
hier Frankfurter Rundschau 26.04.2023 Von: Moritz Serif
FDP-Klimareferent leugnete Krise - mit „Ladenhütern aus der Skeptiker-Szene“
Die FDP bremst Klimaschutz in der Ampel immer wieder kräftig. Nun wird bekannt: Einer ihrer Referenten tummelte sich in der Klimaleugner-Szene.
Die FDP beschäftigt allem Anschein nach einen Klimareferenten, der den menschengemachten Klimawandel mehr oder minder offen angezweifelt hat. Diesen Schluss legen Recherchen des ZDF-Magazins „Frontal 21“ nahe. Es geht um einen Mitarbeiter der Bundestags-Fraktion.
Die betroffene Person, Steffen Hentrich, arbeitet den Recherchen zufolge dort seit sechs Jahren, er trat auch öffentlich auf. So etwa bei einer Podiumsdiskussion im Jahr 2019, bei der er sich als Berater der FDP vorstellte. „Ich denke nicht, dass wir eine Klimakrise oder einen Klimanotstand haben. Ich denke, wir haben eine Krise der Politik, weil Politiker von Aktivisten getrieben werden“, sagte er Archivaufnahmen zufolge damals.
Thesen aus der „Klimaskeptiker-Szene“: Referent bei FDP-Diskussionen „immer dabei“
„Steffen Hentrich ist in seiner Funktion wie jeder Referent immer dabei, wenn wir Diskussionen fachlicher Natur führen“, bestätigte Lukas Köhler, Klimapolitiker und Fraktionsvize der FDP vor der ZDF-Kamera. Hentrich solle die Klima-Politik der FDP weiter voranbringen.
Dieser sagte allerdings dem Magazin zufolge zu den Folgen der globalen Erwärmung auch schon einmal: „So wie ich die Studien lese, werden wir selbst in den Worst-Case-Szenarien in einer Welt mit viel mehr Wohlstand leben“. Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf ordnete dies wie folgt ein: „Diese Aussagen sind alles alter Ladenhüter aus der sogenannten Klimaskeptiker-Szene, die schon hundertfach von der Wissenschaft widerlegt wurden.“
Global „kaum wärmer geworden“? Experte sieht bei FDP-Berater „Scheinargumente“
2021 kommentierte Hentrich auf Twitter eine Studie zum Zusammenhang zwischen Wetterextreme und Klimawandel. „Global ist es in den letzten Jahren kaum wärmer geworden“, behauptete er. Laut dem Klimabericht der Weltwetterorganisation der UN und des Copernicus Climate Change Service der EU stiegen die Temperaturen in Europa zwischen 1991 und 2021 im Durchschnitt um 0,5 Grad Celsius pro Jahrzehnt an.
Rahmstorf ordnete auch diese Äußerung Hentrichs für das ZDF ein. Man könne immer kleinere Zeiträume von bis zu 15 Jahren herauspicken, in denen die Temperatur scheinbar stagniere. „Aber in der Gesamtzeitreihe sieht man, dass sie seit den 70er-Jahren stetig ansteigt“, betonte er: „Wer solche Scheinargumente der Klimaskeptiker-Szene benutzt, der disqualifiziert sich letztlich von einer ernsthaften Debatte.“
FDP-Referent Hentrich ließ sich bei Klimaleugner-Bewegung ablichten
2013 ließ sich Hentrich auf einem Kongress der Klimaleugner-Bewegung ablichten. Vertreten waren Lobby-Thinktanks wie EIKE, berichtet „Frontal21“. „Wenn eine Partei einen Klimareferenten beschäftigt, der überhaupt leugnet, dass es eine Klimakrise gibt, dann signalisiert das für mich, dass diese Partei den Klimaschutz sabotieren möchte“, warnte Rahmstorf.
FDP-Fraktionsvize Köhler beschwichtigte hingegen. „Keine dieser Informationen liegen mir gerade vor, dazu kann ich leider nichts sagen“. Hentrich habe in seiner Funktion aber „noch nie in irgendeiner Weise den Klimawandel selber infrage gestellt“.
Die FDP-Pressestelle äußerte sich gegenüber „Frontal21“ wie folgt: „Der Stand der Klimaforschung und der Wissensstand der Menschen verändert sich über die Jahre, deswegen müssen Menschen daraus folgend auch ihre Haltung und Positionen ändern können“ - wohl auch mit Blick auf den zehn Jahre zurückliegenden Kongress-Auftritt. Verantwortlich seien zuletzt Politiker, nicht Referenten, betonte Fraktionschef Christian Dürr. Doch ausgerechnet die FDP blockiert immer wieder Klimaschutz-Gesetze.
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