Tagesspiegel hier Von Imke Wrage 04.04.2022
Folgen der Klimakrise
Von Südafrika über Mosambik bis in die Arktis: Theresa Leisgang besuchte die Plätze, an denen der Klimawandel sich schon heute stark bemerkbar macht. Ein Interview.
Theresa Leisgang, 33, ist Journalistin und Campaignerin. Sie erkundet die Verbindungen zwischen Menschenrechten und Klimakrise, zwischen Landwirtschaft und Artensterben, zwischen indigenem Wissen und imperialer Lebensweise.
...Raus in die Welt, das hieß bei Ihnen letzlich: Acht Monate lang von Südafrika bis in die Arktis, tausende Kilometer über Land durch die Klimazonen. Genau das haben Sie 2020 zusammen mit dem Journalistin Raphael Thelen gemacht. Wie kam es dazu?
Wir wollten nicht mehr nur hier und da mal über die Klimakrise berichten. Es brauchte nicht noch einen Tweet, noch eine Kampagne, noch eine Reportage. Wir wollten das große Ganze verstehen und zeigen – und persönliche Antworten finden auf die drängenden Fragen unserer Zeit. Also beschlossen wir, dorthin zu fahren, wo sich der Klimawandel schon heute stark bemerkbar macht.
Was sind die drängenden Fragen, von denen Sie sprechen?
Wie
sieht der Klimawandel aus und wer ist wie stark davon betroffen?
Sprechen wir genug über den gesellschaftlichen Wandel, über persönliche
Ängste und Überforderung, anstatt nur über abstrakte Themen wie
Energiewende und Emissionshandel? Also: Was können wir gegen die Krise
tun, als junge Menschen Anfang Dreißig, aber auch als Weltgemeinschaft?
Wer müssen wir sein auf dem Weg in eine klimagerechte Welt? Wir wollten
ein Fenster in die Welt von all denen öffnen, für die die Auswirkungen
der Krise jetzt schon die Realität sind – und ihre Geschichten
erzählen.
Ihr Fenster in die Welt ist das Buch „Zwei am
Puls der Erde“ geworden, 2021 erschienen, eine Art Zusammenfassung Ihrer
Reise. Darin schreiben Sie: „Radikaler Wandel entspringt meist an den
Rändern.“ Was heißt das?
Die Personen, die vom Klimawandel
am stärksten bedroht sind, sind meist für uns in Deutschland wenig bis
gar nicht sichtbar. Dabei sind sie es, die neue Ideen entwickeln und
einen Weg nach vorn aufzeigen. Deshalb wollten wir genau diese Menschen
finden und sprechen.
Startpunkt Südafrika: Warum?
In Kapstadt gab es 2017/2018 eine Jahrhundertdürre. Menschen sorgten sich vor einem „Day Zero“,
an dem kein Wasser mehr aus den Leitungen fließt. Der Lösungsansatz
lautete: kollektiver Verzicht. Es ist schwer, sich vorzustellen, nur 25
Liter Wasser am Tag für eine ganze Familie zu haben. Wenn ich meinen
eigenen Verbrauch berechne, komme ich auf weit über hundert Liter. Wir
wollten verstehen, wie kollektiver Verzicht funktioniert – und wie sich
Krisen auch in Zukunft gemeinschaftlich angehen lassen. Die Prognose
lautet ja, dass solche Dürren an vielen Orten weltweit immer häufiger
und länger auftreten werden.
Was haben Sie gesehen und erlebt?
Ich
habe Menschen gesehen und erlebt, die in der Krise zusammenhalten.
Gemeinschaften, die es schaffen, kollektiv zu verzichten – egal wie
reich oder priviligiert die einzelnen Personen sind. Es wurden in
Kapstadt Facebook-Gruppen wie die “Water Warriors” gegründet, in denen
sich Menschen gegenseitig unterstützten. Sängerinnen und Rapper aus der
Stadt nahmen zweiminütige Lieder auf. Die liefen als Orientierung im
Radio, denn länger sollten Menschen in Zeiten der Dürre dort nicht
duschen. In Mosambik habe ich ähnlichen Zusammenhalt erlebt.
Ein Jahr bevor Sie nach Mosambik reisten, hatte der Zyklon „Idai“ eine Schneise der Verwüstung durch das Land gezogen. Viele Menschen starben, verloren ihr Zuhause, jede Perspektive.
