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Kurt Stukenberg / Ressortleiter Wissenschaft
Formulierungen, die ein Versprechen suggerieren, dass dehnbar genug ist, um es nie wirklich einfordern zu können, sind bei wahlkämpfenden Politikern beliebt. Auch bei solchen, die gerade frisch ins Amt einsteigen. Auf der Präsentation des Regierungsprogramms der Ampelkoalition im November benutzte Klimaminister Robert Habeck einen Wortlaut, der schon im Programm seiner Partei zur Bundestagswahl mehrmals aufgetaucht war: Mit dem Koalitionsvertrag, befinde sich die neue Regierung »auf dem 1,5-Grad-Pfad«, so der Grüne.
Man konnte schon damals ahnen, dass diese Ausdrucksweise zwar den Anschein erweckt, die Regierungsvorhaben deckten sich mit dem Limit aus dem Pariser Klimavertrag, nachdem sich die Erde um nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit erwärmen soll – sich mit ihr aber auch eine erkleckliche Zielverfehlung rechtfertigen ließe. Ein gutes halbes Jahr nachdem die Koalition ihre Arbeit aufgenommen hat, zeichnet sich nun immer deutlicher ab, dass letzteres wohl der Fall sein wird. Mitte der Woche hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung eine neue Berechnung vorgelegt, aus der hervorgeht, dass die aktuelle Klimapolitik Deutschlands wohl eher zu einem 1,75-Grad-Pfad führt. Jedenfalls dann, wenn man eine faire globale Lastenteilung beim Klimaschutz anstrebt.
Deutschland
müsste schon 2031 klimaneutral sein
Möglich
wird das durch die Berechnung eines sogenannten CO2-Budgets. Dieses gibt einen
Richtwert an, wie viele Tonnen Treibhausgase die Weltgemeinschaft noch in die
Atmosphäre entlassen darf, ohne dass bestimmte Schwellen in der
Temperaturentwicklung gerissen werden, das 1,5-Grad-Limit etwa. Diese vom
Weltklimarat IPCC ausgewiesene Gesamtmenge lässt sich dann etwa je nach
Einwohnerzahl auch auf einzelne Länder herunterbrechen. Für Deutschland bleiben
nach dieser Rechnung laut dem SRU noch 3,1 Gigatonnen CO₂ übrig, um zumindest
eine 50-prozentige Chance zu haben, die 1,5-Grad-Schwelle nicht zu reißen.
Nimmt man an, dass die Emissionen ab jetzt linear sinken würden, dürfte die
Bundesrepublik netto schon 2031 kein CO₂ mehr ausstoßen.
Man
kann ganz nüchtern festhalten, dass dieses Ziel nie und nimmer erreicht werden
wird. Zum Vergleich: Aktuell plant die Bundesregierung im Jahr 2045
klimaneutral zu sein und auch dieses Vorhaben klappt nur, wenn die Energiewende
bei Strom, Wärme und Verkehr wie am Schnürchen läuft. Die Deutschen werden also
in den Klimadispo gehen – die weltweiten Ziele werden sich nur halten lassen,
wenn andere Länder deutlich weniger Treibhausgase ausstoßen, als ihnen nach der
Budgetberechnung eigentlich noch zustehen würden.
Verschleppte
Energiewende als Ursache
Aus
den Zahlen der Regierunsgberater geht immerhin hervor, dass Deutschland gerade
eben so seinen Beitrag zu einer Marke von 1,75 Grad Erwärmung schaffen könnte –
womit die Politik immerhin noch das harte Pariser Limit einer Begrenzung der
Erderwärmung auf »deutlich unter zwei Grad« halten würde.
»Deutschland muss von allen fossilen Energieträgern unabhängig werden, nicht nur von denen aus Russland«, sagt Wolfgang Lucht, Leiter der Abteilung für Erdsystemanalyse am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und Mitglied im Rat »Das noch verbleibende CO2-Budget schmilzt rapide. Dies ist vor allem eine Folge der zuletzt verschleppten Energiewende in Deutschland.«
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