Dienstag, 19. April 2022

Presseartikel :Professor muss wegen Baumbesetzung 4000 Euro zahlen

3 Artikel aus verschiedenen Presseorganen  zum Professor auf dem Baum

Spiegel  hier 

Klimaprotest an der Hochschule Ravensburg-Weingarten

Klüger heizen: Dafür protestierte der Leiter für Künstliche Intelligenz an einer Hochschule in Baden-Württemberg. Ein Gericht hat gegen den Mann nun ein Bußgeld verhängt. Erfolg hatte er mit seiner Aktion trotzdem.

Die Richter folgten demnach der Darstellung des Hochschullehrers Wolfgang Ertel nicht, der als Leiter des Instituts für Künstliche Intelligenz an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) fungiert.
Ertel hatte argumentiert, dass er mit der Besetzung eines Baums und dem Anbringen eines Banners an der RWU im Mai 2021 aus Notwehr gehandelt habe, weil er auf Missstände aufmerksam machen wollte. Er gestand die Tat den Angaben nach, bestritt aber die Strafbarkeit seines Handelns. Aus Sicht der Richter hätte Ertel sein Ziel auch erreichen können, indem er die Versammlung angemeldet hätte.

Zusammen mit Klimaaktivisten hatte Ertel mit der Aktion unter anderem gefordert, dass die Heizungen in den Hörsälen an der RWU nicht mehr permanent laufen, sondern intelligent gesteuert werden sollen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vor und ließ ihm einen Strafbefehl mit Geldstrafe zukommen. 
Weil Ertel Einspruch einlegte, landete der Fall vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 5000 Euro gefordert und hat nach Angaben des Gerichts bereits Berufung eingelegt.

Verurteilt – aber trotzdem erfolgreich
Abseits des Rechtsstreits hatte der Professor dagegen bereits Erfolg. Nach der Aktion erhielt Ertel einen Anruf von Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Das Ministerium kündigte an, »Optimierungspotenziale« beim Energiemanagement an der Hochschule zu prüfen.


aus der Schwäbischen Zeitung   Von Stefanie Rebhan  hier

Professor muss 4000 Euro Strafe zahlen
Wolfgang Ertel von der RWU verstößt mit Baumbesetzung gegen Versammlungsgesetz

Die beiden Verteidiger des Hochschulprofessors plädierten vor dem Gericht auf Freispruch, während die Staatsanwaltschaft eine Strafe von 5000 Euro forderte. Sie hat nach Angaben des Gerichts bereits Berufung eingelegt. Auch Wolfgang Ertel, Leiter des Instituts für Künstliche Intelligenz, wird das Urteil vermutlich anfechten, wie er sagt. 

„Wir haben mit unserer Aktion niemanden belästigt. Hier spielen nur Formalitäten eine Rolle und nicht das, was dahintersteckt“, so Ertel. Er sei nicht auf die Idee gekommen gegen ein Versammlungsgesetz verstoßen zu haben, als er mit zwei Klimaaktivisten an einem Dienstag auf dem Hochschulcampus ein Banner zwischen zwei Bäumen gezogen habe. Ertels zwei Verteidiger gaben an: Selbst Trunkenheit im Verkehr oder kleine Diebstähle würden nicht so hart bestraft werden.

Für Staatsanwalt Peter Spieler war hingegen klar, dass Ertel und seine beiden Begleiter - von denen einer bereits eine Strafe über 4000 Euro erhalten und bezahlt habe - gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben. „Man kann nicht sagen: Ich bin der Gute, darum gehen mich Regeln nichts an. Ansonsten hat Wolfgang Ertel den Rechtsstaat nicht begriffen“, sagte Spieler. In der Rolle als Professor sei er seiner Vorbildfunktion nicht nachgekommen. Zudem habe er gegen die damalige Corona-Ausgangssperre verstoßen. Schuldgefühle seien bei Ertel keine zu finden, darum müsse man ihm zeigen, „dass es so nicht geht“.

Ertel hätte die Aktion anmelden müssen und hätte allein durch eine Google-Recherche die Regeln des Versammlungsgesetzes einsehen können, so Richter Klaus Ferstl bei seinem Urteilsspruch. Er habe als Organisator fungiert und auch die Presse eingeladen. „Für ihn spricht, dass er die Tat gestanden hat, dass die Sicherheit gewährleistet war und dass es um ein nachvollziehbares Thema ging. Er hat nur die falsche Durchführung gewählt“, sagte Ferstl.

Der Professor hat nicht ernsthaft mit einem Freispruch gerechnet - aber auch nicht mit einem so hohen Strafmaß. „Ich bin schockiert über den inneren Widerspruch. Die Ministerin lobt mich, und hier geht es um Haarspalterei“, sagte Ertel. ....

Sein Bestreben sei es nun, dass die „Scientists for future“ - ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen - in direkte Gespräche mit der Kommunalpolitik kommen. Er wäre froh darüber, nie mehr auf einen Baum klettern zu müssen.


im Südkurier  hier
19.04.2022  |  ELISA-MADELEINE GLÖCKNER ELISA.GLOECKNER@SUEDKURIER.DE

Der Professor muss zahlen

Wolfgang Ertel ist Professor, Philanthrop und Rammbock für den Klimaschutz. Er kletterte auf eine Trauerweide, um der Welt zu zeigen, dass sie ihre Basis zerstört. Diese Haltung sollte Ertel aber am Ende bezahlen: 4000 Euro waren es, die die Staatsanwaltschaft in einem Strafbefehl gefordert hatte, weil er eine nicht angemeldete Versammlung geleitet haben soll.
Das fand der Professor ungerecht – so zog er vor Gericht.

An diesem Dienstag nach Ostern scheint Saal 8 des Ravensburger Amtsgerichts zu eng für das Medieninteresse am Prozess. Der Protagonist, 63, dunkle Jeans, rotes Halstuch, gibt sich zufrieden, er hatte eingeladen. Wolfgang Ertel sucht die Bühne – der Richter gibt sie ihm. „Mir geht es um die Sache, nicht um die Rebellion per se“, erklärt er sich auf der Anklagebank. Konkret geht es um den 11. Mai 2021. Damals, so referiert es die Staatsanwaltschaft, soll er gemeinsam mit zwei Klimaaktivisten der Bewegung „Fridays For Future“ auf einen Baum auf dem Campus der Hochschule Ravensburg-Weingarten gestiegen sein, wo er „medienwirksam auf dem Seil herumturnte und posierte“, mit Bannern und Botschaften.

Dem widerspricht Ertel nicht. Ein Anstecker dekoriert seine Brust: „Scientists for Future“, Wissenschaftler für die Zukunft. Mit so viel Idealismus am Herzen erzählt der 63-Jährige, was ihn dazu bewegt hat. Er sagt, dass sich die Menschheit in einer Lage befindet, die existenzbedrohlich sei. Dass sie nur noch 300 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre ausstoßen darf, damit die Folgen des Klimawandels nicht ganz so heftig würden. Und dass technische Innovationen nicht helfen, die sich zuspitzende Lage abzumildern.

Auf die Trauerweide gebracht aber hat ihn auch ein anderes, ein banaleres Problem. Durch Zufall habe er vor vielen Jahren feststellen müssen, dass die Heizkörper seiner Hochschule immer in Betrieb seien, sogar in den Winterferien. „Meine Mutter hat mir beigebracht zu sparen, das ist in mir drin.“ Ertel wollte das Problem also angehen, lief jedoch jahrelang gegen die Wände eines starren Systems, wie er schildert.

Er sprach mit dem technischen Betriebsleiter der Hochschule, fragte dort, ob die Hausmeister die Heizkörper vor Ferienbeginn ausschalten könnten. Weil das Personal aber angeblich überlastet gewesen sei, habe er selbst, teils mit Kollegen, Heiligabend-Vormittage damit verbracht, durch die Säle zu ziehen, um die Heizungen abzudrehen. Jahr für Jahr.

Dann wollte Ertel eine Software implementieren, die Heizkörperthermostate in den Hörsälen vollautomatisch ein- und ausschaltet. Eine Idee, die er als Nachhaltigkeitsbeauftragter der Hochschule vorantrieb. Er startete ein Pilotprojekt, sprach mit Ämtern, zwei Hochschulen, drei Ministerien. Vergeblich. Die Heizungen blieben warm, Wolfgang Ertel frustriert. „Das ist Energie, die ich sinnvoller einsetzen kann.“

So kam es, dass Ertel an jenem 11. Mai – es waren die Nachhaltigkeitswochen an den Hochschulen des Landes – auf die Trauerweide gleich neben seinem damaligen Büro stieg. Mit Plakaten über Heizpolitik und Sicherheitsgurten um die Hüften. Ein eher kurzfristiges Vorhaben, das er nur Tage zuvor mit zwei Klimaaktivisten geplant hatte und spontan sogar abändern musste. „Wir haben niemanden gestört, niemanden behindert.“

Ein Aspekt, den der Richter auch positiv wertet. Doch hätte Ertel sein Ziel auch erreichen können, indem er die Versammlung angemeldet hätte. Als Hochschulprofessor habe er Vorbildfunktion, sein Handeln könnte einen Nachahmereffekt auf seine Studierenden haben. Er verurteilt den Wissenschaftler zu einer Geldstrafe. Wieder 40 Tagessätze, wieder 4000 Euro. Damit allerdings bleibt der Richter noch unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die sich für 50 Tagessätze aussprach. Beide Seiten, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, haben Rechtsmittel angekündigt.

Und Wolfgang Ertel? Der ist enttäuscht. Vor allem weil er findet, alles richtig gemacht zu haben. Er hätte ja den Beweis, erklärt er noch vor Gericht. Seine Hochschule hätte inzwischen die Stelle eines Klimaschutzmanagers ausgeschrieben, eine zweite soll folgen. Außerdem hat sie bereits eine intelligente Heizungssteuerung in einem Gebäude eingebaut. Dazu kommt, dass Ertel die Unterstützung von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer habe, die ihm in einem Schreiben, das im Saal 8 vorgelesen wird, Lob ausspricht. Die Baum- aktion, sagt er, hätte in kurzer Zeit mehr bewirkt als zehn Jahre Dienstweg. Sein Fazit: „Manchmal muss man als Professor eben auf einen Baum klettern.“

Das lesen Sie zusätzlich online

Als der Professor auf einen Baum kletterte – Wolfgang Ertel muss vor Gericht:

www.sk.de/11045126 


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