von Florian
erlauben Sie mir kurz
dieses drollige Wortspiel: Ich saß am Sonntag doch arg auf heißen Kohlen. Eher
ungünstig, wenn man auf den neusten Forschungsstand zur Bewältigung der
Klimakrise wartet. Aber der Weltklimarat ließ
diesmal besonders lange warten – auf die Ergebnisse des dritten Teils der
aktuellen Ausgabe des Weltklimaberichts. Oder auch: Das Papier der
Arbeitsgruppe III zum 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC – wie man in
professionellen Kreisen so zu sagen pflegt.
Nachdem wir vergangenen
Sommer erfahren haben, in welcher klimatisch ungünstigen Situation wir uns
doch wirklich befinden und es Ende
Februar um Temperaturverläufe, Anpassungsmöglichkeiten und das
Zusammendenken des großen Ganzen ging, standen diesmal die aus
wissenschaftlicher Sicht folgerichtigen Handlungsempfehlungen auf dem Plan.
Vorab: Im Grunde wissen wir
das alles schon. Nur, dass das Wörtchen "aber" nun gestrichen
scheint. Na denn, stürzen wir uns mal rein mit der …
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Eine ausgesprochen niedrige Zahl, stimmt schon. Aber eigentlich nicht niedrig genug. Zuletzt hat man so den Eindruck bekommen können, dass zwei Grad das neue Einskommafünf ist. Klar ist: Es gibt noch Pfade, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, sofern die Kehrtwende im Klimaschutz gelingt. Diese Schlupflöcher verengen sich zunehmend und rasch. Wahrscheinlich ist aber auch, dass wir das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, vorerst überschreiten und uns im späteren Jahrhundert mit technischen Lösungen behelfen müssen, diese lästigen Treibhausgase wieder loszuwerden. So dass da 2100 trotzdem nur eine Einskommafünf steht.
Kohle, Öl und Gas sind fortan ein Schuss in den Ofen — und was wir sonst noch lernen |
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Die aktuelle energiepolitische Krise – entfacht durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine – erschwert es freilich, bei diesem Thema einen kühlen Kopf zu bewahren. Aber der aktuelle Weltklimabericht zeigt es eindringlicher denn je: Das fossile Zeitalter ist vorbei. Es gibt keinen Spielraum mehr für neue Kohlekraftwerke (auch nicht im Sinne des verbleibenden CO2-Budgets) und dass Öl und Gas keine so gute Idee für Heizung und Mobilität mehr sind, nun – diese Annahme hat sich ja nun auch in anderer Hinsicht bekräftigt. Dass dann doch recht Ermutigende an der Chose ist, dass wir das können. Jetzt schon. (Und es passiert tatsächlich was: Stichwort "Osterpaket" der Bundesregierung – mehr dazu weiter unten.) 1. DER ELEKTRIFIZIERUNG STEHT NIX MEHR IM WEGMit erneuerbaren Energien und Batterietechniken, von denen Akku-Fans in den Neunzigern noch nicht zu träumen gewagt hätten, sind wird viel besser gewappnet, als es der fünfte Weltklimabericht Mitte des vergangenen Jahrzehnts noch mutmaßte. Und von wegen Alleswirdteurer! Schauen Sie sich mal die Preise für Mega- und Kilowattstunden in diesen Bereichen an (links)
Falls Sie jetzt schnell weiter gescrollt haben, weil Ihnen nicht der Sinn danach steht, mehr als zwei Sekunden mit einer Diagrammkurve zuzubringen: Sonnenenergie ist inzwischen zehnmal so billig wie vor zwanzig Jahren. Und Lithium-Ionen-Akkus gibt's inzwischen für nen Appel und ein Ei. 2. ALLE MÜSSEN MITTUNOder wie es der Nachhaltigkeitsforscher Felix Creutzig (selbst IPCC-Leitautor) sagen würde: "Mehr Wohlstand ist empirisch nicht haltbar." Was Herr Creutzig damit sagen will: Die fetten Jahren sind vorbei, zumindest für die auf der Welt, die sie bis jetzt erleben durften und fett in dem Sinne, wie wir das Wort bisher definiert haben. Felix Creutzig saß im aktuellen IPCC-Bericht an dem Kapitel, das sich mit den sozialen Aspekten der Bekämpfung des Klimawandels und einer Lebensstiländerung auseinandergesetzt hat. In Zukunft werden wir uns anders fortbewegen, anders heizen und anders ernähren – müssen! Wenn alle jetzt schon mit anpacken, wird es leichter. Aber: 3. DIE POLITIK MUSS JETZT VORRAUSSETZUNGEN SCHAFFENDie Verantwortung auf jede Einzelne und jeden Einzelnen abzuschieben, das funktioniert so leider nicht. Weichenstellung muss auf vielen Ebenen erfolgen – vor allem diesen drei: - Verhaltensänderungen – z.B. der Konsum von weniger Fleisch
- Relevante Infrastrukturen schaffen – z.B. neue Fahrradwege und Sammeltaxi-Angebote
- Übernahme von Endnutzungstechnologien – z.B. der Einbau von Wärmepumpen in Häusern
🚇🚌Das derzeit vielbesprochene 9-Euro-Ticket ist da ebenfalls ein ganz gutes Beispiel: Eine Verhaltensänderung (1.) vom Individual- zum Nahverkehr wird durch die Menschen in Deutschland nicht automatisch passieren. Es braucht Infrastruktur (2.): Eine Ticket-Infrastruktur, die für fast alle bezahlbar ist (9-Euro-Monatsticket), eine Finanzierungsinfrastruktur für die Verkehrsunternehmen und eine Investition in die Verkehrsinfrastruktur: Neue Linien, engere Takte, höhere Kapazitäten. Auch Technologien (3.) spielen eine Rolle: Zum Beispiel autonom fahrende Systeme oder digitale Auf-Abruf-Angebote, um einen effektiveren Nahverkehr im ländlichen Raum zu ermöglichen. ✈️
Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Lösungen noch nicht auf dem Tisch liegen. Einer der größten Punkte ist die Luftfahrt. Elektro-Flugzeuge eigenen sich derzeit nur für Kurzstrecken und E-Fuels als Treibstoff sind auch nur eine halbe Lösung. Hier müssen Forschung und Entwicklung ranklotzen, um uns künftig ein nachhaltigeres Reisen zu ermöglichen. Und auch dafür Förderung und Voraussetzungen schaffen.
4. KEINE STEINZEIT, SONDERN MEHR LEBENSQUALITÄT FÜR ALLESehen Sie es mal so: Ein Weiterwiebisher ist sicherlich der bequemste Weg, aber – abgesehen von seinen katastrophalen Folgen – auch der langweiligste. Felix Creutzer findet, die Abkehr der Klimakrise sei "machbar, ohne in die Steinzeit zurückzufallen". Sondern vielmehr in ein System zu fallen, "indem wir eine bessere Lebensqualität haben." Also: Architektur mit grünen Fassaden, weniger schlechte Luft in Innenstädten, spannende neue Gerichte auf dem Teller – der Umwandlungsprozess zu einer klimapositiven Gesellschaft kann aufregend sein.
Mehr dazu, Termine etc. hier |
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