Zeit hier Eine Kolumne von Petra Pinzler 14. April 2022
Fünf vor acht / Energiewende
Seit klar ist, dass jedes weitere Windrad die Abhängigkeit von russischem Gas senkt, haben die erneuerbaren Energien viele neue Fans gewonnen. Sogar in der FDP wird von Freiheitsenergien geschwärmt und so scheint eine Energiewende, die schnelle Transformation der Wirtschaft hin zur CO₂-Neutralität, in trockenen Tüchern.
Leider nur ist die Realität des Megaprojektes immer noch eine andere. Schließlich ist das Etikett "Freiheit" auf ein Windrad zu kleben etwas anderes, als das dann auch vor Ort durchzusetzen. Oder grundsätzlicher: Dass plötzlich viele die Energiewende gut finden, heißt eben noch nicht, dass sie auch in der Realität entsprechend schnell umgesetzt wird – und dass all die neuen Fans auch wirklich zu ihren Worten stehen.
Wo also wird es haken?
Erst einmal hat Wirtschaftsminister Robert Habeck
die Energiewende gerade tatsächlich einen großen, notwendigen Schritt
nach vorn geschoben. Ziemlich geschickt haben seine Leute das sogenannte
Osterpaket, das den Ausbau von Wind und Solarenergie stark
beschleunigen soll, durch die anderen Ministerien und dann durchs
Kabinett gelotst.
Das Paket umfasst 500 Seiten, es reformiert das
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Windenergie-auf-See-Gesetz
(WindSeeG), das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das
Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) und das Netzausbaubeschleunigungsgesetz
(Nabeg).
Die Liberalen haben schon mal Protest angemeldet
All das klingt megatechnisch. Im Kern geht es immer darum, den Ausbau erneuerbarer Energien künftig als "überragendes öffentliches Interesse" zu definieren und zu einer "Frage der nationalen Sicherheit" zu machen. Alles Weitere folgt aus diesen Grundannahmen. So sollen sich Kommunen leichter an PV- und Windkraftprojekten beteiligen können, es soll mehr Platz für Offshore-Windkraft in Nord- und Ostsee ausgewiesen werden, die EEG-Umlage für Stromverbraucher abgeschafft und Verbraucher vor Preiswucher der Energielieferanten besser geschützt werden.
Das ist nur der erste Aufschlag. Bald schon sollen weiter Gesetzesänderungen folgen und dann im Sommer ein zweites großes Sommerpaket – das unter anderem die Genehmigungsverfahren deutlich schneller macht. Obwohl Habeck sich vor allem um die Gas-, Kohle- und Ölversorgung des Landes kümmern muss, bezweifelt daher kaum noch jemand, dass er den Ausbau der Erneuerbaren trotzdem nicht aus dem Blick verliert.
Nur werden der Wirtschaftsminister und sein Team auch mit noch so viel
gutem Willen die Sache allein nicht wuppen – die wirklich großen
Konflikte haben sie noch vor sich.
Gleich nach Ostern werden sie es
gleich mit drei Arten von Problembären aufnehmen müssen: erstens mit der
FDP-Bundestagsfraktion, zweitens mit den Bundesländern und drittens mit
dem eigenen Kanzler. Wahrscheinlich genau in dieser Reihenfolge.
Schon in der vergangenen Woche, gleich nach der Veröffentlichung des Osterpaketes, hatten die Liberalen Protest angemeldet, nur "formal" haben sie dem Paket durch die Verabschiedung im Kabinett erst mal zugestimmt. Jetzt aber ist der Bundestag dran. Und wenn es dort schlecht läuft, dann übernimmt die FDP im Parlament zunehmend die Rolle, die einst die CDU/CSU-Fraktion in der Großen Koalition hatte. Damals musste Wirtschaftsminister Peter Altmaier jedes Reförmchen mit diesen Abgeordneten abstimmen. Und sie haben damals fast jeden Vorschlag, der die Energiewende beschleunigt hätte, ausgebremst, weichgespült und klein geschreddert. Ob die FDP diesen Weg geht, wird man nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen wissen. Die finden Mitte Mai statt, bis dahin haben die Liberalen Ampel-intern noch Schonzeit.
Hart könnte zweitens die Auseinandersetzung mit den Bundesländern werden, alle voran Bayern und (was weniger bekannt ist) Nordrhein-Westfalen. Beide Länder sind konservativ regiert und beide haben extrem restriktive Abstandsregeln für Windräder verabschiedet. Beide werden diese Landesgesetze schreddern müssen, jedenfalls wenn der Windausbau in nennenswerter Größe zunehmen soll.
Möglicherweise könnte ausgerechnet Wladimir Putin hier eine Brücke bauen und sowohl dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als auch dem aus NRW, Hendrik Wüst, helfen, gesichtswahrend von ihrer "Lieber-kein-Windrad-Position" herunterzukommen. Schließlich sind die Räder jetzt keine Angelegenheit von grünen Ökos mehr, sondern eine Frage der nationalen Sicherheit. Es geht nicht mehr um Blumen und Bienen, sondern um Hardware zur Friedenssicherung. Wenn es jedoch schlecht läuft, dann wird Habeck die Landesregierungen über das Baugesetz zwingen müssen, mehr Flächen auszuweisen. Und wer gezwungen wird, der kooperiert dann sicher nicht in dem Tempo, das nötig wäre.
Am wohl schwierigsten
wird die dritte Auseinandersetzung, die mit dem Bundeskanzler. Wer die
Energiewende jetzt will, und zwar ernsthaft, der wird noch deutlich mehr
Tempo machen als Habeck mit dem Osterpaket. Das wiederum geht nur, wenn
der Bundeskanzler mitdrängelt und -hilft. Nur zum Vergleich: Als Merkel
den Ausstieg aus der Kernenergie wollte, ging das in wenigen Wochen –
auch durch den Bundestag. Ähnliches ist bisher allerdings nicht zu erkennen.
Scholz spricht nicht gern über das Sparen
Und noch weniger zu erkennen ist, dass Scholz ein sehr grundsätzliches Problem einer erfolgreichen Energiewende erkannt hat, und das lautet: Allein mit immer mehr neuen Windrädern und Solarpanels, vielen E-Autos und Wasserstoff aus dem Ausland, wird die Sache nicht zu schaffen sein. Deutschland wird an einem konsequenten Einsparen von Energie nicht vorbeikommen – auch, weil die Rohstoffe für die Windräder und die Solarpanels begrenzt sind und immer teurer werden und auch der Wasserstoff noch eine ganze Weile eine höchst begehrte Ressource bleiben wird, und das weltweit.
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