Schwäbische Zeitung hier 09.11.2022, Ulrich Mendelin
Warum Ex-Richter und CDU-Abgeordneter Axel Müller gegen Präventivhaft für Klima-Aktivisten ist
Klima-Aktivisten, die sich auf Straßen festkleben und damit den Verkehr behindern, sollen härter bestraft werden können. Das fordert die Union und bringt dafür an diesem Donnerstag einen Antrag in den Bundestag ein. Von einer möglichen Präventivhaft, die Wiederholungstäter von weiteren Taten abhalten soll, ist die Union aber wieder abgerückt. Warum, erklärt der Ravensburger CDU-Abgeordnete und ehemalige Richter Axel Müller im Interview.
Herr Müller, haben Sie der Unionsfraktion die Forderung nach einer präventiven Untersuchungshaft für Wiederholungstäter unter den Klima-Demonstranten ausgeredet?
Wir haben uns jedenfalls intensiv ausgetauscht in der Fraktion, und auch schon vorher in der Arbeitsgruppe Recht. Die Frage war, ob die rechtlichen Grundlagen für eine solche Forderung ausreichend fundiert sind.
Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Die Untersuchungshaft dient der Sicherung des Strafverfahrens. Also dazu, dass eine Straftat verfolgt, ein Täter abgeurteilt werden kann. Die Präventivhaft ist ein spezieller Unterfall der Untersuchungshaft. Hier wird aus einer Straftat gefolgert, dass der Beschuldigte weitere ähnliche Straftaten begehen könnte.
Das Bundesverfassungsgericht hat hier aber Grenzen gesetzt. Zunächst einmal muss die Präventivhaft dem Schutz der Allgemeinheit vor schweren Straftaten dienen. Und überwiegende Gründe des Gemeinwohls müssen eine solche Maßnahme zwingend gebieten.
Die Strafprozessordnung nennt Straftaten, für die dies infrage kommt: Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gefährliche schwere Körperverletzung oder auch intensive Vermögensdelikte. Eine Nötigung oder auch eine gemeinschädliche Sachbeschädigung reicht für eine Präventivhaft meiner Einschätzung nach nicht aus.
Und dieser Einschätzung ist die Fraktion gefolgt?
Mehrheitlich ja. Da war eine sehr offene und sachlich geführte Diskussion. Der Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz, der ja zu Beginn seiner Berufslaufbahn auch einmal als Ermittlungsrichter gearbeitet hat, äußerte ähnliche Bedenken und sagte, er stelle sich hinter meine Position.
Das Meinungsbild war zunächst nicht eindeutig, aber bei der Abstimmung hat es gereicht. Der Punkt zur Präventivhaft wurde also aus dem Leitantrag gestrichen, alle anderen Punkte einstimmig angenommen.
Sie tragen also die Forderungen der Union nach Strafverschärfungen mit. Warum reichen die bestehenden Gesetze nicht aus?
Bei Strafgesetzen geht es immer um zwei Elemente. Um die Spezialprävention, die den Verurteilten auf den rechten Weg zurückbringen soll. Und um die Generalprävention – also die Abschreckung von Nachahmungs- oder Wiederholungstätern.
Was die letztere angeht, kann man mit schärferen Gesetzen einen gewissen Effekt erzielen. Ich persönlich hätte sie als Strafrichter aber nicht gebraucht. Ich war ja nicht bekannt dafür, dass ich mich innerhalb des bestehenden Strafrahmens im untersten Bereich bewegt hätte.
Wenn man den Strafrahmen verschärft, trifft man damit in Zukunft vielleicht auch andere Gruppen – zum Beispiel Bauern, die als Demonstranten mit dem Traktor eine Straße vor dem Kanzleramt blockieren. Haben Sie das bedacht?
Ein Traktor lässt sich wegfahren oder abschleppen. Aber jemand, der sich mit Sekundenkleber auf die Straße festgeklebt hat, mit dem nackten Hintern, den kann man schlecht wegziehen, ohne ihn zu verletzen. Insofern ist das schon etwas anderes als eine grundrechtlich geschützte Demonstration im Rahmen des Versammlungsrechts.
Es ist ja gesellschaftlicher Konsens, dass wir das Klima schützen müssen. Aber darf man sich, weil es einer guten Sache dient, über bestehende Gesetze hinwegsetzen? Darf ich die Basilika in Weingarten hinaufklettern, dort Transparente festmachen und dabei das Kirchendach beschädigen? Das kann es doch nicht sein.
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