Montag, 7. November 2022

Weltklimakonferenz: Das ist irre

T-online Tagesanbruch  hier  von Johannes Bebermeier  07.11.2022

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

seien wir ehrlich, es klingt nach einem absurden Spektakel: Damit die Menschen endlich aufhören, die Erde zu zerstören, reisen dieser Tage 30.000 von ihnen aus aller Welt nach Ägypten. Viele mit dem Flugzeug, na klar, ist ja auch weit.

Damit es in Scharm el-Scheich nicht so holpert, wurden neue Straßen gebaut, fünfspurig in jede Richtung. Nicht so gut fürs Klima, umso besser für die klimatisierten Limousinen der Staats- und Regierungschefs. Ist ja so etwas Ähnliches.

Wenn die Mächtigen dann auf der Weltklimakonferenz COP27 angekommen sind, setzen sie sich Klimaziele, von denen sie ahnen, dass sie sie nicht erreichen werden. Und die selbst dann nicht genügen würden, wenn sie es aus Versehen doch schafften.

So zumindest war es bisher immer. Schon im Pariser Klimaabkommen 2015 haben sich die Staaten verpflichtet, die Erderhitzung auf maximal 2 Grad zu begrenzen. Doch selbst wenn alle Länder ihre aktuellen Klimapläne einhalten, heizt sich die Welt bis 2100 um 2,4 bis 2,6 Grad auf. Klingt irre, ist es auch.

Es spricht kaum etwas dafür, dass sich daran in Scharm el-Scheich viel ändert. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat vielerorts eine Energiekrise ausgelöst, die eine Wirtschaftskrise ausgelöst hat.
In diesem Misthaufen der Krisen ist die Klimakrise nur eine von vielen und für viele nicht die größte. Es scheint ihr ewiges Schicksal zu sein.

Dabei müssen wir in der Klimakrise dringend handeln. Die vergangenen acht Jahre waren offenbar die wärmsten auf diesem Planeten. Europa erhitzt sich schneller als der Rest der Welt. Das illustrieren auch in Deutschland die brennenden Wälder und ausgetrockneten Flüsse. Und das sind nicht mal die einzigen Schreckensnachrichten der vergangenen Wochen. (Lesen Sie hier über weitere, falls Ihre Laune heute Morgen stabil ist.)

Ob sich die Welt in Ägypten überhaupt auf eine Abschlusserklärung einigen kann, bezweifeln manche. Es sei schwer vorzustellen, sagte ein skeptischer Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Wochenende, dass Staaten wie Russland oder China bei der Klimakonferenz eine "konstruktive Rolle" spielen.

Deutschland will sich konstruktiver geben. Traditionell sieht sich die Bundesregierung auf diesen Konferenzen als Vorbild. Deutschland allein kann das Klima nicht retten, aber es kann zeigen, dass die Energiewende klappen und sich sogar lohnen kann. Auch für andere Staaten. So die deutsche Klimatheorie.

Nur sieht die deutsche Klimapraxis gerade ganz anders aus. Was die Überzeugungskraft dämpfen dürfte. Deutschland droht seine Klimaziele für 2030 deutlich zu verfehlen, urteilte der Expertenrat für Klimafragen erst am Freitag. Um ihr "Klimaschutzsofortprogramm" überhaupt noch rechtzeitig zur Weltklimakonferenz fertig zu bekommen, brachte die Ampelregierung es kürzlich ohne den völlig unambitionierten Verkehrssektor auf den Weg. Der zuständige Minister Volker Wissing soll seine Ambitionen bis nächstes Jahr nachliefern. Ein "Sofortprogramm" ist es nach einem knappen Jahr eh nicht mehr.

Auch in den Bundesländern läuft es mies. Als sich Bund und Länder kürzlich trafen, um darüber zu reden, wie weit der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangekommen ist, war das Fazit ernüchternd: Die meisten Länder weisen immer noch viel zu wenige Flächen für Windräder aus. Und wenn sie es tun, dauert es im bundesweiten Schnitt mehr als zwei Jahre, bis ein Windrad genehmigt ist. Was beides "bei Weitem nicht ausreicht", um die Ziele zu erreichen, wie es im Bericht heißt.

Genügend Gründe also für Klimaminister Robert Habeck, zu verzweifeln. Eigentlich. Doch wer Leuten in seinem Ministerium zuhört, der vernimmt trotz allem Hoffnung. Dass Deutschland erst mal mehr Kohle verbrennen und Flüssiggas einkaufen muss, gefällt dort zwar niemandem. Aber die Energiekrise mache jedem deutlich, dass man wegmüsse von den fossilen Energien. Selbst im chronisch zaudernden Bayern sei das angekommen.

Vielleicht geschehen also doch noch Zeichen und Wunder? Wenn selbst Bayern umdenkt, warum dann nicht auch der Rest der Welt?

Hoffnung lohnt sich. Denn bei all dem absurden Spektakel und all den verfehlten Zielen gilt am Ende: Jedes Zehntelgrad Erderhitzung weniger hat einen Effekt. Und zu verzagen, bringt nicht mal ein Hundertstelgrad.

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