Dass Bitcoin schlecht für`s Klima sind hört man immer wieder. Hier endlich mal eine verständliche Erklärung dazu und eine Einordnung der Dimensionen.
NZZ hier
Ist der Crash gut fürs Klima?
Der Wert von Kryptowährungen ist über die vergangenen Monate eingebrochen. Der Energieverbrauch hat sich verringert. Doch das Problem bleibt bestehen.
Seit dem Höhenflug im vergangenen Herbst sind Krypto-Anlagen tief gefallen: Der Bitcoin hat zwei Drittel seines Werts verloren, kleinere Währungen und NFT (digitale Besitzzertifikate) noch mehr. Im Internet kursieren Geschichten von Männern, die das Geld für ihre geplante Hochzeit im Krypto-Boom vermehren wollten und nun alles verloren haben. In El Salvador war es gar der Präsident, der das Volksvermögen verspekulierte.
Der Einbruch der Krypto-Märkte hat auch gute Seiten. Er reduziert nämlich den enormen Strombedarf der Industrie. Diesen zu beziffern, hat sich der Ökonom Alex de Vries, hauptberuflich bei der niederländischen Nationalbank, zum Ziel gemacht. Er zeigt Vergleiche auf wie den folgenden: Im Jahr 2021 hat das Bitcoin-Netzwerk etwa um einiges mehr Strom verbraucht, als die Umstellung auf Elektro-Fahrzeuge insgesamt in dem Jahr gespart hat.
Allein weil er diese Zahlen recherchiert und publiziert, wird er persönlich angefeindet. Nun hat er aber gute Neuigkeiten. Der Crash des Bitcoin-Preises hat auch den Stromverbrauch reduziert.
Der hohe Bitcoin-Preis lockte Miner in den Markt
Doch warum braucht Bitcoin überhaupt so viel Energie? Kurz gefasst, wird der Strom bei einer Art Lotterie verbraucht. Wer gewinnt, darf in der Blockchain eine Charge an Überweisungen bestätigen und erhält dafür eine Belohnung. Um sich an dieser Lotterie zu beteiligen, lässt man seinen Computer eine bestimmte Zahl erraten. Bei dieser Rateaufgabe verbraucht der Computer viel Rechenleistung und dadurch Strom.
Die Teilnehmer an diesem Wettlauf nennt man Miner. Wer von ihnen die richtige Zahl zuerst findet, gewinnt. Er bestätigt die Überweisungen und bekommt eine Entlohnung. Dass man Strom investieren muss, um an dieser Lotterie teilzunehmen, soll Betrug vermeiden. Hier ist die Sache im Detail erklärt. Die Logik dahinter ist jedenfalls: Wer falsche Transaktionen bestätigt, würde so mehr Geld verlieren, als er gewinnen kann.
Weil die Belohnungen in Bitcoin ausbezahlt wurden und dieser zu immer höheren Preisen gehandelt wurde, lockte die Lotterie immer mehr Teilnehmer an.
Bald zahlte es sich aus, ganze Server-Räume aufzubauen und für das Errechnen von Bitcoins zu nutzen. Der persönliche Laptop kann in dieser Lotterie schon lang nicht mehr mithalten. Stattdessen ist eine Milliardenindustrie entstanden. Erst in China, seit die Regierung dort gegen Bitcoin vorgeht, vermehrt auch in den USA und Kasachstan.
Ab einem gewissen Preis wird Mining unrentabel
Tiefe Preise für Bitcoin haben den gegenteiligen Effekt: Hardware-Stromrechnungen für die Computer müssen Miner ja immer noch mit herkömmlichem Geld bezahlen. Wenn der Bitcoin weniger wert ist, sinkt ihre Gewinnmarge.
Der Bitcoin-Preis sinkt schon seit Herbst, doch der Stromverbrauch stagnierte zuerst. De Vries erklärt: «Zuerst waren die sinkenden Kurse egal. Das Mining war immer noch profitabel. Aber dass der Preis von 30 000 auf unter 20 000 gesunken ist, hat viele dazu veranlasst, auszusteigen.» Das erste Mal seit Jahren sinkt der Stromverbrauch des Netzes bedeutend..
Das ist auf jeden Fall eine gute Nachricht für das Klima. Doch wie gross genau die Emissionseinsparungen sind, lässt sich nicht so einfach sagen. Es hängt davon ab, ob die Miner mit dem dreckigsten Strom und den ineffizientesten Rechnern zuerst aussteigen.
De Vries sagt: «Man hört von Minern in Kasachstan, deren alte Maschinen sich schon nicht mehr lohnen. Das ist eine gute Nachricht, denn dort läuft Krypto vor allem mit Kohlestrom.» Allerdings ist Bitcoin nicht automatisch grüner, wenn die Miner in den USA sitzen. In Texas und Kentucky, beides wichtige Mining-Regionen, spielen erneuerbare Energiequellen kaum eine Rolle. «Um die Zusatznachfrage der Bitcoin-Industrie zu decken, die ja den Stromverbrauch insgesamt stark erhöht, kommt in diesen Regionen Kohle zum Einsatz», sagt de Vries.
Regulierung führt meist nur zum Umzug
Zugleich gehen erste Regierungen gegen Miner vor. Iran hat Krypto-Mining für Monate verboten, um sein sowieso schon unsicheres Stromnetz von der zusätzlichen Belastung zu befreien. Die staatlich vergünstigte Energie hat eine Mining-Industrie angezogen, welche Blackouts mitverursacht hat.
«Ähnliche Konflikte gibt es in Kasachstan, Abchasien, Georgien, Kosovo, der russischen Region Irkutsk und in Plattsburgh, New York», zählt de Vries auf. Es gehe immer um die gleichen Dinge: steigende Stromkosten und eine drohende Überlastung des Stromnetzes.
Ein Mining-Verbot durchzusetzen, ist nicht einfach, wie der Fall China zeigt. Dort werden immer noch 20 Prozent der Bitcoins «errechnet», jetzt eben illegal. Und der Rest der Industrie ist abgewandert. Probleme, die an einer Stelle gelöst werden, treten woanders wieder auf. Einen «Wasserbett-Effekt» nennt das de Vries.
Das Klimaproblem können lokale Verbote also nicht lösen. Übrigens auch nicht das Müllproblem. Weil die Mining-Hardware so schnell obsolet wird, erzeugt die Bitcoin-Industrie Elektroschrott – laut Berechnungen von de Vries so viel wie zwei iPhones je Transaktion.
Nur ein kompletter Crash würde das Problem lösen
Was der Forscher besonders tragisch findet: All die Energie und Rohstoffe gehen für den Zweck drauf, zufällige Nummern zu generieren, eben aufgrund der Lotterie, die Bitcoin zugrunde liegt. Dabei wäre das nicht zwingend notwendig.
Statt dem beschriebenen Mechanismus namens Proof-of-Work können auch andere Mittel eine Blockchain vor Betrug schützen, etwa der Proof-of-Stake. Eine Umstellung würde das Strom- und das Müllproblem auf einen Schlag lösen.
Durch die dezentrale Struktur von Bitcoin und Ethereum kann das aber nicht eine Person allein entscheiden. Es müsste die ganze Community gemeinsam umsteigen. Wenn zu wenige mitmachen, spaltet sich die Blockchain auf, was viele Probleme nach sich ziehen würde. Für viele ein zu hohes Risiko.
So bleibt der Bitcoin aller Voraussicht nach in seinem stromfressenden Design gefangen. «Das Einzige, was die Verschwendung beenden würde, wäre ein Preis von null Dollar. Das würde Investoren sehr unglücklich machen. Doch für den Klimaschutz wäre es das Beste», so das schlichte Fazit von de Vries.
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