Freitag, 11. November 2022

„Blackoutmelder“ der AfD: Netzbetreiber widersprechen angeblichen Stromausfällen

 Hintergrund  hier von Correctiv von Viktor Marinov  09. November 2022

Auf einer eigens dafür gebauten Webseite sammelt die AfD Meldungen zu angeblichen Blackouts in Deutschland. Die Nutzer-Einreichungen überprüft die AfD jedoch nicht. Wir haben bei einigen Netzbetreibern nachgefragt. Unsere Stichprobe von fünf Fällen zeigt: In vier davon gab es gar keinen Stromausfall.

Die AfD hat eine Webseite ins Leben gerufen, auf der Nutzerinnen und Nutzer einen sogenannten Blackout melden können. Auf einer Deutschlandkarte finden sich aktuell Dutzende rote Punkte, jeder davon soll einen Stromausfall zeigen. Nur: In vielen gemeldeten Fällen gab es offenbar keinen Ausfall, die Angaben sind falsch. Das bestätigten uns Netzbetreiber aus vier verschiedenen Städten, die wir stichprobenartig zu gemeldeten Ausfällen befragt haben. 

Örtliche kurze Stromausfälle sind zudem kein „Blackout“, dieser Begriff bezeichnet einen langanhaltenden, großflächigen Stromausfall.

Die AfD schrieb uns auf Anfrage: „Wir erheben keinen Anspruch auf Richtigkeit der von den Nutzern gemachten Angaben.“ Um diesen Hinweis ergänzte die Partei auch die interaktive Karte – allerdings erst nachträglich.

Stichprobe mit fünf Meldungen auf AfD-Seite zeigt: Vier davon sind falsch

Die erste Erwähnung des „Blackoutmelders“ fanden wir online in einer Mitteilung des Mitgliedermagazins „AfD Kompakt“. Am 25. Oktober kündigte die Partei dort die neue Webseite an: „AfD startet Blackout-Melder“. Wenige Tage danach machten Nutzerinnen und Nutzer auf Twitter auf ein grundlegendes Problem des Angebots aufmerksam. „Auf der Karte kann jede/r ungeprüft einen [Blackout, Anm. d. Red.] eintragen“, schrieb ein Nutzer am 2. November. Tatsächlich enthält eine archivierte Version der Karte vom 28. Oktober eine Funktion, um selbst Fälle einzufügen. Kurze Zeit später entfernte die AfD diese Funktion der Webseite.

Wir wollten wissen, ob hinter den angeblichen Stromausfällen tatsächliche Fälle stecken. Wir haben in einer Stichprobe fünf Meldungen von der Karte herausgesucht und die Netzbetreiber der vier betroffenen Städte Düsseldorf, Berlin (zwei Meldungen), Dresden und Zwickau angefragt, ob es einen Stromausfall an den genannten Adressen gab – seit der ersten Blackoutmelder-Erwähnung der AfD am 25. Oktober bis zum Zeitpunkt der Anfrage, 3. November. 

Das Ergebnis: Vier der fünf Meldungen waren falsch, dort gab es gar keine Stromausfälle. In einem Fall gab es einen Stromausfall von zwei Stunden.

Netzbetreiber in Berlin: Einen Stromausfall von zwei Stunden als Blackout zu bezeichnen, sei „übertrieben alarmistisch“

Dieser zweistündige Stromausfall fand in Berlin statt. Im Blackoutmelder der AfD war die Kreuzung Friedrichstraße / Unter den Linden angegeben. Olaf Weidner, Sprecher der Stromnetz Berlin GmbH, schrieb uns per E-Mail: „In der Tat war in einem kleinen Teil des Berliner Bezirkes „Mitte“ am 31. Oktober 2022 für kurze Zeit der Strom weg. Da könnte die Kreuzung Friedrichstraße/Unter den Linden dazu gehört haben.“ Betroffen waren insgesamt 470 Haushalte und 240 Gewerbekunden.

In solchen Fällen von Blackouts zu sprechen, sei „übertrieben alarmistisch und in Teilen verantwortungslos“, schrieb uns Weidner. Einen Blackout habe es in Berlin zum Glück seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gegeben. 

Ein Blackout ist ein großflächiger, langer Stromausfall

Ein Blackout ist kein bloßer Stromausfall. Laut dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geht ein Blackout weit über Orts- und Kreisgrenzen hinaus und dauert mehr als 24 Stunden an. Das erklärte uns Wolfram Geier, Leiter der Abteilung Risikomanagement, kürzlich für einen ausführlichen Text zum Thema. Auch die Bundesnetzagentur erklärte uns, Merkmale eines solchen Ausfalls seien, dass er lange dauert und großflächig sei.

Wie unsere Recherche im August 2022 zeigte, wird das Katastrophenszenario politisch instrumentalisiert, um Stimmung gegen erneuerbare Energien und den Staat zu machen. Damit lässt sich außerdem auch Geld verdienen: Auf Telegram verbreiten sich etwa Verkaufslinks mit Produkten, die angeblich zur Vorbereitung auf einen Blackout dienen. Viele dieser Produkte werden vom Kopp-Verlag verkauft, der auch Verschwörungserzählungen, Querdenkern und fremdenfeindlicher Hetze eine Plattform bietet

Die Bundesregierung hält einen Blackout laut einem Erklärtext zum Thema (Stand 20. Oktober 2022) für „sehr unwahrscheinlich“. Sich darauf vorzubereiten, ist trotzdem sinnvoll. Panik durch Dutzende ungeprüfte Meldungen zu verbreiten, ist es nicht.....

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