Samstag, 29. April 2023

Es drohen extreme Hitzewellen- auch in bislang verschonten Regionen.

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Foto links aus einer Campact-Campagne

Mit dem Klimawandel steigt die Gefahr von Hitze-Extremen. Diese können einer neuen Studie zufolge auch in Regionen auftreten, die bislang verschont geblieben sind. 

Entsprechend unvorbereitet würden unerwartete Temperaturrekorde die Menschen vor Ort treffen - mit fatalen Folgen, warnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die erschreckenden Hitzerekorde im vergangenen Jahr machen die Folgen des Klimawandels deutlicher als je zuvor. In einigen Teilen der Erde erreichten die Temperaturen nie für möglich gehaltenen Werte. Das sei allerdings nur der Anfang, warnen Klima-Experten

In vielen Weltregionen dürften Hitzewellen künftig weit extremer ausfallen als bisher - und womöglich deutlich mehr Opfer fordern, wie eine aktuelle Studie in der Fachzeitschrift "Nature Communications" zeigt.

Für ihre Analyse wertet ein Forschungsteam um Vikki Thompson weltweite Wetterdaten von 1959 bis 2022 mithilfe von Klimamodellen aus. So konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der University of Bristol schätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass sich Extremwetterereignisse aus der Vergangenheit wiederholen. Beispielsweise errechneten sie, in welchen Regionen in naher Zukunft die in der Vergangenheit gemessenen Temperaturrekorde gebrochen werden.

Das Ergebnis: Zu den Hotspots der Hitze-Extreme gehören der Studie zufolge einerseits wenig entwickelte Regionen mit hoher Populationsdichte und ohnehin relativ heißem Klima wie Afghanistan, Guatemala, El Salvador, Honduras oder Papua-Neuguinea. Weil in diesen Ländern Mittel und Gelder für Anpassungsmaßnahmen fehlen, sind die Menschen dort im Falle einer extremen Hitzewelle besonders gefährdet.

Aber auch einige Industrieländer könnten schon in naher Zukunft folgenschwere Jahrhundert-Rekorde erleben, darunter sind das australische Queensland, der Osten Russlands, der Großraum Peking und Mitteleuropa. Auch in Deutschland, den Niederlanden und Belgien sind demnach neue Hitze-Extreme zu erwarten. Allerdings: Als weit entwickelte Industrieländer gebe es dort eher Hitzeschutzpläne, die potenzielle Auswirkungen abmildern, vermuten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Hitzewellen können überall auftreten

Anhand der Daten konnten die britischen Forscherinnen und Forscher zudem zeigen, wo überall in der Vergangenheit statistisch unwahrscheinliche Extremwetterereignisse auftraten: In fast einem Drittel, also in 31 Prozent aller untersuchten Regionen, ist es demnach in den vergangenen 60 Jahren zu mindestens einem solchen Ereignis gekommen. Diese Temperaturrekorde seien so extrem gewesen, "wie es bis zum Auftreten unmöglich schien", schreibt Studienautorin Thompson. Ein zeitliches oder räumliches Muster konnten sie und ihr Team nicht erkennen.

"Es scheint, dass solche Extreme sich jederzeit und überall ereignen können", resümieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "Daher müssen sich alle Regionen darauf einstellen, eine Hitzewelle zu erleben, die dort auf Basis der bisherigen Beobachtungen als nicht plausibel erschien." Denn Temperaturrekorde könnten schwerwiegende Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt haben, vor allem wenn sie Regionen unvorbereitet treffen - wie zum Beispiel 2021 den Westen Nordamerikas.

Die extreme Hitzewelle in Kanada und den USA gilt unter Experten als Jahrtausendereignis (PDF). Sie führte zu einigen der höchsten jemals aufgezeichneten Temperaturen in der Region, einschließlich der höchsten jemals in Kanada gemessenen Temperatur: 49,5 Grad. Allein in British Columbia starben binnen einer Woche mindestens 719 Menschen einen plötzlichen Tod, dreimal so viele wie im Durchschnitt. In den drei bis fünf Jahren zuvor hatte es in der kanadischen Provinz insgesamt nur drei hitzebedingte Todesfälle gegeben. Und auch in den USA starben Schätzungen zufolge mehr als 200 Menschen infolge der extremen Hitze.

"Vorbereitet zu sein, rettet Leben"

"Da Hitzewellen immer häufiger auftreten, müssen wir uns besser vorbereiten", wird Studienautorin Thompson in einer Mitteilung der Universität zitiert. "Einige Regionen, die wir identifiziert haben, weisen eine schnell wachsende Bevölkerung auf, andere sind Entwicklungsländer, und wieder andere sind bereits sehr heiß. Wir müssen uns deshalb fragen, ob die Hitze-Aktionspläne dort ausreichend sind."

Und auch Co-Autor Dann Mitchell ist überzeugt: "Vorbereitet zu sein, rettet Leben." Einige der überraschendsten Hitzewellen hätten weltweit zu Zehntausenden hitzebedingten Todesfällen geführt. Eine vorausschauende Planung kann laut Mitchell die Sterblichkeitsrate infolge von Klimaextremen jedoch verringern. So hat die Hitzewelle in Europa 2003 Schätzungen zufolge bis zu 70.000 Todesopfer gefordert und einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 13 Milliarden Euro verursacht. "Anschließende politische Maßnahmen und Hitzeschutzpläne führten zu weniger Todesfällen während eines Sommers ähnlichen Ausmaßes im Jahr 2006", heißt es in der Studie.

Auch Spanien hatte damals einen Nationalen Aktionsplan zum Hitzeschutz aufgestellt. Dieser kommt voraussichtlich dieses Jahr besonders früh zum Einsatz. Denn Teile Spaniens ächzen schon jetzt unter ungewöhnlich hohen Temperaturen - und das im April. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass irgendwo im andalusischen Hinterland am Freitag 40 Grad gemessen werden", sagt Meteorologe Miguel Ángel Viñas der Zeitung "La Vanguardia". Laut der spanischen Wetterbehörde wurden diese Woche bereits vor dem Hitze-Höhepunkt in mehreren andalusischen Städten April-Rekorde gebrochen: Etwa in Córdoba, wo die bisherige Höchstmarke von 34,0 Grad am Dienstag mit 35,1 Grad gleich deutlich übertroffen wurde.

Aber auch der Rest Europas muss sich Experten zufolge auf einen neuen Hitzesommer einstellen. Laut dem europäischen Klimabeobachtungsdienst Copernicus steigen die Temperaturen doppelt so schnell wie im globalen Mittel und schneller als auf jedem anderen Kontinent. Nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre ist das Klima in Europa inzwischen etwa 2,2 Grad wärmer als in der vorindustriellen Zeit (1850-1900). Angesichts dieses Trends werden Hitzewellen immer wahrscheinlicher und extremer.

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