Donnerstag, 16. Juni 2022

Staat kontrolliert Raumtemperatur

Kommt Schwedens Heizmodell auch bei uns?

efahrer hier  08. Juni 2022 | Tobias Stahl

In Schweden betreibt man bereits seit Anfang der 2000er-Jahre ein Modell, das auch in Deutschland Schule machen könnte: Mietern wird die Raumtemperatur vorgeschrieben. Wer es wärmer haben will, zahlt drauf – und wer es auch kälter aushält, kann Geld sparen. Was als Bevormundung klingt, hat Vorteile für Mieter und Vermieter.

In Schweden gibt es seit dem Jahr 2000 ein Modell zur Einsparung von Energiekosten, das gleichzeitig Mietern, Vermietern und der Umwelt helfen soll. Bei dem Modell, das unter anderem von öffentlichen Wohnungsunternehmen genutzt wird, wird dem Mieter die Raumtemperatur in seiner Wohnung vorgeschrieben.

Die Mietverträge für solche Wohnungen enthalten bereits einen Teil der Heizkosten, um die Wohnung auf einer bestimmten Temperatur zu halten, beispielsweise 21 Grad. Mieter, die diese Temperatur beibehalten, müssen nichts zusätzlich zahlen – wer es gerne etwas wärmer haben möchte, muss auch mehr zahlen. Wer bereit ist, mit einer niedrigeren Temperatur auszukommen, erhält Geld zurück, erklärt das Nachrichtenportal Business Insider das Modell.

Schwedisches Modell soll Mietern, Vermietern und der Umwelt helfen

Die Vorteile für Mieter und die Umwelt liegen auf der Hand: Die Mieter werden dazu motiviert, Energie und somit gleichzeitig Geld zu sparen – oder zumindest auf ihre Heizstrategien und ihren Energieverbrauch zu achten. Aber auch für die Vermieter bringt das Modell Vorteile mit sich: Für die Vermieter besteht der Anreiz, ihre Wohnungen besser zu dämmen und modernere Heizungsanlagen einzubauen. Wenn nämlich der Mieter bei gleichbleibender Temperatur weniger Energie verbraucht, kann der Vermieter die Differenz einbehalten. Im Gegensatz dazu kann die Qualität der Dämmung oder die Effizienz der Heizung deutschen Vermietern egal sein, da lediglich der Mieter die Heizkosten trägt.

Die Denkfabrik "Agora Energiewende" zeigt sich laut Business Insider sehr zufrieden mit diesem Ansatz. Das Verfahren werde in Schweden seit dem Jahr 2000 praktiziert, zusammen mit einem ständig steigenden CO2-Preis – die Resultate seien deutlich messbar: "Die Emissionen der dortigen Haushalte sind seither um 95 Prozent gesunken", so Agora Energiewende.

Auch das schwedische Modell hat jedoch mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Mangels anderer Messmethoden wird nicht der Energieverbrauch selbst, sondern die mittlere Raumtemperatur einer Wohnung herangezogen – die kann jedoch durch Sonneneinstrahlung, Lüften oder elektrische Geräte variieren, ohne dass das etwas über den Energieverbrauch aussagt. Zudem besitzen Menschen ein individuelles Temperaturempfinden – wo manche bei 21 Grad bereits frösteln, sind andere auch mit viel niedrigeren Temperaturen zufrieden. Das hat laut Business Insider Folgen in manchen schwedischen Wohnungen: Die Bewohner kauften sich dann zusätzlich einen elektrischen, ineffizient arbeitenden Heizlüfter.

Deutschland will beim CO2-Preis einen ähnlichen Weg bestreiten

So oder so könnte das System auch in Deutschland Schule machen. Business Insider zufolge ist Deutschland zumindest beim CO2-Preis auf dem Weg in diese Richtung: Der "Arbeitsplan Energieeffizienz" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unter Robert Habeck sieht vor, die CO2-Kosten neu aufzuteilen, um "Vermieter zusätzlich zu motivieren, die energetische Sanierung ihrer Gebäude voranzutreiben". Auf Anfrage von Business Insider antwortet das zuständige Minsterium: "Bisher tragen Mieterinnen und Mieter diese Kosten alleine. Künftig soll gelten: Je schlechter die Energiebilanz eines Gebäudes, desto mehr zahlen die Vermieter."

Es sei zudem nicht ausgeschlossen, dass die Bundesregierung in einem nächsten Schritt auch das schwedische Modell bei den Mietverträgen angehe. So sei im Koalitionsvertrag zumindest ein Prüfauftrag dazu festgehalten. Selbst wenn das Modell Anklang findet, dürfte es jedoch auf absehbare Zeit nur für Neubauten gelten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen