Auf dieses Ergebnis haben viele mit Spannung gewartet. Die Deutsche Bahn hat im Auftrag des Interessenverbands Bodenseegürtelbahn die Vorplanung mit Kostenschätzungen für die Zugstrecke zwischen Friedrichshafen und Radolfzell bearbeitet und dazu jetzt aktualisierte Zahlen vorgestellt.

Auch wenn schon länger klar war, dass die Kostenschätzungen von rund 350 Millionen Euro, die aus dem Jahr 2019 stammen, für Planung und Bau der Vorzugsvariante deutlich nach oben korrigiert werden müssen, war Wolfgang Heine, Geschäftsführer des Interessensverbands, eigenen Angaben von der neuen Zahlen dennoch „sehr überrascht“.

Wie sieht die aktuelle Kostenschätzung aus?

Die Kosten für die verschiedenen Varianten liegen nach aktueller Schätzung der DB Netz zwischen 270 Millionen Euro – für die einfachste Referenzvariante – und 590 Millionen Euro für die Vorzugsvariante. „Wer einen Taschenrechner bedienen kann, konnte sich einfach ausrechnen, dass bei der Vorzugsvariante eine Drei vorne nicht zu halten sein wird. Dass aber auch keine Vier mehr vorne steht, kam für alle Beteiligten doch überraschend“, sagt Wolfgang Heine auf Anfrage. Man spreche jetzt von mehr als einer halben Milliarde Euro für diese Ausbauvariante.

Welche Variante wünscht man sich in der Region?

Untersucht worden waren in der Vorplanung zwei Referenz- und eine Vorzugsvariante. Die Referenzvarianten sehen jeweils eine stündliche Verbindung mit einem IRE (Interregio-Express) und einer RB (Regionalbahn) vor. Eine Referenzvariante ist ergänzt durch eine stündliche RB-Verdichtung zur Hauptverkehrszeit zwischen Markdorf und Friedrichshafen. Die Vorzugsvariante beinhaltet eine Erweiterung dieses Konzepts. Neben dem stündlichen IRE sollen die Regionalbahnen im Halbstundentakt verkehren. Die Mitglieder des Interessenverbandes gehen laut Pressetext davon aus, „dass nur mit der Vorzugsvariante langfristig ein deutlich verbessertes und zuverlässigeres Fahrplanangebot auf der Bodenseegürtelbahn realisiert werden kann“.

Wie kommt es zu den erheblichen Mehrkosten?

Die Mehrkosten werden mit zusätzlich erforderlichen Leistungen, die sich während der Vorplanung ergeben haben, begründet. Dazu werden etwa der Ausbau des Brandbühltunnels bei Radolfzell und weitere zweigleisige Abschnitte gerechnet. Hinzu kommen die derzeitigen Marktpreisentwicklungen. Die Vorzugsvariante ist das umfangreichste Ausbaupaket, bei der etwa 20 Kilometer der Strecke zweigleisig ausgebaut werden wollen. Hinzu kommen Kreuzungsstellen, der Ausbau der Stationen für längere Züge und ein barrierefreies Reisen. Auch neue Haltepunkte kommen hinzu.

Wie fallen die Reaktionen auf die neuen Zahlen aus?

Die beiden Landräte Zeno Danner (Konstanz) und Lothar Wölfle (Bodenseekreis) betonen, dass über die Gesamtfinanzierung des Projektes eine Einigung mit dem Land noch ausstehe: „Bereits mit dem alten Kostenüberschlag und einem Eigenanteil der Region von rund 70 Millionen Euro für die Vorzugsvariante bewegen wir uns auf einem Investitionsniveau, das die Leistungsfähigkeit von zwei Landkreisen deutlich übersteigt“, heißt es in der Mitteilung des Interessenverbands. Das gelte erst recht für die aktuelle Kostenschätzung mit einem voraussichtlich deutlich steigenden Eigenanteil. Ein Steuerkreis mit Vertretern von Interessenverband und Landesverkehrsministerium wird dazu am 22. Dezember tagen.

Auch Gerd Hickmann, Leiter der Abteilung Öffentlicher Verkehr im Verkehrsministerium, bewertet die Kostensteigerungen für das Projekt als „große Herausforderung“. Allerdings erlebe man dies angesichts der Baupreissteigerungen im Moment an vielen Stellen. Aus Sicht des Landes soll das ambitionierte Projekt dennoch weiterverfolgt werden. Man müsse sich nun gemeinsam auf die Suche nach machbaren Finanzierungswegen machen.“ Auch Verkehrsminister Winfried Hermann erklärte, das Land unterstütze den Ausbau der Bodenseegürtelbahn.

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?

Um das Projekt weiter voranzubringen, stehen laut Interessenverband nun der Variantenentscheid sowie die Einigung auf einen Finanzierungsvertrag für die Entwurfs- und Genehmigungsplanung zwischen Land, DB Netze und Interessenverband an. „Zwar ist nicht immer alles geflutscht, insgesamt liegen wir aber gut im Zeitplan, wenn die Strecke bis Ende des Jahrzehnts elektrifiziert sein soll“, sagt Heine. Der deutlich größere Brocken sei die Finanzierung. Dass der Ausbau kommen muss, da seien sich alle einig, jetzt gelte es gemeinsam Lösungen zu finden.