Frankfurter Rundschau hier Klaus Staeck
Zu leugnen, dass ein Tempolimit auf Autobahnen den CO2-Ausstoß senken würde, muss man als fahrlässige Ignoranz bezeichnen. Die Kolumne.
Unvergessen Volker Wissings schlagendes Argument, warum ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen nicht durchsetzbar sei: „So viele Schilder haben wir gar nicht auf Lager.“ Der Bundesverkehrsminister konterte damit im Frühjahr jegliche Bemühungen, die Höchstgeschwindigkeit wenigstens vorübergehend zu deckeln, weil es angeblich „einen Keil in die Gesellschaft treiben“ würde.
Am
11. November in einem Interview noch einmal befragt, ob denn ein
einfacher Weg, etwas für den Klimaschutz zu tun und auch noch den
Verkehr sicherer zu machen, nicht ein Tempolimit wäre und warum er es
nicht einführen würde? Die schlichte Antwort Wissings: das Thema sei im
Koalitionsvertrag nicht vorgesehen und außerdem bereits ausdiskutiert.
Basta.
Damit ist der FDP-Minister
fast schon auf dem Niveau des Ex-Ministers Scheuer gelandet. Sie
erinnern sich: Die Vorschläge einer von ihm einberufenen
Verkehrskommission zu den positiven Folgen einer
Geschwindigkeitsreduktion verstießen „gegen jeden Menschenverstand“,
seien also schlicht bekloppt.
Volker Wissings (FDP) Feldzug gegen das Tempolimit: „Freie Fahrt für freie Bürger“
Scheuer noch im Kopf und das frische Wissing-Statement als Handlungsanweisung begreifend, machten sich dieser Tage Mitarbeiter der Autobahn GmbH des Bundes auf den Weg zur A13 von Berlin in Richtung Abzweig Cottbus und legten alle 130er-Schilder flach, die dort seit 2019 aus gutem Grund aufgestellt waren. Das Timing war gut gewählt, denn der Kanzler reiste gerade zum Welt-Klimagipfel nach Scharm el-Scheich. Dort forderte er mehr Engagement gegen die Vernichtung der Regenwälder, versprach die Finanzierung eines Büros für einen globalen Schutzschirm für Klimarisiken, versicherte deutsche Klimaneutralität bis 2045 und mehr Tempo beim Umstieg auf erneuerbare Energien.
„Mehr Tempo“ hat die Herrn Wissing unterstehende Autobahn GmbH wohl zu wörtlich genommen, um den Lenkerinnen und Lenkern PS-starker Maschinen auf dem Weg von Berlin nach Dresden eine Freude zu machen.
Kaum ein Spruch scheint der deutschen Seele so nahezukommen wie „Freie Fahrt für freie Bürger!“. Und so kann man den bewährten Kampfruf mehrfach und freudvoll in den Kommentaren der Leserinnen und Leser wiederfinden, die sie der guten Nachricht vom unbegrenzten A13-Tempo auf den Internetseiten des Senders RBB hinzugefügt haben. Der da geschrieben hat: „Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es wieder knallt und Opfer zu beklagen sind. Toll!“, der soll froh sein, dass er nicht unter seinem Klarnamen identifizierbar ist. Denn die Stimmungslage ist schnell gereizt, wenn der SUV mit 200 so einen 130er vor der Stoßstange hat.
Volker Wissing, die FDP und das Tempolimit: Fahrlässige Ignoranz beim Klimaschutz
Wenn gemäß dem geltenden Klimaschutzplan der Verkehrssektor bis 2030 die CO2-Emissionen um rund 40 Prozent gegenüber 1990 senken soll, dann ist dies nicht allein mit Tempobeschränkung zu erreichen. Die Verlagerung großer Teile der LKW-Transporte auf die Schiene wäre genauso sinnvoll. Aber einfach zu leugnen, dass eine Begrenzung der Autobahngeschwindigkeit auf 120 den CO2-Ausstoß um neun Prozent senken würde und so dem Klimaschutz dient, muss man als fahrlässige Ignoranz bezeichnen.
Klaus Staeck ist Grafiker und Kolumnist.
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