Donnerstag, 20. April 2023

Europäischer Klimabericht: Temperaturen in Europa steigen doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt

Standard hier David Rennert  20. April 2023

Der Sommer 2022 war in Europa der heißeste seit Messbeginn. Rekordverdächtig war auch die Trockenheit, wie ein Bericht des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus zeigt

Das vergangene Jahr war mit Blick auf den Klimawandel voller negativer Rekorde. 2022 erreichten die menschengemachten Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre neue Höchststände, die globale Durchschnittstemperatur lag nach Angaben der Weltwetterorganisation (WMO) 1,15 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Anhaltende Dürreperioden, ausgedehnte Waldbrände und die höchsten jemals gemessenen Meerestemperaturen waren zu verzeichnen. Mit Blick auf Europa war die Situation noch dramatischer, wie jetzt ein neuer Bericht des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus (hier) detailliert zeigt.

Eingebettetes Video auf der Originalseite hier : Wo stehen wir in Sachen Klimakrise? Was sind die größten Risiken? Welche Maßnahmen braucht es? Eine Zusammenfassung des IPCC-Berichts in weniger als fünf Minuten

Europa erlebte 2022 das zweitwärmste Jahr – und den heißesten Sommer der Messgeschichte: Die Sommermonate lagen 1,4 Grad über dem Durchschnitt und übertrafen damit den bisherigen Rekordsommer 2021 um fast ein halbes Grad, heißt es in dem Donnerstagfrüh veröffentlichten Bericht des Copernicus-Klimawandeldiensts, der Teil des EU-Weltraumprogramms ist. Die Temperaturen in Europa steigen doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt, wie die Autorinnen und Autoren betonen – schneller als auf jedem anderen Kontinent.

Trockenheit als wachsendes Problem

"Der Bericht zeigt alarmierende Veränderungen unseres Klimas auf, einschließlich des heißesten jemals in Europa verzeichneten Sommers, der durch beispiellose Hitzewellen im Mittelmeer und rekordverdächtige Temperaturen in Grönland gekennzeichnet war", sagte Carlo Buontempo, Direktor des Copernicus-Klimawandeldienstes. "Wir wissen, was die Gründe für den Klimawandel sind, und müssen handeln – dieser Bericht sollte als weiterer Weckruf verstanden werden."

Grafik auf der Original-Seite: Anomalien der durchschnittlichen Oberflächenlufttemperatur für Jänner bis Dezember 2022 (Referenzzeitraum 1991–2020)

Der jährlich erscheinende "European State of the Climate", an dem auch zahlreiche Forschungsinstitutionen und Universitäten beteiligt sind, basiert auf Messergebnissen des europäischen Erdbeobachtungsprogramms, das mithilfe von Satelliten umfangreiche Daten über das Klimasystem, Umwelt und Atmosphäre sammelt. Die Detailauswertung für 2022 zeigt vor allem eine besorgniserregende Entwicklung auf, die in Europa immer brisanter wird: zunehmende Trockenheit. Der Winter 2021/2022 hatte in weiten Teilen des Kontinents weniger Schneetage als im Durchschnitt, auch im Frühjahr lagen die Niederschläge deutlich unter dem langjährigen Mittel.

Wachsende Waldbrandgefahr

Weiterhin geringe Niederschlagsmengen und außergewöhnliche Hitzewellen im Sommer verschärften das Problem, insbesondere für die Landwirtschaft. Nur in wenigen Gebieten erreichte die Bodenfeuchte überdurchschnittliche Werte, während zeitweise mehr als ein Drittel der europäischen Landfläche unter Trockenheit litt, sagte die Erdsystemforscherin Rebecca Emerton vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage, eine der Autorinnen des Klimaberichts.

links: Die Sommermonate lagen 2022 1,4 Grad über dem Mittel.

Illustration: C3S/ECMWF/KNMI


Indes wiesen 63 Prozent der europäischen Flüsse 2022 einen unterdurchschnittlichen Wasserstand auf, der Flusspegel war insgesamt der zweitniedrigste der letzten fünf Jahrzehnte. Überdurchschnittlich hoch war hingegen die Waldbrandgefahr – insbesondere in Südwesteuropa kam es zu großen Bränden. Das führte auch zu einem erheblichen Anstieg der Emissionen aus diesem Bereich, wie die Forschenden berichten.

Gesundheitliche Belastung

Die gesundheitliche Belastung durch Hitzeperioden im Frühjahr und Sommer war vor allem in Südeuropa besonders groß: Tage mit "extremer" und "sehr starker" Hitzebelastung" nahmen 2022 zu, während die Zahl der Tage ohne Hitzestress rückläufig war. Aber auch weite Teile des restlichen Europas wurden von außergewöhnlichen Hitzewellen heimgesucht, in Westeuropa lagen die Höchsttemperaturen bis zu zehn Grad über dem langjährigen Mittel. Im Juli wurde in Großbritannien zum ersten Mal in der Messgeschichte die 40-Grad-Marke überschritten.

Grafik auf der Original-Seite:Durchschnittliche Konzentration der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in der Atmosphäre.

Rekordtemperaturen wurden nicht nur an Land und in den Meeren verzeichnet, auch 73 Prozent der europäischen Seen waren außergewöhnlich warm. Auf den Bergen sorgten der niederschlagsarme Winter und der heiße Sommer für einen anderen traurigen Rekord: Die Alpengletscher verloren rund fünf Kubikkilometer Eis, mehr als je zuvor seit Aufzeichnungsbeginn.

Extremer, häufiger, anhaltender

"Wir können klar sagen, dass europäischen Bürgerinnen und Bürger im Vorjahr mehr unter Hitze litten als je zuvor", sagte Samantha Burgess, die stellvertretende Leiterin des Copernicus-Klimawandeldienstes. Wie der kommende Sommer wird, lasse sich noch nicht vorhersagen, aber die Tendenz für die Zukunft sei eindeutig: Extremereignisse würden häufiger und dauerten länger an.

In Sachen Dürre droht 2023 nahtlos an das Vorjahr anzuschließen: Schon jetzt leiden insbesondere Spanien, Italien und Frankreich an enormer Trockenheit, das Frühjahr brachte bislang kaum Niederschläge. Wenn es einen regenreichen Mai gibt, könnte sich die Lage noch entspannen, sagte Burgess. Insgesamt sei aber klar, "dass wir uns in Europa an eine Situation anpassen müssen, in der wir weniger Wasser zur Verfügung haben als in der Vergangenheit".

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