Einigung im Streit um „Fit for 55“-Klimapaket
Allianz aus Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten findet Kompromisse rund um das europäische Klimapaket. Zuteilung kostenloser Zertifikate soll ab 2027 gekürzt werden und bis Ende 2032 auslaufen. Das gleiche beim Grenzausgleichsmechanismus (CBAM): Einführung 2027, gilt ab 2033. Außerdem: Zehn EU-Mitgliedsländer fordern in offenem Brief mehr Ambitionen im Kampf gegen die Klimakrise.
Eine Woche nach dem Scheitern des „Fit for 55“-Pakets im Plenum des EU Parlaments (EU-News 09.06.2022) haben die Europäische Volkspartei (EVP), die Sozialdemokraten (S&D) und Renew Europe einen Kompromiss ausgearbeitet. Am Dienstagabend haben sich die Abgeordneten in den bisherigen Streitpunkten über Emissionshandel, CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) und Klima-sozialfonds einigen können.
Der neue Vorschlag sieht unter anderem vor, dass die jährliche Zuteilung kostenloser CO2-Emissionszertifikate
im Jahr 2027 um sieben Prozent und schrittweise bis 2031 um 75 Prozent
gekürzt wird. Ende 2032 sollen keine kostenlosen Zertifikate mehr
verteilt werden.
Die Allianz aus EVP, S&D und Renew Europe einigte
sich darauf, weiterhin kostenlose Zertifikate für EU-Industrieexporte in
Länder zu unterstützen, welche keine ähnlich strenge Klimapolitik wie
die EU verfolgen. Kompromisse gibt es auch im Umgang mit dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus - eine Art „Klimaschutz-Zoll” (taz). CBAM soll zwischen 2027 und 2032 eingeführt werden. Sektoren, die bereits im ETS sind, werden bis 2030 auch in den CO2-Grenzausgleich aufgenommen.
Michael Bloss, Schattenberichterstatter der Grünen, wertet die Einigung als überwiegend positiv. Der Klimaschutz könne vorerst aufatmen, so Bloss. Kritik äußern die Grünen unter anderem an der Begrenzung des Marktzugangs. Mit der von EVP wie auch einigen Sozialdemokraten geforderten Eingrenzung des Marktzugangs würde man Unternehmen die Möglichkeit nehmen, im Voraus Emissionsrechte zu kaufen und zu planen, so die Grünen. Bis Mittwoch wollen die Grünen noch einige Punkte ergänzen.
Die finale Abstimmung im Plenum über das „Fit for 55“-Paket ist für kommenden Mittwoch geplant. Konservative, Liberale und Sozialdemokraten kommen mit 432 Abgeordneten auf eine absolute Mehrheit. Somit ist mit einer Annahme des ausgearbeiteten Vorschlags zu rechnen.
Mitgliedstaaten fordern Einhaltung der europäischen Klimaziele
In einem offenen Brief
haben sich am Mittwoch zehn Mitgliedstaaten an alle „EU-
Entscheidungsträger*innen“ gewendet. In ihrem Brief fordern die Staaten
stärkere Bemühungen zur Umsetzung des „Fit for 55“-Paketes und warnen
vor der „Verwässerung der EU-Klimapolitik“. Unterzeichnet wurde der
Brief von Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Luxemburg, den
Niederlanden, Österreich, Schweden, Spanien und Slowenien.
Sowohl um die
EU unabhängiger von Energielieferungen aus Russland zu machen als auch
zur Eindämmung der Klimakrise sei es unumgänglich, die europäischen
Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, heißt es in dem Brief.
Die Ministerinnen und Minister fordern die EU-Abgeordneten auf, in ihren
Verhandlungen um das „Fit for 55“-Paket schnell Einigungen im Sinne der
europäischen Klimaziele zu finden.
Table Europe: Fraktionen einigen sich bei ETS und Grenzausgleich [Zahlungspflichtig]
Michael Bloss: Analyse_Neuer Deal beim EU C02-Handel
Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Schattenberichterstatter für die Grünen beim EU-Emissionshandel kommentiert die neue Einigung:
Die fossile Allianz im Europäischen Parlament ist aufgebrochen, der Klima-Kompass neu ausgerichtet. Der Klimaschutz kann vorerst aufatmen, das 1,5-Grad-Klimaziel wurde noch nicht aufgegeben. Es war keine leichte Einigung, aber es geht hier immerhin auch um das größte Klimapaket Europas. Der Industriestandort Europa wird damit klar auf einen Klimakurs geschickt und die Bürger*innen endlich finanziell beteiligt. Das EU-Parlament liefert, auch wenn es dafür einen zweiten Anlauf brauchte.
Ab 2032 ist Schluss mit der kostenlosen CO2-Verschmutzungsparty. Das ist gut so. Denn es soll belohnt werden, wer klimaneutral arbeitet. Parallel schützen wir unsere Industrie mit einem CO2-Grenzausgleich. Bereits 2030 soll dieser auf alle Sektoren im Emissionshandel ausgeweitet werden. Damit verhindern wir Klimadumping auf dem Weltmarkt und schützen die Industrie. Der Markt regelt dann klar: Wer verschmutzt zahlt, wer das Klima schützt profitiert.
T-online hier Von rtr, dpa 15.06.2022
Wie
will Europa klimafreundlicher werden? Nach Streit um die Vorgaben mit
Emissions-Zertifikaten zeichnet sich eine Einigung ab.
Dabei schneidet
auch Deutschland bisher nicht gut ab.
Im Streit über eine Ausweitung des CO2-Emissionshandelssystems hat sich im Europäischen Parlament eine Mehrheit der Fraktionen auf einen Kompromiss verständigt. "Wir haben eine Einigung, die, glaube ich, eine Mehrheit hat, eine große Mehrheit", sagte der sozialdemokratische Abgeordnete Mohammed Chahim am Mittwoch. Das Parlament soll darüber am Mittwoch nächster Woche abstimmen......
Ausstoß erreicht Niveau vor Pandemie
Die bisher im EU-Emissionshandel erfassten deutschen Fabriken und Unternehmen haben im vergangenen Jahr wieder fast genauso viel Treibhausgase ausgestoßen wie 2019 vor Beginn der Corona-Pandemie. Das geht aus einem Bericht der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt hervor, der am Mittwoch im sachsen-anhaltischen Dessau-Roßlau veröffentlicht wurde.
Die rund 1.730 erfassten Anlagen gaben demnach rund 355 Millionen Tonnen Kohlendioxid oder vergleichbare Gase ab. Das entspricht einem Anstieg von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr und liegt nur um etwa 8 Millionen Tonnen unter dem Niveau des Jahres 2019. Die in der Corona-Krise eingebrochene Wirtschaft hat sich inzwischen wieder ein Stück weit erholt.
Der Wiederanstieg der Emissionen im Jahr 2021, dem zweiten Jahr der Pandemie, war erwartbar, jedoch nicht dessen Ausmaß", erklärte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner. Der vor der Pandemie zu beobachtende Trend zu starken Senkungen des Ausstoßes an Treibhausgasen scheine vorerst gestoppt. "Hier müssen wir entschieden gegensteuern und die schnellere Abkehr von fossilen Energien vorantreiben." Dies gelte umso mehr angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und dem Versuch, bei Energielieferungen unabhängiger von Russland zu werden.
Frankfurter Allgemeine hier , VON HENDRIK KAFSACK, BRÜSSEL
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