Der Thinktank Ember rechnet dieses Jahr mit der ersten Reduktion fossil erzeugter Elektrizität, die nicht durch eine Pandemie oder Rezession ausgelöst wurde
Die Stromversorgung spielt eine zentrale Rolle für die
Klimaerwärmung. Ein Drittel des durch die Energieversorgung
ausgestoßenen Kohlenstoffs in Form von Treibhausgasen geht auf das Konto
der Elektrizitätswirtschaft.
Der Energieanalyst Ember, ein in London angesiedelter und auf Energiefragen spezialisierter Thinktank, untersuchte nun anhand von Daten, die etwa 93 Prozent des globalen Elektrizitätsbedarfs abbilden, wie sich die Elektrizitätswirtschaft im Hinblick auf den Klimawandel verändert, und veröffentlichte die Daten in einer neuen Studie.
Die Untersuchung zeigt einen starken Anstieg der
Elektrizitätsgewinnung aus erneuerbaren Quellen. Allein die Solarenergie
wuchs im vergangenen Jahr weltweit um 24 Prozent. Das würde genügen, um
ein Land von der Größe Südafrikas mit Elektrizität zu versorgen. Sie
ist damit schon seit 18 Jahren in Folge die am schnellsten wachsende
Quelle von Elektrizität.
Erstmals Rückgang fossil erzeugter Elektrizität
Im Jahr 2023 wird das Wachstum von Solar- und Windenergie größer sein als der Anstieg der Nachfrage, berichtet die Studie. Bleiben Wachstum des Energiebedarfs und nichtfossil erzeugter Energie konstant, wird es einen Rückgang von 0,3 Prozent in der Energieproduktion aus fossilen Quellen geben, mit größeren Rückgängen wird in den folgenden Jahren gerechnet, wenn der Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung weitervoranschreitet. Das bedeutet, dass 2022 der Peak bei der fossilen Elektrizitätsproduktion erreicht gewesen wäre.
"Dies ist im Zusammenhang mit der zunehmenden Elektrifizierung äußerst wichtig, da wir mehr Elektrofahrzeuge und mehr Wärmepumpen haben, sodass die Reduktion des CO2-Ausstoßes im Stromsektor die Emissionen auch in anderen Sektoren senken wird", sagt die Erstautorin der Studie, Małgorzata Wiatros-Motyka.
Dennoch machen Wind- und Solarenergie in Summe nur zwölf Prozent aus, und damit zwei Prozent mehr als im Jahr 2021. Auch von Schwierigkeiten wird berichtet. So führte etwa der niedrige Wasserstand in Europas Flüssen zu einem Rückgang der Energie aus Wasserkraft.
Kohlekraft verzeichnete keinen Rückgang, wie noch bei der Klimakonferenz COP 26 in Glasgow angepeilt. Der Anstieg war mit circa einem Prozent etwa in derselben Größenordnung wie in den vergangenen Jahren. Doch der durch die Energiekrise befürchtete große Anstieg der Kohlekraft blieb aus. Der Wechsel von Gas zu Kohle war begrenzt, weil Gas schon vor der Krise teurer war als Kohle. Allerdings wurden so wenige Kohlekraftwerke stillgelegt wie seit sieben Jahren nicht mehr.
Starker Ausbau in China
Eine besondere Rolle spielt China. Zwar machte das Land erst kürzlich durch den Bau vieler neuer Kohleraftwerke auf sich aufmerksam. Doch auch der Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung ist rekordverdächtig. Die Hälfte des globalen Zuwachses an Windkraft kommt aus China, dazu 40 Prozent des Zuwachses an Solarenergie. Bis 2025 könnte die Elektrizitätsgewinnung aus Kohle auch in China den Höhepunkt überschritten haben, hoffen die Fachleute von Ember.
Der von Ember veröffentlichte globale Elektrizitätsbericht erscheint dieses Jahr zum vierten Mal. Er macht zum Teil umstrittene Annahmen, so wird etwa Kernkraft zum Teil zu den "sauberen" Energieformen gezählt. Wo in dem Bericht nicht explizit von bestimmten erneuerbaren Energiequellen die Rede ist, sondern nur von "nichtfossilen" Quellen, ist Kernkraft immer mitgemeint.
Großer Bedarf
Ein schneller Ausbau der Elektrizitätsgewinnung aus erneuerbaren Energiequellen ist nicht nur für die künftige Stromversorgung und den Mobilitätssektor wichtig. Auch die Wasserstoffwirtschaft, von vielen als Hoffnungsträger beim Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft gehandelt, wird einen riesigen Bedarf an Elektrizität aus erneuerbaren Quellen haben. Österreich hinkt hinterher, wie Fachleute unlängst betonten.
Dennoch: "Das Jahr 2022 wird als Wendepunkt für den Übergang der Welt zu sauberer Energie in Erinnerung bleiben", heißt es in der Studie von Ember. (rkl, 12.4.2023)
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