Montag, 13. Juni 2022

„Steuerhinterziehung im großen Stil“: Experte warnt vor ökologischer Mehrwertsteuerreform

Es ist vollkommen richtig, solche Schritte wie eine Steuersenkung vorher ausgiebig zu beleuchten. Zu oft hat man hinterher schon festgestellt, dass die Maßnahmen kontraproduktiv wirken, weil wichtige Details nicht ausreichend bedacht wurden.

In diesem Fall frage ich mich aber schon, wie man die Mehrwertsteuersenkung aufgrund des EU-Rechtes in Frage stellen kann, wenn gleichzeitig die Aussage vorliegt,  dass tierische Produkte bereits mit ermäßigter Steuer verkauft werden? ("ermäßigte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte eine umweltschädliche Subvention, weil damit umweltschädliche Produkte begünstigt werden"). 
Warum wird hier in 2 verschiedenen Maßstäben gemessen?

Möglicherweise ist das ein Thema das nicht nur bei uns, sondern in der EU geordnet gehört.


Handelsblatt  hier Dietmar Neuerer   11.06.2022

VORSCHLÄGE DES UMWELTBUNDESAMTS

Die Steuergewerkschaft bezweifelt den Nutzen einer ökologischen Mehrwertsteuerreform. Sie hält den Vorstoß des Umweltbundesamts europarechtlich für problematisch.

Der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, sieht den Vorschlag des Umweltbundesamts (UBA) kritisch, die Mehrwertsteuer künftig stärker an ökologischen Kriterien auszurichten.

„Ich halte das schon vom EU-Recht her für sehr problematisch“, sagte Eigenthaler dem Handelsblatt. Die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie lasse zwar beim Steuersatz eng begrenzte Ausnahmen zu, aber nicht in einem solchen Ausmaß. „Der europäische Binnenmarkt lebt von einem möglichst großen Gleichlauf der Besteuerung und kann steuerliche Subventionen in dieser Größenordnung aus Wettbewerbsgründen nicht gebrauchen.“

Die Behörde will mehr Klimaschutz über eine Reform der Mehrwertsteuer erreichen. Zum Beispiel sollen Solaranlagen, aber auch Obst und Gemüse nicht mehr besteuert werden, Fleisch dagegen höher. Was umweltfreundlich sei, sollte günstiger werden, was umweltschädlich sei, dürfe der Staat nicht länger mit zu niedrigen Steuern subventionieren, so das UBA.

Eigenthaler sagte dazu, in der Praxis sei eine Abgrenzung von schädlich und unschädlich kaum möglich. „Ein solcher Vorschlag macht das Tor für Steuerbürokratie weit auf und lädt zudem zur Steuerhinterziehung im großen Stil ein.“

Laut Umweltbundesamt hat das „Entlastungspaket Klima und Umwelt“ die stark gestiegenen Lebensmittelpreise und Mobilitätskosten im Blick. Demnach könnten bei einer Reduzierung der Mehrwertsteuer für den öffentlichen Personenverkehr oder pflanzliche Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse auf null Prozentpunkte die privaten Haushalte sechs Milliarden Euro im Jahr sparen.

„Hände weg von diffusen Subventionen im Steuerrecht

Auch auf Solaranlagen sollte die Abgabe entfallen. Zudem müsse die Verbesserung von Heizungen oder sollten Reparaturen von Schuhen bis zu Fahrrädern nur noch mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent statt der aktuellen 19 Prozent belegt werden.

Hintergrund des Vorschlages sind auch aktuelle Änderungen im Europarecht, die die Vorschläge rechtlich absicherten. Die Mehrwertsteuer in Deutschland sei ein Wildwuchs an Einzelregelungen, die zudem ökologische Belange nicht berücksichtigen, erklärte die Behörde.

„Zum Beispiel ist die ermäßigte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte eine umweltschädliche Subvention, weil damit umweltschädliche Produkte begünstigt werden“, sagte UBA-Chef Dirk Messner. Zudem kämen die Entlastungen von Grundnahrungsmitteln gerade Ärmeren zugute.

Im Gegenzug sollten – aber erst zu einem späteren Zeitpunkt – die Subventionen für umweltschädliche Produkte schrittweise entfallen. So sollte die ermäßigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent für Fleisch künftig durch reguläre 19 Prozent ersetzt werden.

Pflanzliche Produkte hätten gegenüber tierischen nur einen Bruchteil des Klima-Fußabdrucks: So werden für ein Kilo Rindfleisch sieben bis 28 Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen, für ein Kilo Gemüse weniger als ein Kilogramm.

Eigenthaler verwies indes auf aktuelle Beispiele, die zeigten, dass Steuersenkungen keine positiven Auswirkungen auf die Preise und damit auch keine „steuernde“ Wirkung hätten. Sowohl der aktuelle Tankrabatt wie auch die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie hätten nicht zu messbaren Preissenkungen, in der Gastronomie sogar zu Preiserhöhungen geführt.

Der Steuerexperte rät daher: „Hände weg von diffusen Subventionen im Steuerrecht. Diese landen am Ende in den Taschen der Falschen.“

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