Freitag, 25. November 2022

COP27 war enttäuschend, aber dieses Jahr ist das okay so!

 NTV  hier  Von Clara Pfeffer und Christian Herrmann  24.11.2022

Biden, Lula und die neidische EU

Die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Ägypten sind ernüchternd. Rückschritte konnte verhindert werden, ein Scheitern - mehr nicht. Tatsächlich ist in Scharm el Scheich ein Wandel zu beobachten, der in seiner Ambition selbst die sonst so grüne EU zu überraschen scheint.


Die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Ägypten sind ernüchternd. "Wir konnten Rückschritte hinter den Konsens von Glasgow und Paris verhindern", hat Außenministerin Annalena Baerbock die COP27 zusammengefasst. "In Scharm el Scheich wurde ein Scheitern verhindert", erklärte Ottmar Edenhofer, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Denn tatsächlich gab es nur einen echten Fortschritt: Nach jahrelangen Diskussionen haben die reichen Staaten ihren Widerstand aufgegeben und einem gemeinsamen Geldtopf zugestimmt, aus dem Klimaschäden in ärmeren Ländern bezahlt werden sollen.

Regenwald-Allianz und ein gigantisches Klimapaket

Dennoch konnte man bei der COP27 einen Wandel erkennen, der allerdings nicht in Ägypten, sondern anderswo auf der Welt angeschoben wurden: Vor wenigen Wochen haben die brasilianischen Wählerinnen und Wähler Präsident Jair Bolsonaro den Laufpass gegeben. Noch versucht er zwar, sich vor Gericht mit "böswilligen und unverantwortlichen" Taschenspielertricks im Amt zu halten. In Scharm el Scheich war jedoch schon der neue, grüne brasilianische Wind zu spüren: Bolsonaros gewählter Nachfolger Lula da Silva war zu Besuch und wurde bei seiner Ankunft wie ein Messias empfangen - unter anderem, weil er eine neue Regenwald-Allianz mit Indonesien und der Demokratischen Republik Kongo im Gepäck hatte.

Auch US-Präsident Joe Biden legte auf dem Weg zum G20-Gipfel in Indonesien einen Zwischenstopp in Ägypten ein. Wenige Tage, nachdem überraschend viele US-Wähler bei den Zwischenwahlen für die Demokraten und speziell die jungen Amerikaner auch für Klimaschutz gestimmt hatten. Wenige Monate, nachdem Biden und seine demokratische Partei ein gigantisches Klimaschutzpaket verabschiedet hatten. Wenige Jahre, nachdem Ex-Präsident Donald Trump das Pariser Klimaabkommen noch im Namen der USA aufgekündigt hatte.

"Total faszinierend"

Fortschritte, die vom bisherigen Klima-Anführer Europa offenbar nicht erwartet wurden: Gemeinschaftlich beschweren sich EU-Kommission, die französische und auch die Bundesregierung seit einigen Wochen über unfaire Wettbewerbsvorteile für amerikanische Unternehmen und eine Übersubventionierung. Denn die US-Regierung lockt mit Steuererleichterungen im Wert von 400 bis 800 Milliarden Dollar. Verglichen damit wirkt selbst das ambitionierte Osterpaket von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck winzig. Neidisch blickt deshalb auch die deutsche Industrie in die USA und drängt öffentlich bereits auf eine europäische Version des amerikanischen Klima-Wumms.

Obwohl angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine auch in Deutschland nach Jahren des Nichtstuns erstaunliche Dinge passiert sind, die lange als unmöglich galten: Es gibt ein Osterpaket mit ambitionierten Ausbauzielen für erneuerbare Energien. Busse und Bahnen werden plötzlich mit Milliarden gefördert. Der Gas- und auch der Stromverbrauch sinken deutlich.

"Total faszinierend" sei das, sagt auch Lisa Göldner von Greenpeace im "Klima-Labor". "Ich hätte nicht erwartet, dass das so schnell gehen kann. Daran sieht man: Es kann funktionieren, wenn der Wille groß genug ist."

Windpark mit 43 Gigawatt


Fortschritt und Wandel beschränken sich bei Weitem nicht nur auf Europa und Nordamerika. China hat vor wenigen Wochen den Bau eines gigantischen Offshore-Windparks angekündigt, dessen installierte Leistung von 43 Gigawatt theoretisch ganz Norwegen mit Strom versorgen könnte. Vietnam bereitet mit finanzieller Unterstützung aus Großbritannien und der EU seinen milliardenschweren Ausstieg aus der Kohleverstromung vor - genauso Indonesien und Südafrika.

Bei der COP27 ist der große Wurf ausgeblieben. Aber ausnahmsweise ist das okay so, denn noch nie konnte man so deutlich wie dieses Jahr erkennen: Auch die allerletzten scheinen den Pfad des Klimaschutzes eingeschlagen zu haben. Und wer die verschnupften Stimmen aus Europa hört, kann darauf hoffen, dass aus dem grünen Marsch bald ein Wettrennen wird.
 


Neueste Nachrichten:
Kanada: Zwar "nur" Klimaanpassung, aber immerhin   hier

Kanada will 1,2 Milliarden Euro in Klimaanpassung investieren

Kanadas Regierung hat am Donnerstag einen Plan vorgestellt, demzufolge umgerechnet etwa 1,2 Milliarden Euro in die Anpassung an den Klimawandel investiert werden sollen.

Die sogenannte Klimaanpassungsstrategie wird demnach Programme finanzieren, um das Land und seine Einwohner vor den Auswirkungen von Hitzewellen, dem steigenden Meeresspiegel sowie tauenden Permafrostböden zu schützen. "Der Klimawandel trifft alle Gemeinden in ganz Kanada", sagte der Minister für öffentliche Sicherheit, Bill Blair.

Seine Regierung geht davon aus, dass die jährlichen Kosten für Naturkatastrophen in Kanada bis zum Jahr 2030 auf 11,1 Milliarden Euro steigen werden. In den vergangenen Jahren sei "nicht nur in Kanada, sondern auf der ganzen Welt ein Ansteigen in der Häufigkeit und Heftigkeit klimabedingter Vorkommnisse" zu verzeichnen gewesen, sagte Blair.

Greenpeace: "grosser Schritt vorwärts"

Greenpeace lobte die Anpassungsstrategie als "grossen Schritt vorwärts". Zu den Zielen gehört auch, Kanadiern das Risiko von Naturkatastrophen zu verdeutlichen. Zudem sollen 15 neue urbane Nationalparks gegründet, 30 Prozent der Land- und Wasserflächen für den Erhalt der Biodiversität unter Schutz gestellt und Todesfälle durch extreme Hitze vermieden werden.

Regierungsangaben zufolge könnten die Anpassungsmassnahmen ein 15-faches der ausgegebenen Investitionen einsparen.


Und AustralienHier von | 23. November, 2022

Australien ist der Klimakoalition HAC beigetreten und verpflichtet sich damit, fast ein Drittel seines Gebietes zu schützen.

Australien hat sich dazu entschieden, der High Ambition Coalition (HAC) beizutreten. Die Zusammenkunft aus verschiedenen Staaten hat es sich zur Aufgabe gemacht, bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent der eigenen Land- und Wassermasse zu schützen. Konkret bedeutet das für den pazifischen Inselstaat, er muss seine bisherigen Schutzgebiete um 500.000 km² erweitern – eine Fläche von der Größe Spaniens. Damit will Australien dem Artensterben auf seinem Gebiet Einhalt gebieten.   

Konkrete Pläne

Konkret soll es bei dem Plan darum gehen, 20 Gebiete und 110 Spezies zu erhalten. Darunter sind Wälder in Queensland, aber auch der Kakadu Nationalpark und die Känguru-Insel. Sie repräsentieren laut Regierungsvertretern die breite Masse australischer Landschaften und Ökosysteme. Die ausgewählten Tierarten seien einzigartig und vom Aussterben bedroht. “Indem wir uns auf diese Spezies und Orte konzentrieren, haben wir die größte Chance auf Erfolg”, so Tanya Plibersek, Ministerin für Umwelt und Wasser in Australien.

Nicht ambitioniert genug?

Nicht jedem gehen diese Pläne jedoch weit genug. Rachel Lowry vom WWF etwa bemängelt:

    “Australien hat mehr als 1.900 eingetragene bedrohte Tierarten. Dieser Plan pickt sich 110 Gewinner heraus. Es ist unklar, wie das unseren anderen ‘nicht priorisierten’ bedrohten Spezies helfen soll, etwa unserem bedrohten Riesengleitbeutler.”

    Rachel Lowry

Auch über den Pazifikstaat hinaus gibt es Kritik. Im Jahr 2020 gaben verschiedene Wissenschaftler der Gruppe Global Safety Net zu bedenken, dass erst ca. 15 Prozent der Landmasse der Erde unter Schutz stünden. Um Regionen von besonderer Bedeutung für die Biodiversität und Ökosysteme zu bewahren, müssten diese Zahl aber noch um gut 35 Prozent wachsen – auf die Hälfte der gesamten Welt. 

Über 100 Mitglieder

Auch muss sich das Bündnis den Vorwurf gefallen lassen, dass es nur als lose Zusammenkunft definiert ist und daher zwar eine klare Mission hat, aber keinerlei Sanktionsmechanismen vorgesehen sind, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Elizabeth Maruma Mrema, die ausführende Sekretärin des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt, mahnt daher: “Es ist eine Sache, sich zu etwas zu verpflichten, aber eine ganz andere, auch zu liefern. Wenn wir uns aber verpflichtet haben, müssen wir auch liefern.”

In welchem Punkt die HAC auf jedem Fall geliefert hat, ist in Bezug auf ihre Mitglieder: der Klimakoalition haben sich mittlerweile über 100 Länder angeschlossen und sich damit dem 30-Prozent-Ziel verschrieben. Darunter sind auch größere CO2-Produzenten wie die USA. Eine deutliche Steigerung beispielsweise zum Jahr 2010, in dem weltweit nur 13 Prozent der Landmasse sowie kaum Ozean-Anteile unter Schutz standen. Durch das internationale Bündnis bleibt die Hoffnung also bestehen, dass wir unsere Arten- und Landschaftsvielfalt langfristig erhalten können.

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