Mittwoch, 26. April 2023

"Klimaschutz ohne Verbote? Funktioniert nicht"

Handelsblatt hier  von Christoph Herwartz  25.04.202

Manche Politiker argumentieren: Mit dem EU-Vorstoß zum Emissionshandel kann die Debatte um Beschränkungen bei Verbrennern oder Heizungen beendet werden. Aber es gibt ein Problem. Es geht ums Geld.

Der Beschluss zum Emissionshandel, den die EU an diesem Dienstag fassen wird, ist nicht nur das wichtigste Klimagesetz der Welt. Es ist wahrscheinlich auch das beste. Es ist so gut, dass in immer mehr Debatten die Frage aufkommt, ob man sich andere Klimaschutzmaßnahmen nicht sparen kann.

Mit der Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten nimmt die Reform des Emissionshandels die letzte Hürde, nachdem in der vergangenen Woche das Europaparlament zugestimmt hat.

Das Prinzip: Für jede Tonne CO2, die ausgestoßen werden soll, braucht es ein Zertifikat. Diese Zertifikate sind nur begrenzt vorhanden und können gehandelt werden. So entsteht ein Preis für klimaschädliches Verhalten. Wer klimafreundlich wirtschaftet, hat am Ende mehr Geld.

Ohne, dass eine einzige Technologie verboten worden wäre, hat dieses System dazu geführt, dass die Emissionen in der Industrie seit Jahren zurückgehen. Und durch die Änderungen, die nun beschlossen werden, kommen die betroffenen Sektoren auf den Pfad der Klimaneutralität.

Aus ökonomischer Sicht ist das der beste Weg, das Klima zu schützen. Der künstlich geschaffene Markt für Emissionsrechte tendiert zu einem Gleichgewicht, das deutlich effizienter ist, als es Verbote je sein könnten.

Soll heißen: Die CO2-Emissionen werden zuerst dort eingespart, wo der Abbau zu den geringsten Kosten möglich ist. Dass die EU auf diese Art des Klimaschutzes setzt, wird von Klimaschützern, Ökonomen, der Industrie und von Politikern aller demokratischen Parteien gefeiert.

Der Emissionshandel hat aber noch weitere Vorteile, vor allem für jene, die sich gegen harte Vorgaben bei Heizungen, Gebäudedämmung und Pkw-Motoren stemmen. Verbote und Sanierungspflichten in diesen Bereichen wirken auf viele Bürger bedrohlich, weil sie in manchen Fällen mit hohen, unvermeidbaren Kosten verbunden sind.

Der Verweis auf den Emissionshandel wirkt wie eine schonende Lösung, die niemandem weh tut. Sie würde ganz im Sinne der Technologieoffenheit die Entscheidung über die richtige Heizung und das richtige Auto dem Einzelnen überlassen – wenn sie den entsprechenden Preis zahlen.

Man kann damit Verbotsdebatten als radikale Spinnereien abtun und Regulierung als Fetisch einzelner Politiker. Man kann damit die Belastungen durch den Klimaschutz als vermeidbar darstellen. Es ist das perfekte Talkshow-Argument.

Tatsächlich wird das aber so nicht funktionieren. Der Emissionshandel ist ein starkes Klimaschutzinstrument – aber nicht allmächtig. Von Privatleuten verbrauchtes Öl oder Gas wird nun zwar auch mit CO2-Abgaben belegt. Aber diese Kosten werden aus guten Gründen nicht so hoch sein, dass die Bürger nach und nach ihre Verbrenner-Heizungen und Verbrenner-Autos abschaffen müssen.

Das würde schnell zu Armut führen, insbesondere in den weniger reichen Ländern in der Peripherie Europas. Von Industrieunternehmen kann man verlangen, dass sie den Markt für Emissionszertifikate analysieren und entsprechend investieren. Bei Privatleuten können hohe Energiepreise allein nicht für einen tragfähigen Wandel sorgen.

Und selbst wenn man es dennoch versuchen wollte: Es ist zu spät. Ein Emissionshandel für Gebäude und Verkehr, der diese Sektoren europaweit bis 2050 klimaneutral machen wollte, hätte schon vor Jahren starten müssen.

Mit dem Verweis auf den Emissionshandel können die Belastungen durch den Klimaschutz aus dem Blickfeld rücken. Man schiebt sie von Berlin nach Brüssel. Man verschiebt sie von einem konkreten Verbot in ein kompliziertes Gesetz, dessen Details schwer zu verstehen sind.

Damit die grundsätzlichen, kniffligen Klimafragen abzuwehren, ist so ähnlich, wie auf die Fusionskraft oder große Mengen billigen Wasserstoff zu hoffen: leider zu bequem, um realistisch zu sein.


Frankfurter Rundschau hier   26.04.2023  Von: Amy Walker

Härter als Habecks Heizpläne: EU plant neues Verbot von Heizungen

Die Bundesregierung hat sich nach heftigem Streit gerade auf das neue Gebäudeenergiegesetz geeinigt. Auch die EU bereitet eine Richtlinie vor - die das Gesetz der Ampel praktisch überflüssig machen würde.

Nicht nur in Deutschland wird intensiv über klimaneutrales Heizen gesprochen. Auch in Brüssel wird an verschiedenen Gesetzen gearbeitet, die das Erreichen der Klimaschutzziele bis 2050 möglich machen sollen. Der Deutsche Verband Flüssiggas e.V. (DVFG) macht nun auf einen Gesetzesentwurf aufmerksam, der die Pläne der Bundesregierung überflüssig machen könnte. Mit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie würden Gas-, Öl- und Elektro-Boiler ab 2029 vom Markt verschwinden müssen.

EU-Richtlinie für Heizgeräte: Die wichtigsten Punkte

Die neue Ökodesign-Verordnung für Raumheizgeräte und Kombiheizgeräte soll nach den Plänen der EU am 1. September 2025 in Kraft treten. Dabei geht es darum, welche Heizungen in Zukunft auf den Markt gebracht werden können. Es geht also nicht darum, dass bestehende Heizungen direkt ersetzt werden müssen. 

Der aktuelle Entwurf, der IPPEN.MEDIA vorliegt, soll noch diese Woche in die Konsultation gehen. Die wichtigsten Punkte im Gesetz sind:

  • Heizsysteme, deren Wirkungsgrad unter 115 Prozent liegt, dürfen ab 1. September 2029 nicht mehr auf den Markt gebracht werden. Das betrifft alle Heizsysteme außer Wärmepumpen und Hybrid-Heizungen.
  •  Ab 2029 dürfen reine Öl-, Gas- und Kohle-Heizungen nicht mehr auf den Markt gebracht werden – auch nicht als Ersatzteile. Einzige Ausnahme: Wenn sie in Kombination mit einer Wärmepumpe oder einer solarthermischen Anlage (also Hybrid-Heizungen sind) in den Verkehr gebracht werden.
  • Neue Heizgeräte müssen jederzeit dem Verbraucher anzeigen, wie effizient das System gerade arbeitet. Diese Daten müssen für mindestens 24 Monate aufbewahrt werden und bei Nachfrage dem Verbraucher zugänglich gemacht werden. Diese Daten sollen ausschließlich dem Endverbraucher zur Verfügung stehen.
  • Damit wäre die EU-Richtlinie weitreichender als das Gebäudeenergiegesetz der Ampel-Koalition. Laut GEG ist es Eigentümern erlaubt, kaputte fossile Heizungen reparieren zu lassen und für einen Übergangszeitraum von bis zu 13 Jahren auch zu ersetzen. Mit der EU-Richtlinie wäre letzteres ab 1. September 2029 nicht mehr möglich. Zudem hebelt die EU-Richtlinie die Ausnahmen für Über-80-Jährige, Sozialleistungsempfänger und Härtefälle aus, die die Ampel vorsieht.
  • Ausgenommen von der EU-Richtlinie sind solche Gas-Heizungen, die „hauptsächlich Energie aus Biomasse“ zur Erzeugung von Wärme verwenden. Allerdings wird im Entwurf deutlich gemacht, dass die Ausnahme nicht für Gas-Heizungen gilt, die „auch für die Verwendung von fossilen (Flüssig-)Gasen geeignet sind“. Ausgenommen sind ebenso Heizsysteme, die Festbrennstoffe verwenden, was in der Regel Holz bedeutet.

EU-Entwurf hebelt Technologieoffenheit aus

„Der derzeitige Entwurfsstand mündet in einem Verbot des Inverkehrbringens von einzeln aufgestellten Heizkesseln ab 2029 – auch solchen zum Betrieb mit erneuerbaren Gasen“, sagt der DVFG. Die angestrebte Technologieoffenheit des GEG würde damit dem Verband zufolge ausgehebelt werden. Heizungen, die Wasserstoff verwenden, finden in der EU-Richtlinie keine Erwähnung.

Die Ausnahme, die Energie aus Biomasse betrifft, ist dem Verband zufolge nur eine theoretische Option. „Biomethan wird beispielsweise dem noch teilweise fossilen Erdgasnetz beigemischt“, erklärt ein Pressesprecher des DVFG. „Demnach benötigen die betreffenden Geräte immer eine Zulassung auch für die konventionellen Gase, bzw. es gibt im Fall von biogenem Flüssiggas gar keinen Unterschied im Produkt, sodass eine spezialisierte Zulassung nur auf die ‚biogene Variante‘ gar nicht möglich ist.“ Die Ausnahmeregelung für Ökogase ist in der EU-Richtlinie also wirkungslos.

Alte Heizungen dürfen bleiben: Kohleöfen, Öl- und Gaskessel müssen nicht ausgetauscht werden, solange sie noch funktionieren.

Wirkungsgrade von Heizungen

Der Wirkungsgrad eines Heizsystems beschreibt das Verhältnis zwischen zugeführter Energie und nutzbarer Wärme. Je höher der Wirkungsgrad, desto weniger Energie geht bei der Wärmeproduktion verloren. Bei Heizsystemen, die Wirkungsgrade über 100 Prozent haben, wird nicht nur die zugeführte Energie in Wärme umgewandelt, sondern auch zusätzliche Energie, die beim Arbeiten des Systems entsteht. Bei Brennwertkesseln sind das oft Abgase, die die Heizungen in weitere Wärme umwandeln können.

siehe dazu die Tabelle im Originaltext

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