Mittwoch, 8. Juni 2022

Habeck als Friedensbringer im Nahen Osten?

06.06.2022  |  VON CHRISTIAN GRIMM POLITIK@SUEDKURIER.DE  hier

Das heilige Land hat blutige Monate gesehen. Die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern wütet so schlimm wie seit Jahren nicht mehr. Weil die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, kann das die Bundesregierung nicht kalt lassen. Doch wie kann Deutschland dazu beitragen, den Hass zu lindern? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will auf einem mehrtägigen Staatsbesuch vorsichtig versuchen, Argwohn abzubauen. „Wenn das gelingt, wäre das wunderbar“, sagt Habeck zum Auftakt seiner Reise. Das Schicksal im Nahen Osten ist nicht mehr nur eine Frage der Religion, sondern des Klimawandels. Er macht sich hier viel stärker bemerkbar als in Mitteleuropa. Trockenheit und Dürren plagen die Menschen noch stärker als früher.

Gemeinsame Solarfelder

Wenn Israelis, Palästinenser, Jordanier, Libanesen und andere gemeinsam den Kampf aufnehmen, so die Idee, könnten sie die Feindschaft hinter sich lassen. Wenn sie zum Beispiel Windparks vor den Küsten errichten oder Solarfelder bauen und mit dem grünen Strom Anlagen zur Meerwasserentsalzung betreiben. Wasser ist knapp. Gibt es zu wenig, droht noch mehr Streit. Gibt es mehr zu verteilen, könnte das entspannen. Die Bundesrepublik hat Geld und Technik. Ein Minister der Grünen kann das glaubhaft verkaufen. „Das Engagement von Deutschland ist gewollt und gewünscht“, erklärt Habeck. Gerade hat er eine Stunde mit dem israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett gesprochen.

Bennett hat sich Zeit für den Gast genommen, obwohl seine Viel-Parteien-Koalition im Parlament um das Überleben kämpft. Eine wichtige Abstimmung steht an. Die israelischen Zeitungen spekulieren, ob es zum Bruch der Koalition käme, wenn die Abstimmung für sie daneben geht. Habeck trifft dennoch eine ganze Reihe israelischer Minister. Die Regierung misst den Beziehungen zu Deutschland hohe Bedeutung bei. Und weil der Vize-Premier in Israel ein formales Amt ist, klingt Vize-Kanzler besser.

Bevor er zu seiner Reise aufgebrochen ist, war mit ihr die Erwartung verknüpft, dass der Minister einen neuen Gas-Vertrag mitbringt. So wie er es zuvor mit den Scheichs aus Katar verhandelt hat. Doch Habeck will nur am Rande über Gas aus Israel sprechen. Die Israelis beuten zwar Gasfelder im Mittelmeer aus, könnten aber frühestens ab 2028 Flüssiggas liefern. Doch dann soll hierzulande eigentlich schon weniger Gas verbrannt werden als heute. „Eine Infrastruktur, die in sieben oder neun Jahren fertig ist, ist dann eigentlich schon überflüssig, sagt der Grünen-Politiker.

Auch das zweite Thema, dass Deutschland gerade am meisten interessiert, wenn es um Israel geht, spielt keine Rolle im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten. Habeck spricht nicht über einen Raketenschild, der die Bundesrepublik vor Putins Angriffen schützen könnte. „Wir haben keine militärischen Fragen diskutiert“, berichtet der 52-Jährige. In die Verteidigungspolitik will er sich nicht einmischen. Das ist Sache des Kanzlers und seiner Verteidigungsministerin.

Habeck macht sich keine Illusionen. Der seit Jahrzehnten von Tod, Terror und Besatzung verhärmte Landstrich an der Ostküste des Mittelmeers hat schon viele Friedensbringer kommen und gehen sehen. Habeck wird in den nächsten Tagen mit den Palästinensern reden und mit den Jordaniern. Jordanien hat mehrere Millionen Palästinenser und Hunderttausende syrische Flüchtlinge aufgenommen. Wegen des Krieges in der Ukraine und der ausbleibenden Weizen-Importe droht den Armen der Hunger. Menschen ohne Perspektive sind leichte Beute für die Islamisten, die mit Lebensmitteln ihre Vision vom rechten Glauben mitbringen. Der Kreislauf aus Hass und Gewalt könnte erneut an Kraft gewinnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen