Mittwoch, 9. November 2022

#Faktenfuchs: Doch, Dienstwagenbesteuerung ist Subvention

Aus verschiedenen Gesprächen habe ich herausgehört, dass das Dienstwagenprivileg vor allem eines verhindert: das Einsparen von Kraftstoff. Mir wurde immer wieder gesagt: "Weshalb soll ich langsamer fahren und Sprit sparen - zahlt doch mein Arbeitgeber!"

BR 24  hier  Julia Ley

Die umstrittene Ein-Prozent-Regel für Dienstwagennutzer sei keine Steuervergünstigung, sagt Bundesfinanzminister Lindner, sondern "nur eine Steuervereinfachung". Experten sagen: Es war nicht als Subvention geplant, wirke aber so. Ein #Faktenfuchs.

Darum geht’s:

  • Wer einen Dienstwagen auf Kosten der Firma auch privat nutzen darf, muss den "geldwerten Vorteil", der dadurch entsteht, versteuern: Dieser kann pauschal mit einem Prozent des Bruttolistenpreises angegeben werden.
  • Kritiker sehen darin eine ungerechtfertigte Subvention für Dienstwagennutzer; Verteidiger argumentieren, es sei nur eine Steuervereinfachung.
  • Rein rechtlich gesehen ist die Regel tatsächlich als Vereinfachung gedacht – in der Praxis hat sie aber in vielen Fällen subventionsartige Auswirkungen.

Die Reform der "Dienstwagenbesteuerung" sorgt seit längerem für Streit in der Ampel-Koalition. Kritiker wie die Grünen sprechen von einem "Dienstwagenprivileg", einer ungerechten Subvention für Dienstwagennutzer, die sie gerne abschaffen würden. Etwa, um mit den zusätzlichen Steuereinnahmen, den Nachfolger des 9-Euro-Tickets zu finanzieren. 

Befürworter des Systems, darunter Vertreter der FDP, sprechen stattdessen lieber neutral von der "Dienstwagenbesteuerung" und argumentieren, es handle sich hierbei nicht um eine Steuersubvention, sondern vor allem um eine Steuervereinfachung.

So auch Bundesfinanzminister Christian Lindner. Er sagte im ARD-Sommerinterview am 21. August 2022:

"Die Pauschalversteuerung, ein Prozent für einen privat genutzten Geschäftswagen, ist von Gerichten und von wissenschaftlichen Studien in den letzten Jahren immer wieder untersucht worden. Es ist eine Steuervereinfachung, aber es ist keine Steuersubvention." Bundesfinanzminister Christian Lindner

Doch stimmt das?

Eine Steuervereinfachung und eine Subvention

Nein. Das sehen zumindest fast alle Experten und Expertinnen so, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat. Sie alle sagen, die Ein-Prozent-Regel – auch "Listenpreismethode" genannt - nach der Arbeitnehmer den "geldwerten Vorteil", der ihnen durch die private Nutzung des Dienstwagens entsteht, in der Einkommenssteuererklärung pauschal mit einem Prozent des Bruttolistenpreises ansetzen können – sei durchaus eine Steuervereinfachung. Aber eben auch eine Subvention.

Die vom #Faktenfuchs befragten Experten argumentieren: Die Pauschalregelung ist eine Subvention. Und zwar vor allem für den Arbeitnehmer, der den Dienstwagen fährt. Der muss so nämlich in vielen Fällen deutlich weniger versteuern, als wenn er die tatsächlich durch den Dienstwagen anfallenden Kosten als Lohn ausgezahlt bekäme. Auch wenn er dasselbe Auto privat anschaffen und versteuern würde, hätte er in vielen Fällen deutlich höhere Kosten.

Die Ein-Prozent-Regelung

Um zu verstehen, warum das so ist, muss man zunächst einmal erklären, wie die sogenannte Ein-Prozent-Regelung funktioniert. Nehmen wir ein einfaches Rechenbeispiel: Eine Arbeitnehmerin bekommt von ihrem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt. Sie darf den Dienstwagen neben den dienstlichen auch für private Fahrten benutzen – etwa, um darin mit der Familie in den Urlaub zu fahren, zum Tennis oder zum Elternabend des Sohnes.

Der Fiskus betrachtet diese private Nutzung des Dienstwagens als einen "geldwerten Vorteil". Damit soll verhindert werden, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern höhere Gehälter in Form materieller Vorteile auszahlen, ohne dass diese sie versteuern müssten. Wie hoch der geldwerte Vorteil ist, hängt davon ab, wie oft die Arbeitnehmerin damit fährt und welche Kosten sie selbst tragen muss.

In der Praxis ist es häufig so, dass der Arbeitgeber alle Kosten trägt, wie mehrere Experten dem #Faktenfuchs bestätigen – von Reparaturen über die Versicherung bis hin zu den Spritkosten, die oft über eine Tankkarte abgerechnet werden. Auch bei privaten Fahrten.

Die Arbeitnehmerin zahlt dann nur einmal – nämlich bei der Steuer. Sie muss den "geldwerten Vorteil", den sie durch die Privatnutzung des PKW erhalten hat, irgendwie berechnen. Entweder, indem sie ein "Fahrtenbuch" führt und alle privaten Fahrten genau dokumentiert. Oder, wenn sie das nicht tun will – was wegen des großen Aufwands meistens der Fall ist –, indem sie auf die Ein-Prozent-Regelung zurückgreift.

"Man berechnet bei dieser Pauschalmethode auf den Bruttolistenpreis des Fahrzeugs im Monat ein Prozent", erklärt Daniele Karbe-Geßler, Leiterin Steuerrecht und Steuerpolitik beim Bund der Steuerzahler. Der Bruttolistenpreis ist die unverbindliche Preisempfehlung der Hersteller. Er lässt sich zum Beispiel im ADAC Autokatalog nachschlagen – und liegt häufig deutlich über dem tatsächlichen Preis, der für einen Neuwagen gezahlt wird, weil viele Autohändler Rabatte anbieten.

Bei einem Bruttolistenpreis von 40.000 Euro sind ein Prozent 400 Euro. Diese 400 Euro werden dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet und müssen mit dem individuellen Einkommensteuersatz ganz normal versteuert werden.

Karbe-Geßler ist die einzige Expertin, die der #Faktenfuchs gesprochen hat, die darin keine Subvention sieht. Die Listenpreisregelung sei vielmehr "eine Vereinfachungsregelung", um die steuerliche Ermessungsgrundlage zu berechnen. Keine Subvention, sondern "einfach nur Technik".

Die Regelung war als Vereinfachung gedacht, hat sich dann aber anders entwickelt

Dass die Ein-Prozent-Regelung für Steuerzahler und Finanzämter eine Vereinfachung ist, bestreitet auch ansonsten kaum jemand. Denn eben das sei die Intention gewesen, als man die Regelung eingeführt habe, sagt Michael Thöne, Geschäftsführender Direktor des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Universität zu Köln (FiFo Köln), das seit Jahren Steuersubventionen für die Regierung evaluiert und an einer Studie zur Dienstwagenbesteuerung mitgeforscht hat, die im Oktober 2022 veröffentlicht wurde.

Rein steuerrechtlich gelte die Ein-Prozent-Regelung daher nicht als Subvention, so Thöne. Denn Privathaushalte zu subventionieren, sei nicht die Absicht gewesen, als die Regelung 1996 eingeführt wurde. Aus demselben Grund stehe sie auch nicht im Subventionsbericht, den die Bundesregierung alle zwei Jahre über Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes vorlegt. Insofern hätten auch jene irgendwie Recht, die sagen: Nein, das ist nur eine Steuervereinfachung. "Denn so war es gemeint."

Allerdings: Über die Jahre habe sich die Praxis so entwickelt, dass die Ein-Prozent-Regelung inzwischen in sehr vielen Fällen den Charakter einer Subvention habe – also eines finanziellen staatlichen Zuschusses, der "nicht an eine direkte Gegenleistung gebunden" ist.

Eine Subvention auf drei Ebenen?

Die Frage – die nicht leicht zu beantworten ist – ist nun also: Für wen genau und warum ist die Ein-Prozent-Regelung eine Subvention? Hierauf geben Experten dem #Faktenfuchs unterschiedliche Antworten. Genannt werden drei Ebenen:

1. Worin sich fast alle einig sind: Durch die Ein-Prozent-Regelung werden viele – nicht alle! – Arbeitnehmer subventioniert, die dadurch weniger Einkommen versteuern müssen, als wenn sie sich den Gegenwert der erhaltenen Sachleistungen als Gehalt auszahlen lassen würden.

Was Kritikern daran besonders aufstößt: Es sind vor allem Gutverdiener, die Dienstwagen gestellt bekommen. Zudem ist der Anteil der männlichen Führungskräfte, die einen Dienstwagen gestellt bekommen, mit 50 Prozent deutlich höher als der der weiblichen Führungskräfte (27 Prozent). Die Steuervergünstigen kommen also nur bestimmte Bevölkerungsgruppen zugute. Und: Es sind vor allem jene, die viel fahren und die Neuwagen fahren, die besonders von der Regelung profitieren.

2. Einige Experten sind zudem der Meinung, dass die Ein-Prozent-Regelung auch die Arbeitgeber subventioniert, die alle Kosten für das Auto von der Steuer absetzen können.

3. Und: Die Regelung kann auch als eine Subvention für deutsche Autofirmen betrachtet werden. Denn sehr wahrscheinlich würden einige Automobilhersteller sehr viel weniger Neuwagen – und vor allem günstigere und sparsamere Autos – verkaufen, wenn es nicht die Dienstwagen-Verträge mit den Firmenkunden gäbe.

Am wichtigsten – und umstrittensten in der politischen Debatte – ist dabei die erste Ebene: die Tatsache, dass viele Arbeitnehmer durch die Dienstwagenbesteuerung einen Steuervorteil haben. Deshalb wird dieser #Faktenfuchs insbesondere darauf eingehen. Siehe dazu den Original-Artikel

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