Sonntag, 9. April 2023

Erfolgreiche Wärmewende Dänemark macht den Heiz-Hammer vor

NTV hier Von Clara Suchy 06.04.2023

Während die Ölkrise in den 1970er Jahren in Deutschland zu Spaziergängen auf leeren Autobahnen führt, nimmt Dänemark den Schock zum Anlass, das gesamte Heizungsnetz umzugestalten. Heute erntet das Land die Früchte - und zeigt, wie eine erfolgreiche Wärmewende aussieht.

Das Jahr ist 1973. Die arabischen Ölstaaten drosseln die Produktion und verhängen ein Embargo. Ganz Europa bekommt die Folgen der Ölkrise massiv zu spüren. Doch jedes Land geht anders damit um: Während Deutschland ein Sonntagsfahrverbot einführt und Autobahnen für Spaziergänger freigibt, stellt Dänemark das gesamte Heizungsnetz auf den Kopf. Eine Entscheidung, die bis heute nachwirkt. "Dänemark ist das beste Beispiel für eine erfolgreiche Wärmewende", sagt Matthias Sandrock, Energie-Berater und Mitgründer des Hamburger Instituts.

Denn 50 Jahre später werden 63 Prozent der dänischen Haushalte mit Fernwärme versorgt. Heute heizen nur noch 15 Prozent der Haushalte mit Erdgas - und nur 8 Prozent mit Öl. In Deutschland sind diese Zahlen fast genau umgekehrt - knapp 75 Prozent der deutschen Haushalte werden mit Öl oder Gas beheizt.

Wie also konnte Dänemark - ein Land, das bis in die 1970er Jahre stark vom Öl abhängig war - zu einem der Vorreiter bei der Wärmewende werden? Die kurze Antwort lautet: Kontinuität. "Egal, welche Regierung seitdem an der Macht war, es wurde immer gesagt: Wir müssen weg von fossilen Brennstoffen", sagt Sandrock. Dieses konsequente Verhalten über die letzten 50 Jahre hat Investoren, privaten Hausbesitzern und Kommunen Planungssicherheit gegeben.

Von außen betrachtet scheint es eine einfache Lösung zu sein. Aber die Umsetzung war natürlich nicht so simpel. Sie begann mit der kleinsten Einheit: den Kommunen. In Dänemark sind die Kommunen seit 1979 verpflichtet, langfristige Wärmepläne zu erstellen. "Sie mussten die beste Lösung aus sozialer und wirtschaftlicher Sicht ausarbeiten", erklärt Sandrock. Denn wie in Deutschland sind die Bedürfnisse der einzelnen Regionen unterschiedlich - Einfamilienhäuser in der Provinz können leichter auf Wärmepumpen umgestellt werden als große Mehrfamilienhäuser in Großstädten wie Berlin oder Hamburg.

Die Pläne der Kommunen wurden dann zum Großteil mit Steuern auf fossile Energien finanziert. Während die Bundesrepublik häufig mit Subventionen arbeitet, um Anreize für den Umstieg auf Wärmepumpen oder erneuerbare Heizsysteme zu schaffen, entscheidet sich Dänemark dafür, fossile Energien auf Dauer marktuntauglich zu machen. Zeitweise lag die Steuer auf jede Kilowattstunde Gas oder Öl bei bis zu drei Cent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der langfristige Durchschnittspreis für eine Kilowattstunde Gas bei sieben Cent. Das entspräche einem Steuersatz von fast 50 Prozent.

Viele Gemeinden haben sich daraufhin für Fernwärmenetze entschieden - bis hin zur kleinsten Siedlung. "Diese Fernwärmesysteme lassen sich sehr leicht auf erneuerbare Energien umstellen, weil die unterschiedlichsten Energieträger integriert werden können", sagt Sandrock. Für München würde sich dann die Geothermie anbieten - dort wird derzeit auch das größte Geothermiekraftwerk Europas gebaut. Für Hamburg wäre die Windenergie aufgrund der geografischen Lage sinnvoller.

In Deutschland wurde der kommunale Ansatz in den 80er Jahren nach der Ölkrise ebenfalls umgesetzt. Sandrock kann sich noch daran erinnern, wie er an einem kommunalen Wärmeplan für Hamburg mitgearbeitet hat. Doch dann fielen die Ölpreise wieder und der Druck, schnell von fossilen Brennstoffen wegzukommen, nahm wieder ab. Anders als Dänemark setzte die Bundesrepublik damals auf die marktwirtschaftliche Freiheit und ließ den Energieversorgern, aber auch den privaten Eigentümern selbst die Wahl, wie und was sie bauen wollten. "Das hat man in Dänemark einfach nicht gemacht", sagt Sandrock.

Stattdessen haben die Dänen reguliert. Und zwar kräftig. Heute sind die Fernwärmeversorger größtenteils nicht gewinnorientiert. Die geringen Gewinne, die sie machen dürfen, werden reinvestiert. "Fernwärmeunternehmen in Dänemark sind auch oft Genossenschaften, und die Bürger sind an ihnen beteiligt", sagt Sandrock. "Es herrscht also eine ganz andere Transparenz."

Der Faktor Zeit

Der große Unterschied zwischen der Wärmewende der beiden Länder ist der Faktor Zeit. Dänemark hat bereits enorme Fortschritte gemacht. Deutschland fängt erst an: Mit dem neuen Energiegesetz will die Ampel nun die Abkehr von fossilen Heizsystemen vorantreiben. Ab 2024 sollen neu installierte Heizungsanlagen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dänemark hat bereits 2013 fossile Heizsysteme in Neubauten verboten. Seit 2016 dürfen Gas- und Ölheizungen nicht mehr durch neue fossile Heizungsanlagen ersetzt werden.

"Da hat Deutschland ein bisschen verschlafen", sagt Sandrock. Nun muss die Bundesrepublik in viel kürzerer Zeit auf klimaneutrales Heizen umstellen. Es wird viel Geld kosten, innerhalb von 20 Jahren das umzusetzen, was Dänemark in mehr als 40 Jahren geschafft hat - auch daraus macht Sandrock keinen Hehl. Denn spätestens 2045 hat sich Deutschland verfassungsrechtlich verpflichtet, klimaneutral zu sein. "Auch im Rahmen des sogenannten 'effort-sharing' innerhalb der EU hat sich Deutschland zu verbindlichen Zielen verpflichtet. Werden diese nicht erreicht, muss Deutschland dies finanziell mit viel Steuergeld kompensieren."

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