Sonntag, 13. November 2022

Baden-Württembergische Landesregierung wegen Verstoß gegen eigenes Klimaschutzgesetz verurteilt

Pressemitteilung  hier  Freitag, 11.11.2022

Klimaklage der Deutschen Umwelthilfe erfolgreich

• Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gibt DUH Recht: Landesregierung hätte bereits 2020 ein geeignetes Energie- und Klimaschutzkonzept vorlegen müssen

• Richter bestätigen zudem Klagebefugnis des Umweltverbands auf Aufstellung von Klimaschutzprogrammen

• Deutsche Umwelthilfe fordert vom Grünen Ministerpräsidenten Kretschmann effektive Sofortmaßnahmen, um die Klimaschutzvorgaben des Landes einzuhalten


Mannheim, 11.11.2022: Erfolg für die Klimaklage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die grün-schwarze Regierung von Baden-Württemberg: Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat heute geurteilt, dass die Landesregierung seit 2020 gegen ihr eigenes Klimaschutzgesetz verstößt, indem sie sich weigert, ein sogenanntes „Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept“ vorzulegen. 

Das Konzept muss geeignete Strategien und Maßnahmen enthalten, mit denen die gesamten Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg bis 2030 um mehr als 65 Prozent (verglichen mit 1990) und bis 2040 auf Netto-Null gesenkt werden. Mit seinem Urteil bestätigt das Gericht zudem, dass die DUH als qualifizierter Umweltverband in derartigen Fällen klagebefugt ist.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: „Das heutige Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die vom Grünen Ministerpräsidenten Kretschmann angeführte Landesregierung Baden-Württembergs.
Es ist ein hochgefährlicher Trend, dass festgeschriebene Klima-Verpflichtungen und sogar eigene Gesetze von den Regierungen dreist ignoriert werden. Auf Bundesebene weigert sich FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, dem Bundesklimaschutzgesetz nachzukommen und ein ausreichendes Klimaschutzsofortprogramm für den Verkehrssektor vorzulegen. Dass auch unter einem grünen Ministerpräsidenten der Klimaschutz in Baden-Württemberg scheinbar nicht ernst genommen wird, ist ein Offenbarungseid grüner Klimapolitik
. Durch das heutige Urteil erhalten auch unsere Klimaklagen in Niedersachsen und Bayern Rückenwind.“


Die Treibhausgasemissionen Baden-Württembergs stagnieren seit Jahren auf einem hohen Niveau. Zwischen 2009 und 2019 kam es zu keiner signifikanten Einsparung, erst 2020 gab es einen leichten Rückgang der Emissionen, der jedoch hauptsächlich auf die Effekte der Corona-Pandemie zurückzuführen war. Die DUH fordert nach dem jetzigen Urteil von der Landesregierung, dass sie umgehend Sofortmaßnahmen ergreift, mit denen effektiv Treibhausgase eingespart werden. Dies sind zum Beispiel:

  • Die Erhaltung des Kopfbahnhofs in Stuttgart auch nach Fertigstellung von S21 um eine Gewährleistung der von der Bundesregierung geforderten Verdopplung des Personenschienenverkehrs bis 2030 sicherzustellen und eine jahrelange Unterbrechung aller Bahnverkehre von Stuttgart in den Süden (Singen, Zürich, Mailand, Rom) zu verhindern.
  • Ein auf mindestens drei Jahre angelegter landesweiter Modellversuch zur Einführung eines Tempolimits auf allen Autobahnabschnitten (nach dem Modell des Bundeslandes Bremen) sowie für Bundes- und sonstigen Außerortsstraßen mit Tempolimit von 100 bzw. 80 Km/h.
  • Eine verbindliche CO2-Obergrenze von 95g CO2/km im realen Fahrbetrieb für alle von der Landesregierung bzw. der von ihr mehrheitlich bestimmten Behörden und Firmen gekauften oder geleasten Pkw ab 1.7.2023.
  • Die Einführung von Anwohner-Parkgebühren von durchschnittlich 360 Euro pro Jahr.

