Ein sehr guter Bericht zum Thema Lebensmittelverschwendung mit sehr vielen ermittelten Zahlen.
Danke dafür, lieber Südkurier, denn es ist wichtig nicht nur über Lebensmittelverschwendung zu schimpfen, sondern sich notfalls an der eigenen Nase zu fassen, um Gewohnheiten zu ändern!
Es ist zu wünschen, dass Minister Özdemir endlich seine Ankündigungen wahr macht, um die Verschwendung auch durch politische Vorgaben einzubremsen.
28.04.2022 |
In Deutschland landen zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr im Müll. Weltweit sind es sogar unglaubliche 1,3 Milliarden Tonnen. Das ist in Summe ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel. Eine Katastrophe angesichts der Tatsache, dass laut Welthungerhilfe alle dreizehn Sekunden ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger stirbt und bis zu 811 Millionen Menschen hungern. Zudem geht damit eine enorme Verschwendung von Ressourcen wie Wasser, Energie, Arbeit oder Land einher. Laut einer Rechnung des WWF bedeutet dies für Deutschland, dass jährlich 2,6 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche völlig zwecklos bewirtschaftet werden. Eine Fläche, die der Größe von Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland zusammen entspricht. Hinzu kommt, dass durch die Produktionskette von Lebensmitteln jährliche Treibhausgasemissionen in Höhe von 18 Milliarden Tonnen CO2 entstehen.
Sehr viel Müll aus Haushalten
Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) entsteht mit 52 Prozent etwas mehr als die Hälfte aller Lebensmittelabfälle in Deutschland in privaten Haushalten. Pro Person landen demnach jährlich 75 Kilogramm Essen in der Tonne. Als Hauptgründe nannten Befragte in einer Umfrage des BMEL zu groß bemessene Portionen, falsche Mengenplanung beim Einkauf sowie das Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums. Riesige Mengen von Lebensmitteln landen auch bei der Verarbeitung im Müll. Hier entstehen mit 2,2 Millionen Tonnen etwa 18 Prozent der Abfallmenge.
Die Primärproduktion, zu der Anbau und Ernte zählen, verantwortet mit 1,4 Millionen Tonnen 12 Prozent des Lebensmittelabfalls in Deutschland. Die Gründe hierfür sind viefältig. Oftmals wird ein Teil der Produkte aus ökonomischen Gründen oder aufgrund der Erntetechnik erst gar nicht geerntet. Oder die Produkte werden auf dem Feld, im Lager, beim Transport oder in der Verarbeitung beschädigt. Aber auch Überproduktion und Schädlingsbefall können Gründe sein. Zudem entsprechen die Lebensmittel oftmals schlichtweg nicht den Marketing- oder Hygiene-Standards und den Vorstellungen der Konsumenten und werden deshalb entsorgt.
Auch
die Außer-Haus-Verpflegung, also Restaurants, Hotelleriebetriebe,
Kantinen oder Gesundheitseinrichtungen, spielt bei der Produktion von
Lebensmittelabfall eine wesentliche Rolle.
Mit 1,7 Millionen Tonnen Müll
verantwortet diese einen Anteil von 14 Prozent der Summe an Essensmüll.
Die Ursachen der Entstehung hierfür liegen meist in einer fehlerhaften
Einkaufsplanung und Lagerung sowie in der Überproduktion und hohen
Anforderungen an das Aussehen der Ware. Ähnliche Qualitätskriterien
tragen auch dazu bei, dass mit 0,5 Millionen Tonnen ein Teil (4 Prozent)
an Lebensmittelmüll im Handel entsteht. Meist sind es Kundenwünsche
nach einer möglichst breiten und ansprechenden Auswahl sowie bestimmte
Produktvorgaben, die dafür sorgen, dass Lebensmittel nicht
vermarktungsfähig sind oder schließlich liegen bleiben und entsorgt
werden. Aber auch Probleme mit der Logistik, der Kühlkette oder der
Lagerung sind daran schuld.
