Mittwoch, 8. Juni 2022

Warum Molkereien auf Haferdrinks setzen

 03.06.2022  |  VON SANDRA MARKERT WIRTSCHAFT@SUEDKURIER.DE  hier

Ein Glas frische Milch zum Frühstück? Auf einem Bauernhof mit 40 Kühen liegt das nahe. Landwirt Christoph Trütken bevorzugt jedoch Hafermilch. „Mir persönlich schmeckt das einfach besser“, sagt Trütken, dem der Antonihof in Bad Dürrheim gehört. Als sein Milchabnehmer, die Schwarzwaldmilch in Freiburg, vor zwei Jahren beschloss, einen Haferdrink mit ins Sortiment aufzunehmen, war Trütken deshalb sofort begeistert von der Idee. Auch das ist ziemlich erstaunlich.

Denn die meisten Milchbauern betrachten es mit Sorge, dass inzwischen jeder zehnte Liter Milch in Deutschland aus Ersatzprodukten stammt, so das Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung. „Für jede Packung Pflanzendrink, die gekauft wird, bleibt eine Packung Kuhmilch stehen“, sagt Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter.

Tatsächlich ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Kuhmilch seit Jahren rückläufig. Lag er dem Milchindustrie-Verband zufolge 2014 noch bei 56,3 Kilogramm, waren es 2021 nur noch 47,8 Kilogramm. „Ganz schwierig wird es, wenn eine Molkerei wie die Schwarzwaldmilch sich selbst ein Konkurrenzprodukt aufbaut und dann beides parallel vermarkten muss“, findet Hans Foldenauer.

Landwirt Christoph Trütken kann diese Sorgen nicht nachvollziehen. „Die Leute fragen das nach. Man kann sich als Molkerei und Landwirt dieser Nachfrage verschließen und den Markt anderen überlassen. Oder man mischt mit und bietet ein gutes regionales Produkt an“, so Trütken. Bislang kommt der Marktführer für Haferdrinks in Deutschland mit Oatly aus Schweden. Bei den Milchersatzprodukten auf Sojabasis hat das belgische Unternehmen Alpro die Nase vorn.

Und so kam es, dass Christoph Trütken seit einiger Zeit nicht nur seine Milch an die Freiburger Molkerei Schwarzwaldmilch liefert. Inzwischen geht auch sein Hafer an das Schwarzwaldmilch-Werk in Offenburg. Dort produziert die Schwarzwaldmilch Tochterfirma Black Forest Nature GmbH seit 2020 vier verschiedene Varianten des Haferdrinks „velike“.

Eine große Umstellung war das auf dem Antonihof in Bad Dürrheim nicht. Der Vorzeigebauernhof wird nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet. Früher lieferte Christoph Trütken sein Getreide für die Herstellung von Haferflocken, jetzt für Haferdrinks. Auch wegen dieser nachhaltigen Bewirtschaftung und weil er nur Heumilch abgibt, stimmen für Trütken die Preise der Schwarzwaldmilch für Hafer wie Milch. Vor allem aber passt ihm das Konzept, das die Molkerei verfolgt: Konsequent werden im Marketing die Region und hochwertige Milchsorten wie Bio-Heumilch oder Weidemilch in den Mittelpunkt gerückt – und dadurch tatsächlich auch rund 60 Prozent des Umsatzes innerhalb Baden-Württembergs erzielt.

In dieses Konzept fügen sich auch die Haferdrinks ein, die der Werbung zufolge zu 100 Prozent mit Bioland-Hafer aus der Schwarzwald-Region hergestellt werden. „Sie liefern dem Unternehmen ein weiteres Standbein, um auch dann noch bestehen zu können, wenn weitere Milchbauern aus der Tierhaltung aussteigen“, sagt Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter.

Denn in den letzten zehn Jahren hat bereits ein Drittel aller Milchbauern in Deutschland die Milchproduktion aufgegeben. Auch die Schwarzwaldmilch verliert der Molkerei zufolge jedes Jahr etwa fünf Prozent der Betriebe. „Aus Sicht eines Unternehmens ist es deshalb absolut nachvollziehbar, sich auch jenseits des klassischen Milchgeschäfts aufzustellen“, sagt Hans Foldenauer.

Wer für ihn dabei aber auf der Strecke bleibt, sind die Milchbauern. „Wenn eine Molkerei Pflanzendrinks neu einführt, fallen dafür zunächst einmal hohe Kosten an, allein schon fürs Marketing. Das ist Geld, welches für das klassische Kuhmilchgeschäft fehlt“, sagt Hans Foldenauer. Und lasse sich mit den Milchersatzprodukten erst einmal Geld verdienen, bedeute das nicht automatisch, dass die Milchbauern daran beteiligt würden.

Genau damit jedoch wirbt die Geschäftsführung bei Schwarzwaldmilch – dass die Milcherzeuger auch vom Velike-Umsatz profitieren, weil dieser im Gruppenumsatz des Unternehmens enthalten sei. „So fließt es den genossenschaftlichen Milcherzeugern über das Milchgeld zu“, sagt Andreas Helm, Geschäftsleiter bei Velike.

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