Fridays for Future über Taxonomie-Plan der EU
Die EU-Kommission möchte ein Regelwerk für nachhaltige Investitionen festlegen. Darin enthalten ist allerdings auch ein Nachhaltigkeitssiegel für fossiles Gas und Atomkraft. Abgestimmt wird darüber endgültig Anfang Juli im EU-Parlament. Es ist die Geschichte eines politischen Etikettenschwindels.
Man mag denken, dass wir eigentlich längst die Emissionen drastisch reduzieren, uns auf dem 1,5°-Pfad befinden und eine gerechte Transformation eingeleitet haben – zumindest, wenn man den großen Worten und Ankündigungen unserer Politikerinnen und Politiker glaubt.
So kündigte die konservative EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 an, die EU durch einen ambitionierten Green Deal bis 2050 klimaneutral zu machen. Ihr Wortlaut: "I am convinced that the old growth-model that is based on fossil-fuels and pollution is out of date, and it is out of touch with our planet." Irgendwann kommt dann nach großen Versprechen wie diesem in der Klimapolitik der Moment, an dem es unangenehm wird. Und zwar dann, wenn es konkret wird, wenn die Umsetzung ansteht.
Ein Paradebeispiel für dieses Phänomen ist die EU-Taxonomie. Die Idee dahinter ist eigentlich gut: In der gesamten Union sollen einheitliche Kriterien festgelegt werden, an denen gemessen werden kann, welche Finanzprodukte und Investments als "nachhaltig" angepriesen werden dürfen. In der Theorie können so Greenwashing verhindert und private Kapitalströme in einen klimagerechte Wandel gelenkt werden. Die Taxonomie hat somit eine enorme Lenkwirkung im internationalen Finanzmarkt und spielt eine wichtige Rolle für die europäische Klimapolitik. Klingt gut – funktioniert aber nur, wenn diese Taxonomie ehrlich gestaltet wird.
Doch die EU-Kommission hatte geplant, auch fossiles Gas und Atomkraft zu den nachhaltigen Investitionen zu zählen. So wird natürlich der eigentliche Sinn der Taxonomie ausgehebelt – und zwar so sehr, dass selbst viele Institute am Finanzmarkt keinen Gebrauch von der Taxonomie machen wollen, weil es sich um so offensichtliches Greenwashing handelt. Beide Technologien haben ganz eindeutig nichts mit Nachhaltigkeit und einem "Gerechten Übergang" zu tun.
Bei der Atomkraft handelt es sich um eine nicht erneuerbare Technologie, bei der ein hochgiftiger Brennstoff, nämlich Uran, aus dem Boden extrahiert werden muss. Der Abbau des Urans ist mit dramatischer Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen verbunden und geschieht hauptsächlich in autokratisch regierten Ländern wie Russland, aus dem die EU 20 Prozent ihres Urans importiert.
"Atomkraft bleibt eine Hochrisikotechnologie, die bei einem Unfall ganze Landstriche für Jahrhunderte unbewohnbar machen kann."
Hinzu kommt die ungeklärte Frage der Endlagerung des radioaktiven Atommülls, der ein Umwelt- und Sicherheitsrisiko für kommende Generationen darstellt.
Man sollte meinen, dass im Jahr 2022 in der EU alles getan wird, um die nötige Transformation zu erreichen. Ein Jahr, in dem die Zerstörung von Menschenleben und ihrer Umwelt, durch fossile Systeme immer weiter eskaliert, fast täglich Nachrichten von neuen Katastrophen gemeldet werden und führende Klimaforscherinnen und -forscher weltweit sinkende Emissionen ab 2026 fordern. Dass wir mittlerweile nach Jahren der Klimakrise und einer verheerenden Pandemie gelernt haben, auf Betroffene zu hören und wissenschaftliche Warnungen ernst zunehmen. Aber wer sich mit der Taxonomie der EU-Kommission auseinandersetzt, findet keine dieser Einsichten und bleibt sprachlos zurück.
"Die Abgeordneten haben es also in der Hand: Bekommt der Green Deal eine zweite – echte – Chance oder kommt die Kommission mit ihrem Etikettenschwindel durch?"
Die Abstimmung über die Taxonomie ist eine Richtungsentscheidung für die Klimapolitik der EU. Was ist das große Versprechen eines Green Deal für die Europäische Union wert? War die Ankündigung nur ein Marketing-Trick, ein Fall von besonders perfidem Greenwashing und wird weiter Politik für die CEOs gemacht? Oder gibt es eine echte Wende zu einer ehrlichen und wirksamen Klimapolitik für die Menschen und nicht die großen fossilen Konzerne?
Am Dienstag hat der mächtige Wirtschafts- und Klimaausschuss schon die richtige und damit eine richtungsweisende Entscheidung getroffen und die Taxonomie mit knapper Mehrheit abgelehnt. Die endgültige Entscheidung wird aber im Europäischen Parlament Anfang Juli getroffen. Die Abgeordneten haben es also in der Hand: Bekommt der Green Deal eine zweite – echte – Chance oder kommt die Kommission mit ihrem Etikettenschwindel durch?
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