Viele
Menschen sind noch stark mit dem Wiederaufbau ihrer Dörfer und der
Infrastruktur beschäftigt. Wir haben aber auch mit Frauen gesprochen,
die sich in einem feministischen Netzwerk organisiert haben, die schon
weiter gedacht haben als nur an den Wiederaufbau. Nachhaltiger.
Nachhaltiger? Inwiefern?
Eines der zentralen Probleme in Mosambik ist, dass Frauen weniger Rechte haben.
Im patriarchalen System tragen sie die Sorgearbeit für die Familie. Im
Falle einer Naturkatastrophe wächst die Belastung und der Aufwand für
Frauen zusätzlich – wenn sie sich überhaupt in Sicherheit bringen
konnten, ihre Kleidung hindert sie daran, schnell zu rennen – und anders
als Männer müssen sie auch noch ihre Kinder vor dem Hochwasser retten.
All diese strukturellen Probleme gucken sich die Frauen aus dem
feministischen Netzwerk an, um für kommende Stürme besser gewappnet zu
sein und das Zusammenleben im Dorf zu verbessern.
Empfinden
die Menschen, denen Sie begegnet sind, als ungerecht, dass sie zur
Klimakrise am wenigsten beitragen, aber die stärksten Auswirkungen
spüren?
Ich habe da mit Antonia, einer sehr beeindruckenden
Frau aus einem Dorf in Mosambik, drüber gesprochen. Sie sagt: Ja,
natürlich ist das nicht richtig – die reichen, westlichen Staaten
sollten Reparationen zahlen, damit die Menschen im südlichen Afrika sich
an das neue Klima anpassen können. Trotzdem hält sich Antonia mit
solchen Gedanken nicht lange auf. Sie ist eine, die anpackt, die nach
Lösungen sucht.
Was ist ihre Art, der Krise zu begegnen?
Antonia
ist eine kreative Frau, die Bäume und Heilkräuter pflanzt, eine
Milch-Kooperative gestartet hat und Mikrokredite an Frauen im Dorf
verteilt, damit die sich kleine Business-Modelle aufbauen können. Mit
dem Ziel, dass der nächste Sturm nicht so viele Häuser wegreißt, hat sie
zusammen mit anderen rund 890 Hektar Land mit Mangroven-Bäumen
bepflanzt und zieht in ihrem Garten Cashew-Setzlinge. Die Setzlinge will
sie später im ganzen Dorf verteilen, um eine Ernte zu gewährleisten.
Bis die Setzlinge groß sind, dauert es Jahrzehnte. Aber man muss jetzt
damit anfangen. Diese Weitsicht hat mich beeindruckt. Vielen Menschen in
ihrem Dorf macht das Hoffnung. Ich glaube: Um der Klimakrise zu
begegnen, müssen wir mehr Frauen wie Antonia zuhören.....
Die Menschen im Globalen Süden sprechen schon ganz lange und auf unterschiedlichen Plattformen – nur eben nicht auf denen, die auch uns hier in Deutschland erreichen. Als Journalistin kann ich eine Art Verstärker sein, um den Geschichten zu Lautstärke zu verhelfen. Und trotzdem hebt das natürlich die Machtdynamik nicht auf, dass ich als weiße, privilegierte Person die Geschichte erzähle.....
Wenn Sie auf die Reise durch Afrika zurückblicken: Welche zentrale Erkenntnis haben Sie für sich mitgenommen?
Es
ist wichtig, sich darauf zu konzentrieren, wie wir CO2 reduzieren
können. Aber dadurch werden wir der Klimakrise nicht begegnen. Deshalb
ist es unbedingt nötig, gleichzeitig über Anpassungen zu sprechen und zu
forschen, wie betroffene Länder mit den Auswirkungen umgehen können.
Das Wissen von lokalen Gemeinschaften, von Indigenen, von Frauen, eben
das Wissen von den Rändern, ist im Angesicht der Krise niemals durch
Studien aus dem Labor zu schlagen. Der Klimawandel passiert nicht in
Zukunft. Er ist jetzt da – und geht uns alle etwas an. Wir alle werden
nicht in Frieden leben können, wenn wir weitermachen wie bisher
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