Auch die Optik spielt ein Rolle
Die Deutsche Umwelthilfe sieht eine wesentliche Verantwortung in der Produktion und im Handel. Zwar fänden laut offiziellen Zahlen nur vier Prozent der Verschwendung auf Handelsebene statt, doch spiele der Handel besonders als Schnittstelle zwischen Produktion und Konsum eine tragende Rolle.
„Die Vorgaben des Handels, etwa für eine perfekte Optik des Brokkoli-Strunks, können dazu führen, dass tonnenweise Brokkoli vernichtet wird, obwohl der Strunk geschält wird. Auch die Marketingstrategien des Handels führen zu Lebensmittelverschwendung. So werden teilweise über Angebote und Rabattaktionen, wie etwa für XXL-Abpackungen, Anreize gesetzt, mehr zu kaufen, als man selbst verbrauchen kann. Vieles davon landet dann oftmals in der Tonne“, so Thomas Grafe von der Deutschen Umwelthilfe.
Besonders in der
Produktion sei die Dunkelziffer der Lebensmittelverschwendung groß.
Ein
Grund dafür läge bei den EU-Berichtsvorgaben aus Brüssel. „Bestimmte
Lebensmittel werden in den frühen Produktionsphasen nicht als solche
definiert und fallen deshalb durchs Raster. Dazu gehören unter anderem
ungeerntete Lebensmittel, die wieder untergepflügt werden oder Tiere,
die noch vor der Schlachtung verenden. Es deutet zudem vieles darauf
hin, dass die bisher in der Landwirtschaft veranschlagten 1,4 Millionen
Tonnen einen Großteil der Verluste ausblenden“, so Grafe.
Eine Teillösung des Problems würden gesetzliche Rahmenbedingungen nach dem Vorbild anderer Länder sein. Wie etwa Frankreich, wo unverkaufte Lebensmittel künftig nicht mehr weggeworfen werden dürfen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf solle zudem dafür sorgen, dass Supermärkte in Frankreich ihre nicht verkauften Lebensmittel an Wohltätigkeitsorganisationen spenden. Auch in Italien und Großbritannien gibt es bereits ähnliche Gesetze. Die Deutsche Umwelthilfe fordert ein ähnliches Gesetz für Deutschland, aber mit besseren Kontrollmechanismen.
„Die Beteiligten aller Branchen sollten nachweisen müssen, dass sie alle Maßnahmen ergriffen haben, um Lebensmittel korrekt zu verwerten. Frankreich hat spät entdeckt, wie wichtig eine Überwachung des Wegwerfstopps durch eine dafür verantwortliche Behörde ist, und diese erst jetzt beschlossen. Zudem wurde das Gesetz erst im Nachhinein im Geltungsbereich auf Kantinen ausgeweitet. Auch daraus können wir lernen und Kantinen sowie andere Lebensmittelunternehmen, wie zum Beispiel die Verarbeitung, gleich einbeziehen“, sagt Thomas Grafe von der Deutschen Umwelthilfe.
Verantwortung des Konsumenten
Wie man das Blatt auch wendet, eine Rolle spielt auch das mangelnde Bewusstsein des Konsumenten. Zum einen verschuldet er mehr als die Hälfte der Gesamtabfallmenge und zum anderen sorgt er mit Anspruch und Konsumverhalten in allen Teilen der Kette für eine Vergrößerung des Mülls. Umweltorganisationen empfehlen Konsumenten daher, überlegt einzukaufen und bedacht zu kochen. Man solle sich einen Überblick über die Vorräte bewahren, Mahlzeiten im Vorfeld planen und beim Einkaufen eine Liste verwenden. Beim Kochen sollte man besonders auf die Menge achten und Reste in neuen Gerichten verarbeiten anstatt sie wegzuwerfen. Aufklärung und Information für Konsumenten bietet die Initiative „Zu gut für die Tonne“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Das lesen Sie zusätzlich online
Bett-Kochtopf, Erd-Kühlschrank, Sonnen-Dusche: Ungewöhnliche Ideen zum Energiesparen: www.sk.de/11122057
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