Mittwoch, 20. April 2022

Tschüss Auto: Neue Wege für die Mobilität auf dem Land

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Verkehrswende

Von Idylle ist im Verkehr auf dem Land nicht viel zu spüren. In vielen Gegenden geht ohne Auto gar nichts. Hier ist eine Verkehrswende dringend nötig und Ideen gibt es einige, die teils nicht mal schwer umzusetzen wären.

Wer in Deutschland auf dem Land wohnt, fährt Auto. Züge und Busse fahren in vielen Regionen eher selten und auch nicht in jedes Dorf. So ist es nicht verwunderlich, dass 90 Prozent der Haushalte auf dem Land einen oder mehrere PKW haben. Anders sieht es in größeren Städten aus. Hier kommt fast die Hälfte der Haushalte ohne eigenes Auto aus.....

Autoprivilegien müssen durchbrochen werden

Um das Klima zu schützen, soll es auch auf dem Land eine Verkehrswende geben - das hat die neue Bundesregierung verkündet. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Auch abseits der Städte soll allen Bürgern eine vernetzte, alltagstaugliche, bezahlbare und klimafreundliche Mobilität ermöglicht werden." Bewegung hat es aber noch nicht viel gegeben, meint Andreas Knie. Er leitet die Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

"Wir haben in Deutschland immer noch eine unglaubliche Auto-Förderpolitik," beklagt er. "Die neue Bundesregierung hat sich entschlossen, alle Privilegien des Autos, beispielsweise das Dienstwagen-Privileg, die Diesel-Subventionierung, die Pendlerpauschale, das freie Parken und einen Verzicht auf ein Tempolimit nicht anzugreifen." Ohne diese Vorteile wäre Autofahren nicht mehr so attraktiv, so Knie.

Außerdem würde der eigene Pkw unattraktiver werden, wenn die Fahrerinnen und Fahrer für die tatsächlichen Kosten des Autofahrens aufkommen müssten, wenn also beispielsweise auch Umwelt- und Klimaschäden oder Flächenverbrauch mit berechnet würden. Knie rechnet vor: 

"Der Autoverkehr kostet uns etwa 110 Milliarden jedes Jahr und an Steuern kommen etwa 60 Milliarden rein. Das sind 50 Milliarden, die wir als Gemeinschaft dazu geben. Der Öffentliche Nahverkehr kostet rund 40 Milliarden und es kommen so etwa 15 Milliarden rein. Das sind also nur 25 Milliarden, die wir dazutun."

Die letzte Meile anders organisieren

Es ist aber nicht damit getan, die Lust auf das Auto zu schmälern. Es muss auch noch der Teufelskreis des öffentlichen Verkehrs durchbrochen werden. Denn im Augenblick hat der öffentliche Verkehr durch die Corona-Pandemie wenig Nutzer und daher ein reduziertes Angebot, was wiederum zu noch weniger Nutzern führt.

Das könnte sich ändern, wenn vor allem die Hauptstrecken zwischen größeren Orten und Städten durch Busse und Bahnen verbunden würden, die regelmäßig fahren. An Verkehrsknotenpunkten, sogenannten Hubs, könnten die Menschen aus weiter entfernten Gegenden zusteigen. "Man muss die berühmte letzte Meile neu organisieren, sodass wir alle Menschen mithilfe eines Smartphones in die Lage versetzen, zu diesem Hub zu kommen, ohne dass sie ein eigenes Auto brauchen", schlägt Knie vor.

Der Weg zu einem solchen Hub kann auf alle mögliche Weise organisiert werden. Wer mit dem eigenen Auto fährt, könnte andere mitnehmen. Subventionierte Ruftaxis könnten bei Bedarf angefordert werden. Dorfgemeinschaften könnten Bürgerbusse einsetzen, die von ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern gefahrenen werden oder sie könnten E-Autos anschaffen, die gemeinsam genutzt werden. Auch Mitfahrbänke sind eine Option. Wer sich hier hinsetzt, gibt Vorbeifahrenden das Signal, dass er oder sie mitgenommen werden möchte.

Zu Fuß gehen und Fahrradfahren schont das Klima

Nicht zuletzt kann die letzte Meile auch per Fahrrad bewältigt werden. Dafür braucht es aber ein sicheres Radwegesystem, dass es bislang auf dem Land kaum gibt, so Mobilitätsforscher Knie: "Jede Straße muss einen sicheren und ausgewiesenen, breiten Radstreifen haben. Dafür müssen wir nicht noch mal zusätzlich Fläche versiegeln und neue Wege anlegen, sondern wir müssen schlichtweg den Raum neu aufteilen.". In den Niederlanden, Dänemark und skandinavischen Ländern funktioniere das bereits.

Wobei auffalle, dass das alles Länder ohne eigene Autoindustrie seien, sagt Andreas Knie. Bei uns würde dagegen jede Beschneidung des Autoverkehrs als Angriff auf die Autoindustrie und damit auf Arbeitsplätze gewertet. Dabei hat der Rad- und Fußverkehr viel Potential. Fast die Hälfte der auf dem Land zurückgelegten Wege sind nur ein bis vier Kilometer lang und könnten daher gut mit dem Rad oder zu Fuß erledigt werden....

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