Dienstag, 11. April 2023

Klimaschutz-Fachleute sagen: „Kommunen können ein Siebtel aller Emissionen in Deutschland einsparen“

Ja, die Kommunen haben eine sehr große Bedeutung für den Klimaschutz, nicht nur in Hessen sondern auch bei uns! Wir sehen das beim Regionalplan, wo das Flächensparziel der Bundesregierung und des Landes "unter die Räder kommt", weil die Regionalpolitiker sich gerne ein doppelt so großes Stück des Kuchens gönnen..... So wird das leider nichts werden mit dem Klimaschutz und dem Flächensparziel netto-Null. 

In der deutsche Nachhaltigkeitsstrategie  ist festgehalten, dass die Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag gesenkt werden soll. Langfristig wird eine Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt. Das bedeutet: Perspektivisch soll in der Summe überhaupt keine zusätzliche Fläche mehr für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Anspruch genommen werden. Heute stehen wir bei 54 ha/Tag, also wesentlich zu hoch.



Frankfurter Rundschau  hier 11.04.2023  Von: Peter Hanack

Sabine Hafner und Janis Schiffner erklären im Interview , was Hessens Städte und Gemeinden für den Klimaschutz tun können und warum das noch zu selten geschieht.

Frau Hafner, Herr Schiffner, wie wichtig sind die Kommunen für den Klimaschutz?

Sabine Hafner: Eine besondere Bedeutung haben die Kommunen bei diesem Thema, sowohl was Klimaschutz als auch was Klimaanpassung angeht, weil sie der Bevölkerung, den Unternehmen, den Verbänden und Vereinen am nächsten sind. Dementsprechend können sie dort direkt einwirken.

Welche Möglichkeiten haben sie dazu?

Hafner: Etwa mit Bauvorgaben, der Ausweisung von Baugebieten oder Förderprogrammen. Sie bieten über ihre Eigenbetriebe häufig Energie an. Die Landkreise managen den öffentlichen Personennahverkehr. Und die Kommunen sind auch Vorbilder. Deshalb sprechen wir den Kommunen eine große Rolle im Klimaschutz und bei der Klimaanpassung zu.

Was können beispielsweise Vorgaben bei der Ausweisung von neuen Baugebieten bewirken?

Hafner: Es geht da um die Art und das Maß der baulichen Nutzung, also ob beispielsweise sehr viele Einfamilienhäuser errichtet werden dürfen, die sehr viel Fläche verbrauchen. Wie viel überbaut werden darf, ob Regenwasser und Solarenergie genutzt werden müssen oder ein Anschluss an ein Fernwärmenetz verpflichtend ist. Die eigene Beschaffung ist nochmal ein weiterer Punkt, also die Fragen, wie die Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter organisiert wird, ob es Dienstwagen gibt und welche oder ob Dienstfahrräder auch genügen.

Janis Schiffner: Es kann auch darum gehen, wie schaut das nächste Stadtfest aus? Welches Catering wird angeboten, kommt das von hier, ist es vegetarisch oder vegan, gibt es Wegwerfgeschirr?

Hafner: Viele vor allem größere Kommunen haben ihre Stadtwerke. Welcher Strommix wird dort angeboten, ist es Öko-Strom, wird der aus der Region bezogen? Oder die kommunalen Wohnungsbau-Unternehmen: Ist der Wohnraum gut gedämmt, wie wird geheizt, gibt es ein Energiemanagement? Und hat das Rathaus eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach? Die Kommunen können also ganz viel tun.

Klimaschutz muss zur kommunalen Pflichtaufgabe werden

Nehmen die Kommunen ihre Rolle als Gestalter und Vorbild an?

Hafner: Leider geschieht es nur sehr bedingt, dass alle für die Kommunen vorhandenen Rollen angenommen und die gesamte Klaviatur im Klimaschutz bespielt wird.

Für welchen Anteil der klimaschädlichen Emissionen sind die Kommunen verantwortlich?

