Spiegel hier 09.06.2022 Ein Gastbeitrag von
Stefan Rahmstorf
Die Verbrennung fossiler Brennstoffe richtet massive Schäden an. Dennoch
wird sie gefördert – etwa durch den Tankrabatt. Dabei gäbe es sinnvolle
Alternativen, von denen auch Geringverdiener profitieren.
Derzeit wird in Deutschland hitzig über den sogenannten Tankrabatt
diskutiert. Dabei wird meist vergessen: Eigentlich werden Autofahrer
beständig unterstützt, auch ohne Tankrabatt oder Pendlerpauschale: weil
sie die gesellschaftlichen Kosten, die sie verursachen, nicht in Gänze
übernehmen.
Der Ökonom und Verkehrsexperte Matthias Runkel dazu im SPIEGEL-Interview : »Kein Verkehrsmittel wird so stark subventioniert wie das
Auto. Die Kosten für Infrastruktur und Folgekosten zum Beispiel durch
Emissionen und Flächenverbrauch sind viel höher als die Einnahmen .« Trotz dieser starken Subventionierung bleibt ein Auto auch für den
Besitzer teuer – deutlich teurer, als den meisten Menschen bewusst ist.
Wer 50 Jahre lang Auto fährt, wird dabei – je nach Modell – etwas
weniger oder etwas mehr als eine halbe Million Euro los . Den Rest – etwa 40 Prozent der Gesamtkosten – trägt die
Allgemeinheit . Und damit auch die vielen Steuerzahler, die gar kein Auto
besitzen.
Nach meiner Überzeugung sollte der Staat nur fördern, was für die
Allgemeinheit wünschenswert und von Nutzen ist, von Bildung über
Gesundheitsvorsorge bis zu sauberer Luft, einem stabilen Klima und dem
Erhalt der Artenvielfalt. Fossile Energienutzung oder mehr Autoverkehr
gehören im 21. Jahrhundert definitiv nicht mehr dazu. Wer einen fossilen
SUV
fahren möchte, sollte das meiner Meinung nach gern tun – aber bitte die
Folgekosten nach dem Verursacherprinzip voll selbst tragen und nicht
etwa Subventionen dafür erwarten.
Das meistens vorgebrachte Gegenargument gegen solche ehrlichen Preise
geht so: Geringverdiener könnten sich dann den teuren Sprit nicht mehr
leisten, etwa die auf dem Land lebende Krankenschwester, die mit dem
Auto 30 Kilometer zur Arbeit pendeln muss. Dieses Problem ist real und
wichtig, und diese sprichwörtliche Krankenschwester sollten wir
unterstützen. Nur ist die Lösung nicht subventioniertes Benzin, sondern
mehr Geld für die Krankenschwester.
Erstens profitieren von billigem Benzin und Heizöl meist die Falschen : die mit den durstigsten Autos und den größten Häusern die Ölkonzerne und Putin, aber weniger die Menschen mit geringem Einkommen. Zweitens entsteht durch künstlich billigen Sprit der falsche Anreiz , mehr zu verbrauchen und nicht weniger. Und drittens ist es bevormundend : Gibt man der Krankenschwester mehr Geld, dann hat sie die Freiheit, selbst zu entscheiden, was sie damit machen möchte: weiter mit dem Diesel pendeln oder ein E-Auto anschaffen oder eine teurere Wohnung nah an ihrem Arbeitsplatz mieten. Wer ihr nur billiges Benzin anbietet, nimmt ihr diese Wahlfreiheit.
Warum einigen sich die Ampelparteien, die sich soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Freiheit auf die Fahne geschrieben haben, nicht auf andere Lösungen? Detailliert durchgerechnete Vorschläge für ein Klimageld, von dem Klima und Geringverdiener gleichermaßen profitieren, liegen auf dem Tisch, zum Beispiel vom Ariadne-Projekt
Doch was für die Autofahrer in Deutschland gilt, gilt leider auch weltweit für die fatale fossile Energienutzung: Sie wird massiv subventioniert. Zwar versprachen die G7-Staaten Ende Mai (wenige Tage bevor der Tankrabatt der Bundesregierung in Kraft trat), die direkte öffentliche Finanzierung fossiler Energieträger bis Ende 2022 einzustellen und »ineffiziente« fossile Subventionen bis 2025 zu beenden . Doch die G7 (damals noch G8) versprechen schon seit 2009 immer wieder, ineffiziente fossile Subventionen zu beenden – und seit 2016 wird dafür das Enddatum 2025 genannt. Liest man damalige Medienberichte dazu, kann man sie leicht mit einem aktuellen Bericht verwechseln
Auch die G20 versprechen seit 2009 ein Ende der fossilen Subventionen Doch wenig ist seither passiert, um sie tatsächlich abzubauen Schon die Frage, was mit fossilen Subventionen gemeint ist und was »ineffiziente« fossile Subventionen genau sind, bleibt umstritten, da es verschiedene Berechnungsmethoden gibt Man unterscheidet Subventionen für Erzeuger oder Verbraucher – wobei beim deutschen Tankrabatt unklar ist, wer hier hauptsächlich subventioniert wird
Noch wichtiger ist aber, den Unterschied zwischen offenen und
versteckten Subventionen zu verstehen. Nur die Summe von beiden zeigt
das volle Ausmaß der öffentlichen Förderung fossiler Energien. Diese
berechnet seit 2015 der internationale Währungsfonds (IWF )
– eine grünem Wunschdenken gänzlich unverdächtige Organisation von 189
Nationen . Dabei wird vom Verursacherprinzip ausgegangen: verursacht ein
Produkt Kosten für die Allgemeinheit, etwa durch Luftverschmutzung,
sollte der Verursacher diese bezahlen, indem eine entsprechende Steuer
auf das Produkt erhoben wird. Eine implizite (oder
Nachsteuer-)Subvention existiert dann, wenn die Steuer zu niedrig ist,
sodass die Allgemeinheit auf einem Teil der verursachten Kosten sitzen
bleibt. In einer Studie vor dem Pariser Klimagipfel 2015 schätzte der IWF die weltweiten offenen und versteckten fossilen Subventionen auf atemberaubende 5300 Milliarden US-Dollar im Jahr. Richtig: 5.300.000.000.000 Dollar! Ein IWF-Update vom September 2021 ergab 5900 Milliarden US-Dollar entsprechend 6,8 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Die Subventionen steigen demnach immer weiter, statt abgebaut zu werden. 29 Prozent davon sind Klimaschäden, die nicht vom Verursacher, sondern von uns allen bezahlt werden.
Dabei sind diese vom IWF noch konservativ angesetzt, nämlich mit einem angenommenen CO₂-Preis von 60 Dollar pro Tonne. Das Umweltbundesamt rechnet bereits mit Klimakosten von 200 Euro pro Tonne CO₂
Der IWF argumentiert völlig zu Recht, dass eine volkswirtschaftlich effiziente Bepreisung von Benzin, Erdgas und Kohle die Schadenskosten abdecken sollte – nur so entsteht der richtige Preisanreiz, um die gesellschaftlichen Schäden zu minimieren und Investitionen, wo immer sinnvoll, in klimafreundlichere Alternativen umzulenken. Würde die G7-Ansage, ineffiziente fossile Subventionen bis 2025 zu beseitigen, im Sinne des IWF umgesetzt, wäre dies ein sensationeller Fortschritt beim Klimaschutz. Leider wird eine derart vernunftgeleitete Politik wohl vorerst ein frommer Wunsch bleiben.
Stefan Rahmstorf schreibt regelmäßig für den SPIEGEL über die Klimakrise. Er ist Klima- und Meeresforscher und leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Seit dem Jahr 2000 ist er zudem Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Paläoklimaforschung, Veränderungen von Meeresströmungen und Meeresspiegel sowie Wetterextreme.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen