Mittwoch, 30. November 2022

Wie Klimaschutz die Rente sicherer machen kann

Handelsblatt  hier  GASTKOMMENTAR vom 30.11.2022 Danyal Bayaz

Baden-Württemberg gibt seit 2021 Green Bonds aus. Der Bund sollte dem Beispiel folgen und das Kapital für die Aktienrente nachhaltig anlegen, regt Danyal Bayaz an.
Der Autor ist Finanzminister von Baden-Württemberg (Bündnis 90/Die Grünen).

Der russische Angriffskrieg und seine gravierenden Folgen verdrängen derzeit Themen, die für den Wohlstand kommender Generationen entscheidend sind. Es geht um den Klimaschutz und um die Reform unserer sozialen Sicherungssysteme - allen voran der Altersvorsorge. Beides kann mehr miteinander zu tun haben, als es auf den ersten Blick erscheint.

Dass sich die Klimakrise immer mehr zuspitzt, haben wir erst wieder diesen Sommer mit seiner langen Dürrephase erleben müssen. Extreme Wetterereignisse wie Starkregenfälle nehmen ebenfalls zu.
Die Kosten für die Folgen der Klimakrise steigen - ebenso die Kosten für die sozialen Sicherungssysteme: Laut dem Bundesrechnungshof werden die Ausgaben des Bundes von rund 121 Milliarden Euro im Jahr 2019 sukzessive auf 454 Milliarden Euro im Jahr 2060 wachsen. Durch den demografischen Wandel kommen dann auf eine Person im Rentenalter zwei Erwerbstätige. Aktuell sind es noch drei.

Baden-Württembergs Pensionsfonds orientieren sich an Nachhaltigkeit

Sowohl beim Klimaschutz als auch bei der Altersvorsorge geht es um Generationengerechtigkeit. Wenn wir jetzt nicht umsteuern, werden kommende Generationen die Folgen massiv zu spüren bekommen.

Für den Klimaschutz und die soziale Sicherung benötigen wir weiter staatliche Investitionen. Ohne sie wird es nicht gehen. Aber Pandemie, Energiekrise und die notwendigen Investitionen in die Bundeswehr engen die finanziellen Spielräume des Staates weiter ein.
Deshalb brauchen wir auch privates Kapital. Entscheidend ist dabei, dass wir diesem Kapital eine Richtung geben. Die Instrumente und Hebel dazu sind bekannt und müssen konsequent genutzt werden.

Der erste Hebel ist ein klassisches Beispiel funktionierender Ordnungspolitik, der CO2-Preis. Die spürbare Anhebung der Kosten für den Ausstoß von CO2 setzt für Unternehmen starke Anreize für Investitionen in klimaschonendere Produktionsprozesse.
Jedes vermiedene Gramm an CO2-Austoß senkt ihre Kosten. Die Aussetzung der Anhebung des CO2-Preises im Zuge des dritten Entlastungspakets war unter diesen Gesichtspunkten kein gutes Signal für eine generationengerechte Politik. 

Der zweite Hebel sind die Finanz- und der Kapitalmärkte. Hier geht das Land Baden-Württemberg voran: Seit 2021 gibt das Land Green Bonds an den Kapitalmärkten aus.
Damit werden ökologisch nachhaltige und für den Klimaschutz wichtige Projekte finanziert. Institutionelle Anleger bekommen damit auch eine sichere und attraktive Anlageoption. Außerdem legt das Land seine Pensionsfonds nachhaltig an.

Diese geübte Praxis will das Land mit einem eigenen Finanzanlagengesetz auf sämtliche Finanzanlagen im eigenen Einflussbereich erweitern. Damit werden Anlagen mit einem Volumen von 17 Milliarden Euro nach den Klimazielen von Paris, der EU-Taxonomie und den UN-Nachhaltigkeitskriterien angelegt. 

Mit Ausschlusskriterien werden Unternehmen und Staaten definiert, deren Aktien oder Anleihen nicht gekauft werden dürfen. Diese Ausschlüsse von Unternehmen reduzieren am Beispiel des Stoxx 600 das Anlageuniversum um rund ein Viertel.

Die Altersvorsorge wird mit Klimaschutz sicherer

Diesem Vorbild sollte der Bund folgen - und könnte dabei die Themen Klimaschutz und Altersvorsorge sinnvoll miteinander verbinden. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist die Erweiterung unseres Rentensystems um kapitalgedeckte Elemente vereinbart.
Dazu soll in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung ein Kapitalstock von zehn Milliarden Euro bereitgestellt werden. Christian Lindner hat ein entsprechendes Konzept für die sogenannte Aktienrente erarbeiten lassen.

Managen soll den damit aufgelegten Fonds eine unabhängige und öffentlich-rechtliche Stelle.
Um angesichts des demografischen Wandels die Kostensteigerungen in unserem Rentensystem in einem vertretbaren Rahmen zu halten, ist dieser Einstieg in eine kapitalgedeckte Säule der Altersvorsorge auch in der aktuell herausfordernden Zeit notwendig. Andernfalls drohen kommende Generationen mit horrenden Lohnnebenkosten und hohen staatlichen Ausgabezwängen belastet zu werden.

Angesichts der Klimakrise ist es wichtig, das Geld eines solchen Altersvorsorgefonds nachhaltig und im Sinne unserer Klimaziele anzulegen. Wir können uns nicht mehr leisten, staatliche Mittel blind zu investieren.
Für einen kapitalgedeckten Bürgerfonds wäre die Verbindung von Altersvorsorge und Klimaschutz ein starkes Argument der Investition. Vertrauen und Transparenz sind hier wichtig.

Am Ende geht es heute nicht „nur“ darum, von Putins Gas wegzukommen. Es geht um einen glaubwürdigen Wandel für eine klima- und generationengerechte Politik. Die Fonds der Altersvorsorge und staatliche Finanzanlagen müssen deswegen weg von fossilen hin zu nachhaltigen Investments. Mit Klimaschutz könnten wir so die Altersvorsorge sicherer machen.

Der Autor: Danyal Bayaz ist Finanzminister von Baden-Württemberg (Bündnis 90/Die Grünen).

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