NTV hier Von Hubertus Volmer
09.06.2022
und Lindner weiß das
Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine wird die Debatte
nicht mehr nur jährlich im Winter, sondern fast monatlich geführt.
Die
jüngste startete mit einem Zitat von Bundesfinanzminister Christian
Lindner in der "Bild"-Zeitung. Ein Überblick.
Kurze Ausschnitte aus dem Artikel
Woher kommt das Uran für die deutschen Atomkraftwerke?
Das
ist ein Punkt beim Thema Kernkraft, auf den Lindner bei Maischberger
aufmerksam machte, der aber meist unter den Tisch fällt: Etwa 40 Prozent
der europäischen Uranimporte stammen aus Russland und dem mit ihm
verbündeten Kasachstan, weitere 20 Prozent kommen aus dem afrikanischen
Niger. Die deutsche Abhängigkeit von russischem Uran ist wohl noch
größer: "In den letzten Betriebsjahren unserer Kraftwerke haben wir das
für die Brennelemente benötigte Uran aus Kasachstan und Russland sowie
in geringen Mengen aus Kanada bezogen", sagte eine PreussenElektra-Sprecherin im März.
Kann Kernkraft trotzdem eine Lösung sein?
Kurzfristig
sicher nicht. "Man müsste heute aufhören, die Atomkraftwerke zu nutzen,
damit wir im nächsten Winter ein paar Kilowattstunden zusätzlich
haben", sagt Mycle Schneider, Herausgeber des "World Nuclear Industry
Status Report" (WNISR), im Interview mit ntv.de. "Mehr ist nicht
möglich, weil der Kernbrennstoff fehlt."
Gibt es eine Renaissance der Atomkraft?
Das wird immer wieder behauptet, aber so ist es nicht. Meist handelt es sich um Ankündigungen,
die nicht oder mit großer Verzögerung realisiert werden. "Was wir
aktuell noch haben, ist im Grunde genommen eine Situation der
Technologie-Geriatrie", sagt Schneider.
"Es wird viel Geld in Laufzeitverlängerungen gesteckt, aber das ist
nicht nachhaltig. Im Grunde genommen zögert man das Ende dieser
Technologie nur hinaus."
Kommentar in RND hier Steven Geyer 09.06.2022, Lindners Atomdebatte: Strahlkraft ohne Zukunft
Wegen
der hohen Energiepreise findet Christian Lindner, Deutschland müsse
ergebnisoffen über längere Atomlaufzeiten debattieren. Freilich weiß der
FDP-Chef, dass der Zug längst abgefahren ist. Doch auch sein Kalkül,
die eigene Anhängerschaft zu begeistern, dürfte bald auslaufen,
kommentiert RND-Hauptstadtkorrespondent Steven Geyer.
Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch
war. Das hat Bertolt Brecht gesagt, und das gilt im Zweifel auch für
den Ankläger, in diesem Fall also für Christian Lindner: Der FDP-Chef klagt „Deutschland“ an, sich einer Debatte zu verschließen, „die überall auf der Welt geführt wird“.
Zwar zählen zu diesem „Deutschland“, das das Ende dieser Debatte
beschlossen hat, alle Parteien außer der AfD. Aber erst Anfang des
Jahres, als zum Wohle des Klimas über längere Atomlaufzeiten debattiert
wurde, hatte Lindner noch selbst vor Wettbewerbsverzerrung gegenüber den
nachhaltigen Energien gewarnt. Zudem finde sich jenseits von
Staatsprojekten kein Investor und kein Versicherer mehr für die
unwirtschaftlichen Atomkraftwerke mit dem Endlagerproblem, was ihn als
Marktwirtschaftler zum Atomskeptiker mache.
Atomdebatte: Eine Planänderung würde teuer
Wenn
man aber seine Meinung, siehe oben, ändern darf, mag ein Krieg, der die
Energiepreise in neue Höhen und Deutschland von russischen Importen weg
treibt, kein schlechter Anlass sein. Leider stammt auch der Brennstoff
für die europäischen AKW zu 40 Prozent aus Russland und Kasachstan. Und
selbst das ist bald vorbei: weil der endgültige Ausstieg in Deutschland
lange für Ende dieses Jahres geplant ist, sind alle Verträge gekündigt.
Eine Planänderung würde teuer.
Ohnehin
muss sehr vergesslich sein, wer die Angst vor russischen Angriffen auf
ukrainische AKW schon wieder vergessen hat oder Putin keine fiesen
Überraschungen zutraut.
Freilich weiß der
FDP-Chef das alles und bedient sich lediglich medialer Reflexe zur
Profilierung bei seiner derzeit verstimmten Anhängerschaft. Nur: Wie oft
kann man sich den Applaus der angeblich so unideologischen
Wirtschaftsfreunde abholen, bis auch diese das Unseriöse daran erkennen?
Lange
vor Brechts Satz pflegten die Dakota eine Weisheit, die besser zu
Lindners Vorstoß passt: Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd
reitest – steig ab.
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