Samstag, 12. November 2022

Wie der Moorschutz im Kampf gegen den Klimawandel eingesetzt werden soll

RND hier  Alisha Mendgen  10.11.2022
Neue Strategie im Kabinett verabschiedet
Entwässerte Moore setzen jährlich Millionen Tonnen CO₂ frei. Umweltministerin Lemke will sie für den natürlichen Klimaschutz nutzen und Landwirte mit Fördermitteln zur Wiedervernässung bringen. Doch selbst in der eigenen Partei gibt es Zweifel, ob das klappen kann.

In Deutschland befindet sich ein bisher quasi ungenutzter Schatz für den natürlichen Klimaschutz: die Moore. Sie können Kohlenstoff für lange Zeit speichern und wirken kühlend auf ihre unmittelbare Umgebung. 

Die Bundesregierung will dieses Potenzial nutzen und hat dafür am Mittwoch ihre Moorschutzstrategie auf den Weg gebracht.

Ziel der Strategie ist es, vertrocknete Moore zu Speichern von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid zu machen. „Trockengelegte Moore setzen große Mengen Treibhausgase frei und tragen so zur Klimakrise bei, daher müssen wir sie wiedervernässen“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Mittwoch. In den Mooren sei „genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in allen deutschen Wäldern zusammen.“

Derzeit sind mehr als 90 Prozent der Moore in Deutschland wegen land- und forstwirtschaftlicher Nutzung entwässert. Das sorgt dafür, dass sie in großem Maße Treibhausgase ausstoßen, statt schädliches CO₂ zu binden. Viele entwässerte Moore kommen in der Landwirtschaft zum Einsatz. Lemke will Landwirtinnen und Landwirte mit Förderprogrammen dazu bringen, auf nachhaltige Bewirtschaftungsformen umzusatteln.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) teilte am Mittwoch mit, die Bundesregierung schaffe für Landwirtinnen und Landwirte „Anreize für einen echten Moorbodenschutz“.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte zwar, dass mithilfe der Strategie bis 2030 fünf Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente weniger in die Atmosphäre gelangen sollen. Das sei aber viel zu wenig. „Der BUND fordert daher, das Einsparziel der Moorstrategie zügig anzuheben“, sagte Nicola Uhde, Expertin für Moorschutzpolitik bei dem Umweltverband, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Schließlich hat sich die Regierung in ihrem Klimaschutzgesetz vorgenommen, bis 2030 insgesamt 65 Prozent der Treibhausgasemissionen abzubauen.“

Grünen-Politiker Gesenhues: „Wir müssen schleunigst nachsteuern“

Der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jan-Niclas Gesenhues, warnte vor einem Verfehlen der Klimaziele. „Es ist richtig, dass beim Moorschutzprogramm freiwillige Elemente im Zentrum stehen, aber wir müssen schleunigst nachsteuern, wenn unsere Klimaziele mit Förderprogrammen allein nicht erreicht werden können“, sagte der Grünen-Politiker dem RND.

„Dann braucht die öffentliche Hand ein Vorkaufsrecht für Moorflächen. Wir müssen Flurbereinigungsverfahren – also die Zusammenlegung von Landwirtschaftsflächen – verstärkt nutzen und Vorranggebiete für den Moorschutz festlegen.“
Gesenhues mahnte die Bedeutsamkeit der Moore an. „Wir müssen den Moorschutz ins überragende öffentliche Interesse übertragen und damit gesetzlich anerkennen, dass Moorschutz zentral für den Klimaschutz ist“, ergänzte er. „Straßenbau und die Ausweitung von industrieller Landwirtschaft auf Moorgebieten darf es nicht mehr geben. Wir können 50 Millionen Tonnen CO₂ durch Moorwiedervernässung einsparen – dieses Potenzial müssen wir nutzen.“


Watson hier
Warum sind Moore so wichtig für den Klimaschutz?

Moore sind eine natürliche Kohlenstoffsenke, sie speichern also emittierten Kohlenstoff – und zwar insgesamt doppelt so viel, wie alle Wälder der Welt zusammengenommen. Laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) enthält eine 15 Zentimeter mächtige Torfschicht auf gleicher Fläche in etwa so viel Kohlenstoff, wie ein 100-jähriger Wald. Somit haben Moore eine nicht zu unterschätzende klimakühlende Wirkung.
Aber: Um die Flächen besser nutzen zu können, wurden in Deutschland rund 95 Prozent der Moore trockengelegt. Bei der Trockenlegung oxidiert nicht nur der gespeicherte Kohlenstoff und entweicht als klimaschädigendes Kohlendioxid in die Atmosphäre. Insbesondere in nährstoffreichen Niedermooren entsteht außerdem Distickstoffmonoxid, also Lachgas.Und das ist für die Erderwärmung 298 Mal schädlicher als CO2.

Sieben Prozent der Emissionen entstammen trockengelegten Mooren

Aus der ehemaligen Kohlenstoffsenke wird so ein CO2-Emittent – also ein Verursacher. Pro Hektar und Jahr werden durch trockengelegte Moore drei bis sechs Tonnen CO2-Äquivalente freigesetzt. Das entspricht dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausstoß von 2000 bis 4000 Personen
Sieben Prozent der deutschen CO2-Emissionen entstammen allein aus trockengelegten Mooren. Damit ist Deutschland der größte Emittent von Treibhausgasen aus trockengelegten Mooren in der EU. Klimaforschende sind sich daher einig: Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, müssen Moore großflächig renaturiert – also wiedervernässt – werden.

Wie können trockengelegte Moore renaturiert werden?

Idealerweise erfolgt die Wiedervernässung der Moore durch die Schaffung von Bedingungen, unter denen sich das Ökosystem von allein wieder erholen kann.

Alle Maßnahmen für die Renaturierung müssen moorspezifisch, also in Abhängigkeit von Klima, Wasserverfügbarkeit und Topographie vor Ort gewählt werden. Ziel ist es, dass die Moore in regenreichen Zeiten so viel Wasser speichern, dass sie in trockenen Zeiten auf Reserven zurückgreifen können. In den meisten Fällen spielt die Entwässerung nämlich eine Hauptrolle bei der Zerstörung von Mooren. Diese Entwässerung war allerdings nötig, um die Moore wirtschaftlich nutzen zu können.

Wie werden Moore wirtschaftlich genutzt?

Moore waren lange Zeit für Menschen nicht nutzbar, weder als Bau- oder Ackerland, noch als Weidefläche. Die Möglichkeit, Moorflächen trockenzulegen, stellte zunächst einen Gewinn für die Menschen dar. Viele Landwirte nutzen die entwässerten Gebiete als Weideland. Vor allem für den Torfabbau wurden die Moore jedoch benötigt. Früher wurde mit der lehmigen Erde geheizt, heute wird Torf vor allem für den Gemüseanbau genutzt.

38 Prozent der deutschen Moorflächen befinden sich in Niedersachsen

In Deutschland nimmt der industrielle Torfabbau zwar seit Jahren ab, gleichzeitig nimmt er im Baltikum aber zu. Vor allem beim industriellen Gemüseanbau kommt Torferde zum Einsatz und wird dafür teilweise durch ganz Europa transportiert. Der Vorteil von Torf gegenüber Kompost ist, dass er viele Nährstoffe enthält und gleichzeitig keimfrei ist. So müssen weniger Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen.

Rund 38 Prozent der deutschen Moorflächen und sogar 73 Prozent der Hochmoore befinden sich in Niedersachsen. Genauso wie 95 Prozent der Torfabbaugebiete....

Lassen sich Moore auch nass landwirtschaftlich nutzen?

Die Wiederverwässerung der Moore stellt jedoch nicht das Ende der wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Nutzung dar. Moore sollen in Zukunft auch nass genutzt werden können. Dieses Konzept der nachhaltigen Nutzung von Mooren wird auch als Paludikultur bezeichnet. Diese sieht gleich mehrere Punkte vor, wie Moorflächen auch nass genutzt werden können.

Aus der Biomasse von Gräsern und anderen Pflanzen kann mithilfe von Biogasanlagen Energie gewonnen werden.

Es gibt Tiere, die auf den feuchten Moosflächen weiden. In Mecklenburg-Vorpommern kommen beispielsweise Wasserbüffel gut auf dem feuchten Terrain zurecht.

Bestimmte Bäume, zum Beispiel Schwarzerlen, wachsen gut auf den feuchten Moorböden. Auch Forstwirtschaft ist also möglich.

Schilf und Rohrkolben, die in moorigen Gebieten wachsen, können für Reetdächer oder als Dämmmaterial verwendet werden.


Moore und Klimaschutz  hier  Norbert Lehmann, agrarheute  09.11.2022

Die Moorschutzstrategie des Bundes und was sie für Landwirte bedeutet

Das Bundeskabinett hat heute (9.11.) die von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vorgelegte Nationale Moorschutzstrategie beschlossen. Landwirte in den betroffenen Regionen sollen die Bewirtschaftung von entwässerten Flächen dem Klimaschutz anpassen.

Im Zentrum der Strategie stehen Ziele und Maßnahmen, um entwässerte Moorböden wieder zu vernässen. Dazu sollen den Landwirten als Nutzer der Flächen finanzielle Anreize geboten werden, damit sie die Bewirtschaftung den Zielen des Moorschutzes anpassen.

„Trockengelegte Moore setzen große Mengen Treibhausgase frei und tragen so zur Klimakrise bei, daher müssen wir sie wiedervernässen“, sagte Umweltministerin Steffi Lemke nach dem Kabinettsbeschluss.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) stimmte der Moorschutzstrategie im Kabinett zu. Özdemir erklärte, „beim Moorbodenschutz heißt es, alle an Bord zu holen: Für die Höfe muss es sich lohnen, klimafreundlich zu arbeiten.“ Viele Landwirte wirtschafteten seit Generationen auf Moorstandorten. Nach dem Motto ‚Schützen und Nutzen‘ würden für sie nun Anreize für einen echten Moorbodenschutz geschaffen. „Wir unterstützen die Betriebe dabei, klima- und artenvielfaltsfreundliche Bewirtschaftungsformen einzuführen“, sagte Özdemir.

Wiedervernässte Moorböden sollen das Klima schützen

Die Nationale Moorschutzstrategie ist Teil des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz. Nach Angaben des Umweltministeriums stammen in Deutschland gegenwärtig 7,5 Prozent der Treibhausgasemissionen oder etwa 53 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente aus der Zersetzung von Moorböden infolge von Entwässerungsmaßnahmen und Torfnutzung.

Das Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Bewirtschaftung von 1 Million Hektar kohlenstoffreicher, entwässerter Moorböden für rund ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft verantwortlich ist. Durch Maßnahmen zur Wiedervernässung sollen die Emissionen aus Moorböden bis zum Jahr 2030 um mindestens 5 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent reduziert werden.

Paludikultur als mögliche Nutzungsform

Eine mögliche Nutzung von Moorflächen stellt nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums die Paludikultur dar, also die Kultivierung und Verwertung von Pflanzen, die an hohe Wasserstände angepasst sind.

Auf Hochmoorböden kämen Torfmoose als Torfersatzstoff oder Sonnentau und Fieberklee für medizinische Zwecke in Frage, auf Niedermoorböden Schilf, Rohrkolben und Rohrglanzgras für Dämm- und Baustoffe, Biokohle oder die Energiegewinnung, erläutert das Ressort. Aber auch die Nutzung weiterer Pflanzen und die Herstellung innovativer Produkte sei denkbar. Ideen dafür hat das Ministerium mit einem Förderaufruf „Moorbodenschutz über die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen aus der Paludikultur“ eingeworben.

Insgesamt wird das Agrarministerium über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) bundesweit Modell- und Demonstrationsvorhaben mit über 100 Millionen Euro bis 2032 fördern.

Lemke: Intakte Moore beugen Dürren vor

Lemke erläuterte, intakte Moore und Moorböden würden dabei helfen, die Klimaschutzziele zu erreichen und außerdem einen einzigartigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere bieten. „Sie halten Wasser in der Landschaft und beugen so Dürren vor“, sagte die Umweltministerin. Trockengelegte Moore setzten große Mengen Treibhausgase frei und trügen so zur Klimakrise bei; daher müssten sie wiedervernässt werden.

Die Nationale Moorschutzstrategie knüpft an die gemeinsam vom Bund und den Ländern im Herbst 2021 beschlossene Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz an und bildet die dortigen Ziele und Maßnahmen für die Bereiche der Land- und Forstwirtschaft ab.

Bauernverband: Freiwilligkeit muss Maßstab sein

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, unterstrich anlässlich des Kabinettsbeschlusses, Landwirte seien bereit, die Klimawirkung entwässerter Moorböden zu reduzieren, wenn die Betriebe eine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit behielten.
Die kulturhistorische – und früher staatlich geförderte – Leistung der Urbarmachung der Moore zur Lebensmittelerzeugung dürfe nicht gegen die Menschen in den Moorregionen gekehrt werden.

Krüsken forderte die Bundesregierung auf, dass in der Moorschutzstrategie festgehaltene Prinzip der Freiwilligkeit zum Maßstab aller Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie zu machen. Es wäre nicht akzeptabel, wenn landwirtschaftliche Betriebe durch Auflagen auf Raten aus der Nutzung von Moorböden gedrängt werden. Nach Angaben des Bauernverbandes wird die geplante Wiedervernässung nicht nur einzelne landwirtschaftliche Flächen betreffen, sondern ganze Betriebe, Dörfer und ländliche Regionen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen