Ein Gastbeitrag von Vanessa Nakate und Luisa Neubauer
Finanzsystem und Klimakrise: Fragt endlich nach dem Geld!
Das globale Finanzsystem befeuert die Klimakrise. Das muss sich ändern. Ein Appell von Vanessa Nakate und Luisa Neubauer
Fatalerweise wird in der Klimadebatte kaum über das globale Finanzwesen gesprochen. Dabei lassen sich die nötigen Billionen für die Klimawende ohne kleine und große Revolutionen nicht beschaffen. Dieses Jahr könnten sich hier Welten bewegen. Erstmals liegen pragmatische und doch weitreichende Vorschläge auf dem Tisch, wie sich die Spielregeln von multilateralen Entwicklungsbanken so ändern lassen, dass es eine Chance gibt, die Klimakrise zu bewältigen. In diesen Tagen werden die Ideen bereits dort diskutiert, wo der Wandel ankommen muss: in den Zentralen von Finanzinstitutionen wie der Weltbank und an runden Tischen politischer Gipfeltreffen.
Aber von vorn: Jedes Jahr im Frühjahr trifft sich die Finanzwelt mit politischen Entscheidern, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, um über die großen Fragen der globalen Wirtschaft zu diskutieren. Das geschieht auf den Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank-Gruppe, also jener großen Sonderorganisationen der UN, die im Auftrag von Staaten die Vergabe von Krediten organisieren. Nächste Woche kommen sie in der Weltbankzentrale in Washington, D. C., zusammen.
Wer befeuert die Klimakrise?
In der Klimakrise steht die Frage "Wer soll den Klimaschutz bezahlen?" sehr oft und sehr prominent im Raum. Viel seltener wird gefragt: "Wer befeuert mit seinem Geld noch immer die Klimakrise?" Doch diese Frage ist zentral, denn sie führt zu einem der großen Widersprüche im globalen Kampf gegen Treibhausgase.
Seit 2015 – als die Welt sich mit dem Pariser Klimaabkommen dazu bekannte, die Erderhitzung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen – hat die Weltbank privates und öffentliches Kapital in Höhe von 15 Milliarden Dollar für den Ausbau fossiler Energien mobilisiert. Diese Rechnung geht nicht auf, die Geldflüsse in Richtung Kohle, Öl und Gas müssen gestoppt werden. Und das Ende der fossilen Förderung muss offenkundig dort beginnen, wo im Namen der UN Kapital verwaltet wird.
Dem globalen Süden fehlt das Geld für Klima-Investitionen
Kredite werden indes in hohem Maße gebraucht – um Emissionen zu senken und Länder gegen die Folgen einer wärmeren Welt zu wappnen. Laut Schätzungen einer UN-Studie von 2021 sind bis 2050 weltweit Klima-Investitionen in Höhe von 125 Billionen Dollar erforderlich, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Reiche Länder wie Deutschland verfügen über die nötigen Mittel, bewegen sich jedoch viel zu langsam. Für die meisten Länder des globalen Südens hingegen sind Investitionen in diesem Umfang eine Illusion. Viele versinken immer tiefer in einer dramatischen Schuldenkrise.
Im Dezember gab etwa das Finanzministerium Ghanas an, dass es angesichts der Wirtschaftskrise die meisten Auslandsschulden nicht mehr begleichen könne. Der Inselstaat Sri Lanka erklärte sich bereits im Juni 2022 für bankrott. Und Sambia muss 30 Prozent des Staatshaushalts für den Schuldendienst aufwenden. Auch in Deutschland kommt diese Realität an: Bei der Besetzung des Finanzministeriums vergangenen Oktober forderten Aktivistinnen und Aktivisten, dass Christian Lindner sich für einen globalen Schuldenschnitt einsetzt.
Nichts ist in dieser Lage teurer, als nicht zu handeln. Und die Klimakrise trifft vor allem die Länder, die am wenigsten zu ihrer Entstehung beigetragen haben. Der Hurrikan Maria kostete die Karibikinsel Dominica 2017 mehr als das Doppelte ihres jährlichen BIP. Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen der fatalen Fluten, die Pakistan 2022 trafen, werden auf 2,2 Prozent des jährlichen BIP geschätzt. Und jedes Jahr nehmen die Wetterextreme zu.
