Keine ausreichenden Maßnahmen gegen den Insektenschwund
Das Insektenschutzpaket besteht aus dem Insektenschutzgesetz (ISG) und der Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PfSchAnwV). Das ISG bringt über die Novelle des Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) folgende Neuerungen: der Schutz weiterer Biotope, Verbote einiger Biozide (beispielsweise Insektenbekämpfungsmittel) in Schutzgebieten, Stärkung des Konzepts „Natur auf Zeit“ (durch das Flächen zeitlich begrenzt für den Naturschutz genutzt werden können) und der Grundstein zur Regulierung von Lichtverschmutzung, also der Beeinflussung von Insekten durch Beleuchtung in Siedlungsräumen und Schutzgebieten.
Außerdem werden über das Ausgleichsgesetz und das Pflanzenschutzgesetz Möglichkeiten für Ausgleichszahlungen an Landwirt*innen verankert. Diese können abgerufen werden, wenn die neuen Regelungen der PfSchAnwV zu Einschränkungen bei der Flächenbewirtschaftung führen. Diese Einschränkungen entstehen durch ein Anwendungsverbot von wenigen Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten und ein Einsatzverbot auf Gewässerrandstreifen. Eine Maßnahme, die vielversprechend klingt, bei genauerer Betrachtung der Verordnung allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein ist:
Viele Ausnahmen, geringe Pestidzidreduktion
Verboten werden in Naturschutzgebieten und vergleichbaren Schutzgebieten lediglich Herbizide (Pestizide gegen „Unkräuter“) und Insektizide, die als bienengefährlich (B1-B3) oder bestäubergefährlich (NN410) eingestuft werden. Dies gilt auch in den europarechtlich geschützten FFH-Gebieten. Das aber nur auf einer minimalen Fläche: denn Obst-, Gemüse- und Weinbau, weitere Sonderkulturen, sowie bis Ende 2023 auch Ackerbau (hier gibt es zunächst die Möglichkeit zu freiwilligen Maßnahmen) sind von den Regelungen ausgenommen. In FFH-Gebieten bleibt also nur das Grünland betroffen, in dem grundsätzlich nur wenige Pflanzenschutzmittel angewendet werden dürfen. Somit wird die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln nur 0,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland betreffen!
Glyphosatausstieg nicht sicher
Auch die Darstellung des groß angekündigten Glyphosatausstiegs ist irreführend. Die am Insektenschutzpaket (ISP) beteiligten Ministerien erwecken den Anschein, dass durch den Beschluss im Insektenschutzpaket Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat ab dem 1. Jaunar 2024 verboten sein würden. Es ist aber auch ohne Beschluss im ISP der Fall, dass die Mittel ab Ende 2023 ohnehin nicht mehr angewendet werden dürfen, weil die EU-weite Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat im Dezember 2022 ausläuft und eine einjährige Abverkaufsfrist gilt.
Was im Zusammenhang mit dem Paket verschwiegen wird, ist eine Zusatzformulierung in der PfSchAnwV, die sicherstellt, dass der Termin des Ausstiegs verschoben werden kann, sollte die EU-weite Zulassung für Glyphosat verlängert werden. Ein Antrag auf Verlängerung des Wirkstoffs liegt bei den zuständigen Behörden bereits auf dem Tisch und wird schon auf EU-Ebene bearbeitet. Daher kann von einem Ausstieg keine Rede sein, vielmehr hängt das nationale Verbot vom Ausgang des Zulassungsverfahrens von Glyphosat auf EU-Ebene ab. Die neue Regierung muss hier nachbessern und sollte ihre Entscheidungen nicht vom EU-Prozess abhängig machen. Ein nationales Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit Totalherbiziden wie Glyphosat muss schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, um den Verlust der Insektenvielfalt zu stoppen.
Nachbesserungsbedarf für die neue Bundesregierung
Außerdem ist es höchste Zeit, endlich eine allgemeine Strategie zur Pestizid-Reduktion in der gesamten Agrarlandschaft auf den Weg zu bringen sowie naturnahe strukturreiche Landschaften und Lebensräume stärker in den Blick zu nehmen. Hier braucht es weitere Regelungen, wie etwa zehn Prozent unbewirtschaftete Flächen in der Agrarlandschaft. Dafür sollte auch der im Aktionsprogramm Insektenschutz vorgesehene Refugialflächenansatz umgesetzt werden. Danach dürften biodiversitätsschädigende Pestizide nur dann auf einer Fläche eingesetzt werden, wenn zusätzlich dazu eine Rückzugsfläche für Insekten vorhanden ist.
Insgesamt sind die Maßnahmen im Insektenschutzpaket noch zu gering. Die kommende Bundesregierung sollte den Insektenschwund als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ernst nehmen und hier deutlich nachbessern. Was genau das Insektenschutzpaket beinhaltet und wo es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, erläutern wir in unserem Faktencheck.
Was ist das Aktionsprogramm Insektenschutz (API)?
Der Insektenschutz wurde im Koalitionsvertrag von CDU und SPD als gemeinsames Ziel 2018 festgelegt. Die geplante Umsetzung wurde in Form eines Aktionsprogramms Insektenschutz (API) im Herbst 2019 vorgestellt. Es beinhaltet Aufgaben im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das API sieht dabei umfassende Maßnahmen vor, die in einem Insektenschutzgesetz (ISG) als Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und durch Änderungen in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PfSchAnwV) verankert werden sollten. Obwohl Änderungen im BNatSchG und in der PfSchAnwV vorgelegt wurden, werden bei Weitem nicht alle im API vereinbarten Punkte umgesetzt.
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