Sonntag, 20. November 2022

12 spannende Klimaschutz-Projekte, die die Welt allein nicht retten (aber Wege zeigen)

 Watson hier  19.11.2022,


Diese Bereiche tragen zum weltweiten CO2-Ausstoss bei.bild: solarbutterfly, daten von myclimate/ ipcc / university of oxford

Weltweit zeigen grössere und kleiner Projekte, wie der Kampf gegen den Klimawandel angegangen werden könnte. Wir stellen 12 davon vor.

Was tun gegen den Klimawandel? Am Weltklimagipfel COP27 versuchen die Mächtigen Lösungen zu finden. Konkrete Ergebnisse: oft schwierig.

Eine Ebene tiefer arbeiten Menschen weltweit an Projekten, die einen Ausweg aus der Krise zeigen sollen. Einige funktionieren seit Jahrzehnten, andere haben eher experimentellen Charakter.

Der Schweizer Solarpionier Louis Palmer (Projekt «Solar Butterfly») will 1000 solcher Projekte besuchen – und ihnen zu grösserer Aufmerksamkeit verhelfen. Wir haben ihn gebeten, ein paar Ansätze zu präsentieren, nachdem sein «Solar Butterfly» in diesem Jahr in 27 europäischen Ländern insgesamt über 130 Klimalösungen besucht hat.

Der Ansatz: Geothermische Energie, Italien 🇮🇹

«In Italien steht das älteste geothermische Kraftwerk der Welt, gegründet 1904, und wird stetig ausgebaut. Die Technik ist simpel und sauber. Heisses Wasser wird tief in die Erde gepumpt und kommt als Dampf wieder hoch, wo es eine Dampfturbine antreibt. Die 34 Kraftwerke in der Region Larderello in der Toskana produzieren fast so viel Strom wie ein Atomkraftwerk, und damit rund 2 Prozent des Strombedarfs von Italien. Weltweit wird die Geothermie in 20 Ländern genutzt, und alle Kraftwerke weltweit produzieren schon etwa so viel Strom wie 13 Atomkraftwerke. Das weltweite Potenzial wäre noch um ein Vielfaches höher.»

Ansatz: Solarauto Lightyear, Niederlande 🇳🇱

«Die Solarzellen auf dem Dach erzeugen an einem sonnigen Tag genug Strom für bis zu 70 Kilometer Fahrt. Je nachdem auf welchem Erdteil man wohnt, ergeben sich daraus pro Jahr 6000 bis 11'000 Kilometer Fahrt, ohne dass man je an die Steckdose müsste. Mit einer vollen Batterie schafft das Fahrzeug etwas über 600 km an einem Stück. Die Serienproduktion sollte 2022 in Finnland starten, und der Preis liegt bei 25'000 Euro. Mitbewerber haben angekündigt, in der zweiten Hälfte 2023 ebenso die ersten Solarautos zu bauen, für den Preis von 30'000 Euro.»

Ansatz: Düngen mit künstlicher Intelligenz, Schweiz 🇨🇭

«Nebst der Viehhaltung sorgen auch die Herstellung von Düngemittel, Herbiziden und Pestiziden für grosse Mengen von Treibhausgasen, insbesondere Lachgas, das rund 300-mal klimaschädlicher ist als CO₂.

Forscher in Yverdon sind der Frage nachgegangen, ob es möglich ist, Pflanzen mit weniger Mittel zu behandeln, dafür aber gezielt und selektiv jede Pflanze einzeln zu behandeln. Als Antwort kam die Präzisions-Feldspritze namens ‹ARA› heraus, die den Ertrag um 5 Prozent steigern und gleichzeitig die Menge der verwendeten Fungizide, Herbizide, Pestizide und Düngemittel um rund 80 bis 95 Prozent senken kann. Dies dank eines sechs Meter breiten Aufbaus, der auf jeden Traktor passt, und dank künstlicher Intelligenz. Die Serienproduktion hat letztes Jahr gestartet und die ersten ‹ARAs› werden 2023 bereits in Nord- und Südamerika im Einsatz sein.»

Ansatz: Ecosia, Deutschland 🇩🇪

«Das Abbrennen der Wälder macht 8,5 % der weltweiten Treibhausgase aus. Doch noch schlimmer: CO₂ kann nur von Bäumen in Sauerstoff verwandelt werden. Fehlen die Bäume, bleibt das CO₂ also länger in der Atmosphäre. Die Firma Ecosia in Berlin hat sich dem Ziel verpflichtet, Geld für das Pflanzen von Bäumen zu sammeln – via ihre Suchmaschine. Mit jeder Suchanfrage wird ein Baum gepflanzt – dafür gibt Ecosia fast die Hälfte ihrer Einnahmen aus.

Das Beste dran: Ecosia kooperiert mit der Suchmaschine Bing und generiert Einnahmen über Werbung – der Computernutzer pflanzt die Bäume also gratis, einfach so nebenbei. Auf diesem Weg sind bisher in über 35 Ländern schon mehr als 160 Millionen Bäume gepflanzt worden.»

Ansatz: Fossil Free Steel, Schweden 🇸🇪

«Stahl wird weltweit aus Eisenerz und Koks (das aus Kohle hergestellt wird) produziert und sorgt somit für beachtliche 8 Prozent der weltweiten Treibhausgase. In Schweden hat der Stahlhersteller SSAB ein neuartiges Verfahren entwickelt, bei dem der Koks durch Wasserstoff ersetzt wird.

Die Herstellung des benötigten Wasserstoffs ist sehr energieintensiv, kann in Schweden aber durch saubere Wasserkraft gewonnen werden. Volvo hat schon die ersten zwei LKWs aus «fossil free steel» von SSAB hergestellt. Es ist zu hoffen, dass dieses Beispiel weltweit Schule macht.»

Ansatz: Proteine von Insekten, Estland 🇪🇪

«Sieben Prozent der weltweiten Treibhausgase stammen aus den Mägen von Kühen, Schafen, Schweinen und Hühnern. Das ausgestossene Methan wirkt in der Atmosphäre rund 25-mal stärker als CO2. Die Frage ist, ob die für uns lebenswichtigen Proteine wirklich von Nutztieren stammen müssen oder ob es auch andere Möglichkeiten gibt, die Null Methan ausstossen.

Ja, die gibt’s, das sagt jedenfalls die Firma «Bugbox» aus Estland. Lust, eine eigene Insektenzucht aufzubauen? Dann schnell bestellen – Bugbox liefert die Insekten in einer Box und dazu auch eine passende Software. Und verspricht: Bei der Aufzucht von Insekten fällt Null Gramm Methan an.»

Ansatz: Wellenkraft, Spanien 🇪🇸

«Raffinerien und die chemische Industrie produzieren zusammen sechs Prozent der weltweiten Treibhausgase. Wenn die Welt von Erdöl wegkommt, wird das Problem mit den Raffinierien von allein gelöst.

Ein Beispiel dafür ist die Gewinnung von Energie beispielsweise mit Wellenkraft. Das erste kommerziell genutzte Wellenkraftwerk in Nordspanien besteht aus 16 Turbinen in einem Betonklotz und macht aus Wellen Energie.»

Ansatz: Oceansafe, Schweiz 🇨🇭

«Bei der chemischen Industrie schauen wir eine Lösung im Bereich der Textilindustrie an.

Der Berner Manuel Schweizer hatte vor ein paar Jahren eine Vision: Einen Textilstoff zu entwickeln, der sich im Meer von allein zersetzen kann und zu Fischfutter wird. Gesagt, getan. Seiner Firma Oceansafe ist es in einem weltweit einzigartigen Verfahren gelungen, Kleider herzustellen, die 100 % kompostierbar sind und die weltweite Textilindustrie revolutionieren könnte. Die SolarButterfly-Crew hat seine Kleidung auf der Tour getragen und ausprobiert – sie ist nicht nur robust, sondern auch sehr angenehm zum Tragen. Einbussen: keine.»

Ansatz: Sandbatterie, Finnland 🇫🇮

«Den ganzen Sommer durch wird ein Turm voller Sand mit Strom aus Solarenergie erwärmt. Der bis zu 500 Grad Celsius heisse Sand heizt dann das Haus während der kalten Jahreszeit. So einfach wie effizient! Diese erste Sandbatterie ist ein erster Prototyp für Versuche, weitere noch grössere Sandbatterien sind in Vorbereitung.»

Ansatz: Strohhaus, Laax 🇨🇭

«Für die Produktion von jährlich über vier Milliarden Tonnen Zement wird viel Energie verwendet. Deshalb ist die Zementindustrie verantwortlich für mehr als 3 Prozent der weltweiten Treibhausgase. Gibt es Häuser, die ohne Zement gebaut werden können? Die Antwort kennt jeder: das Holzhaus! Auf der SolarButterfly-Tour bleibt uns das Strohhaus von Giusep Gliott in Laax in bester Erinnerung. Das Team durfte sogar bei ihm übernachten und hat das Haus gründlich inspiziert.

Der Rahmen besteht aus Holz (was CO₂ aus der Atmosphäre bindet), und als Dämmstoff wird Stroh verwendet – die Hausmauer ist mehr als 1 Meter dick. Wenn die Sonne durch die dreifache Verglasung scheint, dann reicht dies schon, um das Haus zu heizen. Selbst im tiefsten Winter fällt die Temperatur nicht unter 20 Grad. Das Haus brauchte (ausser etwas fürs Fundament) keinen Zement und benötigt nicht einmal eine Heizung.»

Ansatz: Wasserstoff & Elektro, Schweiz 🇨🇭

«Flugzeuge sind für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich. Wobei wir reiselustigen Schweizer Weltmeister sind: In keinem anderen Land beträgt der nationale CO₂-Ausstoss durch den Luftverkehr 18 Prozent.

Eines vornweg: Solarflugzeuge sind zwar faszinierend, aber nicht die Lösung. Die Solarzellen auf den Flügeln bringen genug Strom, damit eine Person an Bord abheben kann. Für Sport- oder Freizeitpiloten sind Solar- oder Elektroflugzeuge sicher interessant, das beweist das Solarstratos auf dem Flugplatz Payerne. Für Linienjets ist das keine Option.

Fazit: Fürs Fliegen sind technische Lösungen noch weit weg. Hingegen gibt es eine ganz einfache Lösung: Statt mehrmals im Jahr kurz wegzufliegen, lieber nur einmal alle fünf Jahre, und dafür fünf Monate bleiben.»

Ansatz: Wasserstoffantrieb, Norwegen 🇳🇴

«Die weltweite Schifffahrt verursacht rund 2 Prozent der weltweiten Treibhausgase und die Tendenz ist – im Gleichschritt mit dem Welthandel – steigend. Da Batterien wegen der geringen Energiedichte höchstens für Schiffe auf Seen oder innerhalb des Hafens infrage kommen, drängt sich die Frage auf, ob die grossen Schiffe auf den Weltmeeren mit Wasserstoff angetrieben werden können.

An dieser Umsetzung arbeitet das norwegische Unternehmen Teco2030, das in Narvik nicht nur den ersten mit Wasserstoff angetriebenen Schlepper baut (der ab 2023 eingesetzt werden soll), sondern auch eine Giga-Factory für grosse Brennstoffzellen für die Anwendung in LKWs und auf Ozeanschiffen.

Bis sich Wasserstoff als Antrieb auf den Weltmeeren durchsetzt, braucht es hingegen parallel auch riesige Investitionen in erneuerbare Energien wie Solar- und Windstrom. Denn Wasserstoff ist bekanntlich nur dann grün, wenn er durch saubere Energien gewonnen wird. Die technische Lösung allein genügt hier noch nicht – auch der politische und gesellschaftliche Wille zu Investitionen muss ebenso vorhanden sein.»


Das Projekt

Der «Solar Butterfly» ist 10 Meter lang und 3 Tonnen schwer. Gezogen wird er von einem Tesla, der direkt von der Solaranlage aufgeladen wird. Täglich kann er bis zu 300 Kilometer zurücklegen.

Louis Palmer koordiniert die Reise durch Europa und ab 2023 durch die Welt von Luzern aus. Unterwegs sind immer Vierer- oder Fünferteams, die sich alle vier Wochen abwechseln. Ein Team besteht aus einem oder zwei Fahrern, einem Reiseleiter, einer Person fürs Video und jemandem für Social Media. Für die Welttour kann man sich noch melden, der erste Abschnitt durch Nordamerika ist aber praktisch ausgebucht.

Unterwegs besucht der «Solar Butterfly» Klimaschutzprojekte und informiert vor Ort über den Klimawandel.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen