Sonntag, 30. April 2023

Spiegel hier  Eine Kolumne von Christian Stöcker  23.04.2023

Bild links von Campact -  es wird kräftig gezünselt von den Klimasaboteuren

Moskaus übergeigte Querfrontpläne

Neue Enthüllungen zeigen, wie konkret Russlands Regime versucht, die deutsche Öffentlichkeit zu spalten und die Politik zu unterwandern. Schlüsselrollen spielen soziale Medien, die AfD – und Sahra Wagenknecht.

Die »Washington Post« hat kürzlich ein hochinteressantes Dokument veröffentlicht.
Es handelt sich um eine Infografik zu einem russischen Propagandasystem namens »Fabrika«. Das Dokument stammt den Markierungen zufolge aus den Beständen des US Cyber Command und war Teil der Dokumentensammlung, mit der ein mittlerweile verhafteter US-Nationalgardist wohl in einem Gamer-Chat angeben wollte.

»Fabrika« ist dem Dokument zufolge »ein Netz von Hunderttausenden Social-Media-Bots, die Nutzer imitieren, um der Entdeckung zu entgehen und die Informationsumgebung zu manipulieren«. Die Arbeitsaufträge bekomme das System aus dem russischen Präsidentenamt oder von anderen »Klienten innerhalb der russischen Regierung«. Die Inhalte würden »strategischen Prioritäten« angepasst, darunter »Aufbau von Unterstützung im Inland, Unterdrückung abweichender Meinungen, Demoralisierung der Ukraine, Ausnutzen von Uneinigkeit im Westen«.

Dazu würden »Bot-Accounts« eingesetzt, die Social-Media-Inhalte »ansehen, ›liken‹, reposten und View Counts manipulieren, um Inhalte in Empfehlungslisten oder Suchergebnissen nach oben oder unten zu schieben«. Dass Bots nicht zuletzt dem Zweck dienen, Sortieralgorithmen zu manipulieren, war in dieser Kolumne vor Jahren schon Thema.

»Hürden beim Erstellen von Fake-Profilen«

Betrieben wird das System demnach von einer russischen Behörde namens GlavNIVTs, die für das Präsidentenamt unter anderem Rechenzentren verwaltet und Software entwickelt. Parallel wird der russische Sicherheitsapparat von »Dutzenden privaten Firmen, die maßgeschneiderte Cyber-Fähigkeiten für die russischen Sicherheitsbehörden entwickeln« versorgt, wie ungenannte Fachleute der »Washington Post« vor einigen Wochen sagten .

Damals ging es um die sogenannten Vulkan Files, die der SPIEGEL mit anderen Redaktionen gemeinsam ausgewertet hat. »Vulkan« ist eine dieser zahlreichen privaten Firmen. Unter den Dokumenten waren auch Anleitungen dafür, wie man »Hürden und Probleme beim Erstellen von Fake-Profilen in sozialen Netzwerken« überwinden kann . Das Rechercheteam konnte Vulkan mehrere Hundert Twitter-Accounts zuordnen, aber das dürfte nur ein winziger Bruchteil des Propagandaapparates sein, den Russland betreibt.

Gegen Impfung und Gendern, für Trump, Orbán, Putin

Im US-Dokument über »Fabrika« ist zu lesen, GavNIVTs gebe an, dass auf den meisten Plattformen weniger als ein Prozent ihrer Bots erkannt und abgeschaltet würden. Russland hat die digitale Öffentlichkeit im Westen über viele Jahre auf breiter Front unterwandert. Und zwar nicht nur mit Bots, sondern auch mit bezahlten Trollen, die in vielen Sprachen permanent Propgandainhalte ins Netz pumpen, unterstützt von Botnetzen. Neue Akteure würden von russischen Geheimdiensten, etwa bei Telegram, »aktiv rekrutiert«, ergab ein britisches Forschungsprojekt  im vergangenen Jahr. Seit Elon Musk bei Twitter die Befehle gibt, haben es die Trolle dort noch leichter .

Aber vielen Menschen ist das offenbar weiterhin nicht klar.