Zusagen, auf die nichts folgt
Bisher reichen die finanziellen Zusagen der Industrieländer bei Weitem nicht aus, und selbst die werden regelmäßig gebrochen. 100 Milliarden US-Dollar wollten die Industrieländer einkommensschwachen Ländern jährlich an Klimafinanzierung zukommen zu lassen, wozu es aber noch in keinem Jahr gekommen ist. Zusätzlich wurde auf dem Klimagipfel 2022 ein Fonds für "Loss and Damage" vereinbart, der gefährdeten Ländern beim Wiederaufbau nach Klimakatastrophen und der Bewältigung von Klimaschäden helfen soll. Die Verhandlungen, wie er gefüllt werden soll, dürften schwierig werden.
Statt ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden, treiben auch Länder wie Deutschland mit neuen Investitionen in fossiles Gas die Klimakrise im Süden der Welt voran. Bis heute liegt etwa das Vorhaben auf dem Tisch, sich an einem neuen LNG-Terminal im Senegal zu beteiligen.
Eine globale Klima-Finanzwende
Der Vorstoß zu echter Veränderung kommt aus einem Land, das mit am meisten zu kämpfen hat: Barbados. Deren Premierministerin Mia Mottley weiß aus erster Hand, wie groß die Finanzlücke ist. Auf der vergangenen Weltklimakonferenz in Ägypten forderte sie deshalb in einer bedeutsamen Rede, dass die Weltbank und andere Finanzinstitutionen mehr in Klimaschutz investieren. "Bridgetown-Initiative" heißt der Katalog an Vorschlägen zur globalen Klima-Finanzwende, benannt nach der Hauptstadt des Inselstaates. Immer mehr Regierungen, Bewegungen und Organisationen versammeln sich derzeit dahinter und bauen Druck auf, um vor allem die Entwicklungsbanken und ihre Kreditpolitik zu erneuern.
Ihr Ziel ist es, Investitionen künftig in besonders von der Klimakrise bedrohte Länder zu lenken. Durch faire Regeln für die Vergabe von Notfallkrediten nach großen Unwettern. Oder durch günstigere Investitionsbedingungen für Klimaschutzprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern. Finanziert werden sollen diese Vorhaben über finanzielle Rücklagen des IWF. Und die Einnahmen aus einer weltweiten Steuer auf fossile Brennstoffe sollen dort Abhilfe schaffen, wo die Klimakrise unwiederbringlich Zerstörung angerichtet hat.
Solange einflussreiche internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank sich nicht ändern, leidet auch die Glaubwürdigkeit der Staaten, in deren Auftrag sie handeln. Und Deutschland? Die Bundesregierung spielt hier als wichtiger Anteilseigner eine große Rolle, Deutschland ist für über fünf Prozent der historischen CO₂-Emissionen verantwortlich, die über die Jahrzehnte in die Atmosphäre gelangt sind und dort bis heute zur Erhitzung beitragen. Dagegen liegt der Beitrag des gesamten – aus 54 Ländern bestehenden – afrikanischen Kontinents bei weniger als vier Prozent. Die deutsche Regierung ist nicht nur ein großer Gläubiger, sondern auch ein noch größerer historischer Schuldner.
Dieses Jahr gibt es ernsthafte Hoffnung, dass der Finanzsektor zum Antreiber von echter Klimapolitik wird – und nicht länger Öl ins Feuer kippt. Auf der Frühjahrstagung werden die Regierungschefs in Washington über große Linien der Weltwirtschaft sprechen. Dann muss ihnen klar sein, dass es belastbare Konzepte für die Klimafinanzierung gibt – und es jetzt an ihnen liegt, sie ins Werk zu setzen. Denn die Zeit rennt. Gerade die deutsche Delegation ist gefragt, Haltung zu zeigen, das Reformprojekt voranzutreiben und andere Staaten in ihrem Ringen zu unterstützen. Es wäre das Mindeste.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen