hier NTV 15.04.2023 Mit Thomas Krüger sprach Diana Dittmer
Sind Innenstädte noch zu retten?
Selbst auf der einst erfolgreichen Frankfurter Zeil müssen Warenhäuser schließen. Die Einzelhandelsumsätze sind in manchen Bereichen bis zu 20 Prozent niedriger als vor der Pandemie.
Mit dem großen Kaufhaussterben wächst die Angst vor toten Innenstädten. "Es wird jetzt viel experimentiert", sagt Thomas Krüger von der Hafencity Hamburg ntv.de. Er sieht Vorzeigeprojekte, aber auch Orte, die verlieren werden. Zum Glück sei es noch nicht so, "dass Innenstädte komplett ausgestorben sind". Innenstädte seien für Menschen wichtig und stehen auch für die Identität ihrer Heimatstadt, sagt der Professor für Stadtplanung ntv.de. Sie zum Teil neu zu erfinden wird ein Kraftakt, ist er sich sicher. Für ihn ist klar: "Maximalrenditen sind hier für Investoren nicht mehr drin."
...Ab wann gilt eine Innenstadt denn als verödet, wann sollten in den Städten und Kommunen die Alarmglocken schrillen?
Spätestens, wenn Ein-Euro-Shops, Spielhallen und Fastfood sich einmieten. "Downtrading", wie es genannt wird, ist die Vorstufe, dass ein Zentrum uninteressant wird. Vermieter finden immer schwieriger Mieter, Kunden kein interessantes Angebot und am Ende gibt es Leerstand.
Sie sind Stadtplaner. Welche Ideen haben Sie, um den Prozess der Verödung in den Stadtzentren aufzuhalten, wenn das Warenhauskonzept tot ist?
Also, noch gibt es Hoffnung. International gibt es ja erfolgreiche Warenhausanbieter. Auch bei uns wurde das Format schon mal wiederbelebt: durch das Shop-in-Shop-System. Aber davon unabhängig haben wir Glück, weil die Innenstädte bislang nicht komplett ausgestorben sind. Die Menschen wollen eine Innenstadt. Was sie dort aber immer weniger wollen ist nur Shoppen. Sie wollen einen Ort, wo sie sich gerne aufhalten, wo sie Menschen treffen, aber nicht immer Geld ausgeben müssen. Städte müssen ihre Zentren also zum Teil neu erfinden. Die Qualität für Aufenthalt, Begegnung und Erlebnis muss verbessert werden. In der Innenstadt muss etwas stattfinden, wo ich zuschauen oder sogar teilhaben kann: Das können Konzerte, Tanz, Straßentheater, Sport und Spiel oder andere Dinge sein.
Der Ehrlichkeit halber muss man sagen: Das nette Beisammensein bringt der Wirtschaft aber kein Geld und die Städte müssen dazu noch viel investieren, um die Orte attraktiv zu machen. Ist das dann nicht utopisch?
Die Kosten sind ein großes Problem. Aber für viele Menschen sind die Innenstädte der wichtigste Anlaufpunkt. Innenstadt, das ist der "Marktplatz" der Gesellschaft, Markt im Sinne von Wirtschaft, Politik, Begegnung und Kultur. Es geht hier auch um Identität.....
Ich glaube, wir sind in einer Übergangsphase, wo viel experimentiert wird. Seit mindestens 20 Jahren werden Warenhäuser umgebaut und umgenutzt: im Erdgeschoss Einzelhandel, manchmal Gastronomie. Im Obergeschoss Büroflächen oder Wohnraum. Das funktioniert. Jetzt geht die Entwicklung weiter. Wir kommen in eine Phase, wo wir aus Klimaschutzgründen auch nicht mehr alles abreißen und neu bauen werden. In der Projektentwicklung lernen sie gerade erst, damit umzugehen.
Apropos Wohnraum. In den Innenstädten haben wir mehr leerstehende Gewerbeimmobilien, als allen lieb ist. Welche Rolle spielen die für die Erschließung von neuem Wohnraum?
Der große Effekt für den Wohnungsmarkt ist hier leider nicht zu erwarten. Die Gebäude müssen umgebaut werden, dabei entstehen Kosten wie für einen Neubau. Das geht also nur für eine Klientel, die sich das auch leisten kann. Es gibt wenige Ausnahmen: In Lünen beispielsweise hat eine Wohnungsbaugenossenschaft in einem alten Hertie-Gebäude günstige Wohnungen gebaut.
Können es grundsätzlich alle Städte schaffen, ihre Zentren wiederzuleben?
Das kommt es sehr darauf an, wie attraktiv eine Stadt und ihr Einzugsbereich sind. Ein Ort mit 5000 Einwohnern hat schlechte Chancen. Aber ab 20.000 Einwohnern kann es in einem Joint Venture zwischen privaten und neuen kulturellen oder gewerblichen Initiativen und Menschen gelingen. Derzeit gibt es dafür viele Fördermittel und Programme.
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