Süddeutsche Zeitung hier 22. März 2023, Kommentar von Uwe Ritzer
Die Vorräte an Trinkwasser gehen drastisch zurück. Um die Versorgung von morgen sicherzustellen, muss heute etwas getan werden. Privates Wassersparen ist schön, reicht aber nicht.
Das Thema Wasserversorgung erreicht die Mitte der Gesellschaft. Zeit wird's, zu lange schon hat sich hierzulande abgesehen von Fachleuten und jenen Kommunalpolitikern, die kraft Amtes Trink- und Abwassernetze organisieren mussten, kaum jemand dafür interessiert. Auch der 1993 von den Vereinten Nationen ausgerufene jährliche Weltwassertag am 22. März erfuhr überschaubare Aufmerksamkeit. Als einer von unzähligen Jahrestagen zwischen dem "Welttag der Frösche" (vergangenen Montag) und dem "Europäischen Tag des handwerklich hergestellten Speiseeises" (kommenden Freitag).
Diese Gleichgültigkeit darf nicht verwundern. Gemessen an den meisten Ländern war Deutschland in einer Luxusposition. Es war immer genug Wasser da, die Reserven schienen unerschöpflich. Trockenheit und Dürre waren weit weg, irgendwo in Afrika, lateinamerikanischen oder asiatischen Wüstenregionen. Dass zwei Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser haben und 771 Millionen davon nicht einmal eine Grundversorgung - schlimm, aber Gott sei Dank betraf es uns nicht.
Nun aber vertreiben berechtigte Sorgen die Ignoranz. Die Grundwasservorräte, aus denen 65 Prozent des Trinkwassers gewonnen werden, schrumpfen rasant. "Auf dem besten Weg in den Grundwassernotstand" sieht der fundamentalökologischer Umtriebe unverdächtige bayerische Umweltminister Thorsten Glauber Deutschland, das inzwischen zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit gehört. Unfassbare 2,5 Gigatonnen Wasser gehen zwischen Flensburg und dem Bodensee jedes Jahr verloren.
Der Klimawandel hat einen verhängnisvollen Mechanismus in Gang gesetzt. Es regnet zu wenig, und wenn, dann nicht selten zu heftig. Das Erdreich kann die Wassermassen nicht aufnehmen. Sie fließen ab und reißen schlimmstenfalls Menschen samt Hab und Gut mit sich, wie 2021 im Ahrtal. Die Sommer werden heißer und die Böden trockener, was zu erhöhtem Wasserbedarf für Mensch, Tier und Natur führt. Es ist ein fataler Kreislauf. Er wird Deutschland nicht von heute auf morgen trockenlegen, doch der Trend ist eindeutig. Es muss in der Gegenwart etwas getan werden, um die Versorgung mit Trinkwasser mittel- und langfristig zu sichern.
Das Geschäftsmodell von Mineralwasserfirmen wird hinterfragt
Die gerade vom Bundeskabinett verabschiedete Nationale Wasserstrategie ist dafür ein guter Plan, sie benennt Ziele und definiert Handlungsfelder. In der Realität droht sie allerdings an absehbaren Widerständen zu zerschellen. An der Bauernlobby etwa, wenn Uferstreifen und Wasserschutzgebiete erweitert werden oder endlich der landwirtschaftliche Schadstoffeintrag reduziert wird. Auch Energieversorger, Chemieunternehmen und andere Großverbraucher aus der Industrie werden sich dagegen wehren, künftig mehr Geld für Wasser oder in teure Aufbereitungstechnik zu investieren.
Doch der Druck aus der Bevölkerung wächst. Immer mehr Menschen stellen kritische Fragen: Warum durfte der E-Autobauer Tesla eine Giga-Factory mit anderthalb Millionen Kubikmetern Wasserverbrauch pro Jahr in eine Gegend Brandenburgs bauen, wo gleichzeitig Gemeinden Baugebiete verweigert werden und privater Wasserverbrauch begrenzt wird, weil bereits ohne Tesla zu wenig Wasser da ist? Auch das Geschäftsmodell von Mineralwasserfirmen wird hinterfragt. Wie ist es zu rechtfertigen, dass sie sich kostenlos oder für marginale Cent-Beträge am Allgemeingut Wasser bedienen, es abfüllen und verkaufen dürfen, wobei die Gewinne selbstverständlich nur in private Kassen fließen?
Solche Debatten sind berechtigt, ja unumgänglich. Das Thema Wasserversorgung taugt nicht dazu, privatisiert zu werden. Knapp 130 Liter Wasser verbraucht jeder Bundesbürger täglich, mehr als die Hälfte davon für Essen, Trinken und Hygiene. Privates Wassersparen ist gut und richtig, löst aber das Problem nicht ansatzweise. Es gibt generell nicht den einen Knopf, der gedrückt werden muss, und alles wird gut. Wasserversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Keiner kann sich ihr entziehen.
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