Schiffner: Das direkte Einflusspotenzial auf ihre eigenen Gebäude oder bei eigenen Veranstaltungen macht natürlich zahlenmäßig nicht so viel aus. Der größere Hebel ist die Möglichkeit, auf andere direkt oder indirekt einzuwirken, also wenn es ums Parkraum-Management geht, um Anreize, private Gebäude zu sanieren, die Ausweisung von Gewerbegebieten.

Kann man den kommunalen Emissionsanteil beziffern?

Schiffner: Das Umweltbundesamt hat es in einer ausführlichen Studie versucht und kommt auf ein Einflusspotenzial von 38 Prozent. Davon ließe sich etwa ein Drittel einsparen. Insgesamt heißt das, die Kommunen könnten bundesweit rund ein Siebtel der gesamten Emission in Deutschland einsparen.

Sie fordern eine Pflicht für Kommunen zum Klimaschutz. Warum?

Hafner: Bisher ist das eine freiwillige Aufgabe, so wie das Betreiben eines Schwimmbades, und Kommunen tun etwas, wenn sie genügend finanzielle Mittel dafür haben und wenn der politische Wille hierfür vorhanden ist. Klimaschutz muss zur kommunalen Pflichtaufgabe werden. Eine Pflicht müsste das Land den Kommunen auferlegen, und das ist der Trick: Dann muss das Land auch dafür zahlen. Das Land müsste die Kommunen mit adäquaten Finanzmitteln ausstatten, das ist das sogenannte Konnexitätsprinzip. Wenn wir aber im Klimaschutz weiterkommen wollen, dann brauchen wir genau diese Verpflichtung.

Dieses Konnexitätsprinzip ist aber auch ein nachvollziehbarer Grund, warum das Land sich mit einer solchen Pflicht schwertut.

Hafner: Wenn man die Finanzierung mal außen vor lässt, sind doch viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen froh, wenn sie eine Rechtfertigung haben, endlich loszulegen, vielleicht auch gegen Widerstände aus der eigenen Bürgerschaft. Wenn sie sagen können, das Land trägt es uns auf, wir müssen das machen, ich habe da gar keine Wahl, also lasst es uns angehen.

Schiffner: Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin haben dann mehr Rückendeckung, vor allem jene, die schon etwas machen wollen, und die anderen, die die Problematik noch nicht erkannt haben, die müssen dann. Nur so kommt man dann endlich auch in die notwendige Breite.

Große Kommunen wie Frankfurt können leichter etwas bewegen. Frankfurt gibt 61 Millionen Euro pro Jahr für den Klimaschutz und die Klimaanpassung aus. Aber kleine kommen doch heute schon nicht hinterher mit den Verwaltungsaufgaben, da ist es schon zu viel, wenn die ganzen aufwendigen Ausschreibungen gemacht werden müssen. Und jetzt noch das Klima on top.

Hafner: Da gebe ich Ihnen recht. Natürlich braucht es gerade für kleinere Kommunen eine personelle Aufstockung. Wichtig ist aber auch die Kooperation etwa mit der Landesenergieagentur. Da kann man sich Beratung und Leitfäden holen und von guten Beispielen anderer profitieren.

Schiffner: Regionale Transformationsagenturen in Landkreisen oder kreisfreien Städten könnten dieses Know-how bündeln. Es muss ja auch nicht jeder das Rad neu erfinden, viele Herausforderungen sind in den Kommunen sehr ähnlich. Ob das nun Sanierung, Mobilität oder der Ausbau der erneuerbaren Energien ist.

Zu Den Personen

Sabine Hafner (51) ist Diplom-Geografin und seit 2013 Vorständin der gemeinnützigen Beratungsgenossenschaft KlimaKom in Bayreuth.

Janis Schiffner (33) ist Human-Geograf, Stadt- und Regionalforscher und seit sieben Jahren bei KlimaKom.

KlimaKom unterstützt Städte und Regionen im sozial-ökologischen Wandel, etwa mit Klima-Anpassungs- und Klima-Schutz-Konzepten.


Im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung haben Hafner und Schiffner ein Klima-Handbuch für Kommunen in Hessen erstellt. Als Download erhältlich unter fes.de/lnk/klima-hessen

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