Prorussische Propagandaaccounts haben oft ein sehr spezifisches Themenangebot, wie wir aus Desinformationsforschungsprojekten wissen: Sie käuen alle russischen Talking Points über die vermeintlich von Nazis beherrschte Ukraine wieder, aber sie sind auch gegen LGBTQ-Rechte, gegen »Gendersprache«, gegen Impfungen, gegen die Grünen, insbesondere gegen Robert Habeck und Annalena Baerbock. Sie sind auch gegen Einwanderung und für Atomkraft, gegen Klimaschutz und für Victor Orbán, für Donald Trump, gegen George Soros, für Baschar al-Assad und natürlich sehr für Wladimir Putin.

Mission: möglichst viel Spaltung

Ebenso sind sie natürlich für Sahra Wagenknecht – und die AfD. Das schließt sich in diesen (virtuellen, simulierten) Kreisen nicht aus, im Gegenteil. Und es passt gut zur russischen Außenpolitik, wie ein weiterer Bericht der »Washington Post«  vom Freitag dieser Woche zeigt. Eine der Autorinnen ist Catherine Belton, die spätestens seit ihrem spektakulären Buch »Putins Netz« als eine der wichtigsten Expertinnen für das Innenleben des Putin-Kreml gelten kann.

Russlands Regime versucht demnach, in Deutschland für möglichst viel Spaltung zu sorgen.
Am 13. Juli 2022 habe Sergei Kirijenko, stellvertretender Stabschef des Kreml, eine Gruppe von Politstrategen einberufen, um ihnen zu erläutern, dass Deutschland künftig »im Fokus« der russischen Bemühungen stehen werde, den Rückhalt für die Ukraine zu unterminieren. Tatsächlich laufen Russlands Propagandabemühungen hierzulande schon viel länger, mindestens seit 2014.

Wagenknechts Ex-Mann und die »Exilregierung«

Geradezu rührend kümmert man sich von Moskau aus, das besagen die zitierten Dokumente, vor allem um Sahra Wagenknecht. Die soll demnach bitte bald mit der AfD gemeinsame Sache machen. Damit hat sie bekanntlich schon angefangen: Die »Friedensdemonstration«, zu der Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer Ende Februar aufgerufen hatten, war wie ein Probelauf einer zukünftigen Querfront aus Rechtsradikalen, Rechtsextremen und linken »Antiimperialisten«. Eine Menge Leute, die wirklich einfach Frieden wollen, aber leicht zu täuschen und zu manipulieren sind, waren sicher auch dabei.

Politikerin Wagenknecht:
Ihr Ex-Mann und der Kreml glauben an ihre Chancen auf das Amt der Kanzlerin

Ausführlich kommt im Beitrag der »Washington Post« Sahra Wagenknechts Ex-Ehemann Ralph Niemeyer zu Wort, ein wegen vielfachen Betrugs verurteilter Freund Russlands. Eigenen Angaben zufolge reiste er als Vertreter einer »Exilregierung« im September 2022 nach Russland, um über Gaslieferungen zu »verhandeln«. Angeblich traf er dort Russlands Außenminister Sergej Lawrow, Gazprom-Chef Alexei Miller und Regierungssprecher Dmitrij Peskow. Social-Media-Posts mit diesen Herren, die die »Washington Post« erwähnt, sind aber nicht mehr auffindbar.

Niemeyer ist augenscheinlich nicht zimperlich, was seine Kontakte angeht: Seine Wohnung wurde im Zusammenhang mit den Razzien gegen eine »Reichsbürger«-Verschwörung im März durchsucht. Der »Washington Post« erzählte er, dass er seine Gas-Verhandlungsergebnisse aus Russland in Berlin an Alice Weidel von der AfD übergeben habe.

Was Niemeyer und Mathias Döpfner eint

Im Kreml scheint man wirklich zu glauben, Wagenknecht habe das Zeug dazu, in Deutschland demnächst mit einer Querfront-Partei zu regieren: Eine neue Wagenknecht-Partei, die Stimmen unter anderem aus den Lagern von AfD und der Linken einsammeln solle, könne »bei Wahlen auf allen Ebenen Mehrheiten erreichen«, steht der »Washington Post« zufolge in einem russischen Geheimdokument vom 9. September 2022.

Ihr Ex-Mann Niemeyer teilt eine Hoffnung mit Springer-Chef Mathias Döpfner: dass die Ampelregierung demnächst platzt. Nur dass Niemeyer glaubt, Wagenknecht habe dann Chancen aufs Kanzleramt, während Döpfner von Jamaika träumt.

All das klingt lustig, ist es aber nicht. Im »Washington Post«-Artikel wird auch erläutert, wie Russland AfD-Politiker umgarnt: mit teuren Reisen nach Russland etwa. Das fügt sich nahtlos ein in das, was über Moskaus Anwerbebemühungen unter Europas Rechten bekannt ist. Russlands »Strategen« setzten dem Bericht zufolge sogar ein »Manifest« für die AfD auf, in dem eine »Wiederherstellung normaler partnerschaftlicher Beziehungen zu Russland« gefordert werden sollte. Unklar sei jedoch, ob dieses »Manifest« jemals die AfD erreicht habe.

Lob von Björn Höcke

Ziemlich klar ist dagegen, dass der Wunsch nach einer Einbindung von Sahra Wagenknecht in der AfD gehört wurde. Björn Höcke etwa rief nicht nur bei einer Veranstaltung im Februar, kurz vor der Querfront-Demonstration in Berlin, Sahra Wagenknecht bei einer Veranstaltung öffentlich zu: »Frau Wagenknecht, kommen Sie zu uns!« Er ließ sogar ein YouTube-Video mit diesem Aufruf als Titel auf YouTube platzieren, als dauerhaftes Angebot.

Bei sogenannten Montagsdemonstrationen in Leipzig und Neustrelitz trugen manche offenbar Plakate, die zuvor im Kreml formuliert worden waren, so die »Washington Post«: »Nordstream 2 sofort öffnen!«, »Antirussische Sanktionen sofort beenden« und »Niedrigere Strompreise!«. Die Demonstrationen in Leipzig werden unter anderem von den Rechtsextremen »Freien Sachsen« unterstützt, und auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung ist gern dabei.
Die Selbstüberschätzung des Kreml

Mein Eindruck ist, dass die deutsche Öffentlichkeit immer noch kein ausreichendes Bewusstsein für Art und Ausmaß russischer Propagandaanstrengungen gerade hierzulande entwickelt hat, besonders für die Verstrickungen Deutscher in diese Anstrengungen.

Eine gewisse Selbstüberschätzung des Kreml, ähnlich der auf den Schlachtfeldern der Ukraine, zeigt sich auch in diesem Fall: Die von ihrem Ex-Mann im Gespräch mit der »Washington Post« zu Protokoll gegebene Hoffnung, dass Sahra Wagenknecht in Deutschland ernsthaft Chancen auf das Amt der Bundeskanzlerin hätte, erscheint doch arg realitätsfern.

Das ändert aber nichts daran, dass die fortgesetzten Propagandakampagnen Russlands, die immer auf gesellschaftliche Spaltung hinwirken sollen, Wirkung zeigen: Gerade im Zuge der Coronapandemie war zu beobachten, wie bis dahin unauffällige Mitglieder der Gesellschaft in einen Sumpf aus Desinformation und Selbstvergewisserung abrutschten. Und eine vom Forschungsinstitut Cemas in Auftrag gegebene repräsentative Befragung zeigt, dass prorussische Verschwörungs- und Propagandaerzählungen hierzulande tatsächlich Zulauf haben .

Im Netz finden die Desinformierten dann Kanäle, die sie im Schichtbetrieb mit neuem Agitationsmaterial versorgen. Sonst feiern solche Kanäle eher die AfD. Aktuell findet man dort auch Zitate chinesischer Propaganda-Accounts: Wenn die sich kritisch über Außenministerin Annalena Baerbock äußern, sind auch die Propagandisten der Kommunistischen Partei Chinas willkommene Stichwortgeber.

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