KRAFTSTOFF hier im Handelsblatt
Die drohende Nahrungsmittelkrise veranlasst die Umweltministerin zu drastischen Maßnahmen. Der Verkehrsminister dürfte Probleme mit seinen Zielen bekommen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will den Einsatz von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen in den kommenden Jahren schrittweise reduzieren und bis 2030 ganz auslaufen lassen. Das geht aus einem Papier ihres Ministeriums hervor. Die Regelung soll nach Angaben aus Regierungskreisen bis Mitte Juni in Kraft treten.
Es ist geplant, die zulässige Obergrenze für die Beimischung von Biokraftstoffen, die aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen hergestellt werden, zur Erfüllung der Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) von derzeit 4,4 Prozent bereits im kommenden Jahr auf 2,5 Prozent und in den Folgejahren bis 2030 schrittweise auf null Prozent zu senken.
Zur Begründung heißt es in dem Papier, es gehe darum, „deutlich weniger Nahrungs- und Futtermittelpflanzen in die energetische Verwendung im Verkehr zu lenken, so die Rohstoffverfügbarkeit zu erhöhen und den Druck auf Preise insbesondere für Nahrungsmittel und Agrarflächen zu verringern“.
Infolge des Ukrainekriegs seien die Preise für Agrarerzeugnisse bereits deutlich gestiegen. „Eine Verknappung von Agrargütern weltweit wird erwartet. Dies trifft besonders ärmere Länder des globalen Südens“, heißt es.
Durch den hohen Preisanstieg seien auch deutsche Verbraucher betroffen. Ohne Absenkung der Obergrenze für die Beimischung würden 2023 etwa 9,8 Millionen Tonnen Nahrungs- und Futtermittel für den Einsatz von Biokraftstoffen in Deutschland verbraucht. Mit der geplanten Reduktion der zulässigen Quoten folgt das Bundesumweltministerium einem Beschluss der Landesumweltminister aus der vergangenen Woche.
Für Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) haben die Pläne seiner Kabinettskollegin empfindliche Konsequenzen. Der Verkehrssektor gehört im Hinblick auf Klimaschutz ohnehin zu den Sorgenkindern. Regelmäßig werden hier die Reduktionsziele verfehlt.
Mit der Reduktion der Quoten wird Wissing eines der wichtigsten Instrumente zur CO2-Reduktion aus der Hand genommen. „Das Verkehrsministerium hat die Klimaziele im Verkehr schon in den vergangenen Jahren nicht erreicht. Es kann also faktisch nicht auf Biokraftstoffe als die wichtigste Maßnahme zur Verringerung der Treibhausgasemissionen verzichten“, warnte Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB).
(Anmerkung: weshalb sollte man denn an einer unsinnigen Fehlentwicklung festhalten, nur weil der Verkehrsminister keinen Plan und vor allem keinen Willen hat, der Klimakrise mit entschiedenen Mitteln entgegenzutreten? hier Anregungen kriegt er genug geliefert)
Als Kompensation für den Wegfall des Biosprits aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen bis 2030 will das Ministerium die zulässigen Spritmengen aus abfallbasierten Biokraftstoffen leicht anheben. Bei den Kraftstoffherstellern soll zudem der Einsatz von Strom in Elektrofahrzeugen oder Wasserstoff in den Raffinerien stärker auf die CO2-Bilanz angerechnet werden.
Die Klimaschutzwirkung von Biosprit sieht das Umweltministerium grundsätzlich kritisch. Diese sei „stark anzuzweifeln“, da auf diese Art gewonnener Sprit über die Verdrängung der Produktion von Nahrungsmitteln indirekt zu Waldrodungen und hohen Kohlendioxidemissionen beitrage.
Die Branche sieht das völlig anders. „Wir verwenden bei unserem Bioethanol kein Brotgetreide. Eine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln gibt es da nicht“, sagte Claus Sauter, Vorstandschef der VerbioAG.
Das sieht auch Baumann vom VDB so: „Die Biokraftstoffhersteller entziehen dem Nahrungsmittelmarkt keine Rohstoffe. Es gibt die Konkurrenz zwischen Tank und Teller daher nicht.“
Der VDB-Geschäftsführer warf der Umweltministerin Zynismus vor. Sie „schiebt den Krieg in der Ukraine vor, um ihr tatsächliches Ziel durchzusetzen: Biokraftstoffe bis 2030 abzuschaffen“.
(das wird in anderen Quellen eindeutig widerlegt hier )
Baumann warnte außerdem davor, bei der Treibhausgasreduktion im Verkehrssektor allein auf die Elektromobilität zu setzen: „Ohne den Einsatz von Biokraftstoffen lässt sich der Fahrzeugbestand nicht ansprechen. 2030 werden noch mindestens 30 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor in Betrieb sein.“
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