Hintergrund:

Während in Ägypten die 27. Weltklimakonferenz tagt, werden die verbindlichen Klimaschutzverpflichtungen in Deutschland konsequent missachtet und müssen vor Gericht erzwungen werden. Die DUH hat deshalb Rechtsverfahren gegen Bundes-, Landesregierungen und klimaschädliche Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen eingeleitet:

  • Grundrechtsverfahren sorgen dafür, die sogenannte Ziellücke zu schließen. Sie zielen darauf, dass bestehende schwache Klimaschutzgesetze nachgeschärft werden müssen, um die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen und die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu zählen die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, die zum historischen Klima-Beschluss geführt haben, ebenso die kürzlich eingereichte Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
  • Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sorgen wie heute dafür, die sogenannte Maßnahmenlücke zu schließen. Sie zielen darauf, die Regierungen dazu zu zwingen, sich an die Klimaschutzgesetze zu halten und genügend wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Neben dem Verfahren in Baden-Württemberg sind ähnliche Klagen gegen Niedersachsen und Bayern anhängig, ebenso Verfahren der DUH gegen die Bundesregierung in den Sektoren Verkehr, Gebäude, Energiewirtschaft und Landwirtschaft vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.
  • Verfahren vor Zivilgerichten gegen große Konzerne, die für mehr Klimagasausstoß verantwortlich sind als viele Staaten der Erde, sorgen dafür, dass auch diese ihren ausreichenden Beitrag leisten müssen. Hier klagen die Bundesgeschäftsführenden der DUH aktuell gegen die Unternehmen Mercedes, BMW und Wintershall Dea.


RND  hier
Gegen Baden-Württenberg

Erfolgreiche Klimaklage der Deutschen Umwelthilfe

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist mit einer Klimaklage gegen das Land Baden-Württemberg erfolgreich gewesen: Der Verwaltungsgerichtshof monierte in einer am Freitag veröffentlichten Entscheidung einen Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz. Der VGH verurteilte das Land dazu, das im Gesetz vorgesehene integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept zu beschließen. Die konkreten Auswirkungen der Entscheidung sind zunächst jedoch unklar.

Neues Klima-Maßnahmen-Register in Baden-Württemberg

Denn mit einem neuen Klima-Maßnahmen-Register will Baden-Württemberg ohnehin mehr Tempo beim Klimaschutz machen. Das Register soll öffentlich einsehbar sein und das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) ersetzen, das bisher alle fünf Jahre fortgeschrieben wurde.

Das Umweltministerium kündigte an, den VGH-Richterspruch zu prüfen, dessen Urteilsgründe zunächst nicht vorlagen. Das Land habe mit dem Klima-Maßnahmen-Register bereits ein sehr viel weitreichenderes Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht. Darin seien konkrete Maßnahmen für die Reduktion von Treibhausgasen hinterlegt. Ein Sachverständigenrat werde zudem die Vorschläge jährlich prüfen und bewerten. Das Register sei in der dritten Novelle des Klimaschutzgesetzes verankert, das sich derzeit in der Anhörung befinde und noch in diesem Jahr ins parlamentarische Verfahren gehen solle.

„Das IEKK hat sich überholt“, so eine Ministeriumssprecherin. Bis zum Jahr 2040 will Baden-Württemberg netto-klimaneutral sein; bis 2030 sollen die Treibhausgase um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. „Dafür ist Dynamik, Messbarkeit und Verbindlichkeit auf der Umsetzungsebene nötig. Diesen hohen Ansprüchen wurde das IEKK mit seinem fünfjährigen Fortschreibungsturnus nicht mehr gerecht.“

Das IEKK wurde laut VGH aber weder im Jahr 2020 noch danach beschlossen. Es gebe lediglich ein 2014 nach damaligen Vorschriften beschlossenes IEKK. Der Umweltverband hatte das Land im September 2021 deshalb aufgefordert, ein den Klimaschutzzielen genügendes IEKK zu beschließen und kurz darauf Klage erhoben.

Aus Sicht von DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch ist das Urteil eine „schallende Ohrfeige“ für die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) angeführte Landesregierung. Er forderte effektive Sofortmaßnahmen, um Klimaschutzvorgaben einzuhalten. „Es ist ein hochgefährlicher Trend, dass festgeschriebene Klimaverpflichtungen und sogar eigene Gesetze von den Regierungen dreist ignoriert werden“, so Resch.

Eine Revision gegen das VGH-Urteil wurde nicht zugelassen; das Land kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben (Az. 10 S 3542/21).


RND/dpa


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen