Sonntag, 24. April 2022

Essensmüll – wie wir Lebensmittel retten können

Quarks Daily Spezial Folge 16  hier   16. Oktober 2021 


Ein Drittel aller Lebensmittel landet in der Tonne. Verantwortlich dafür sind alle entlang der Versorgungskette – Hersteller, Supermärkte und Privathaushalte. Wie groß ist das Problem wirklich? Wie wirkt sich Lebensmittelverschwendung aufs Klima aus? Und welche Hebel haben wir, um etwas zu verändern?


In Deutschland geht mehr als die Hälfte der Lebensmittelabfälle auf das Konto der privaten Verbraucher:innen. Eine Studie des Thünen-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft schätzt den Anteil der privaten Haushalte auf 52 Prozent.
Obwohl Essen wegzuwerfen als unmoralisch gilt, schmeißt jeder Deutsche durchschnittlich 75 Kilo Essen pro Jahr in den Müll. Allerdings ist etwas mehr als die Hälfte der Abfälle unvermeidbar. Er besteht nämlich aus Küchenabfällen wie Schalen, Knochen oder anderen nicht essbaren Teilen.


Darum landen Lebensmittel in der Tonne

Die Gründe für die Lebensmittelverschwendung in privaten Haushalten sind zahlreich. Wir greifen zu Großpackungen und lassen uns von Billigangeboten verleiten. Außerdem wissen wir zu wenig über unser Essen – weder wie wir es richtig lagern noch wie lange es genießbar ist. Noch immer wird das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) mit dem Verbrauchsdatum verwechselt. Dabei dient das MHD lediglich als Marker. Es gibt an, wie lange der Hersteller haftet. Nach Ablauf des MHD sind die Produkte oft weiter genießbar. Supermärkte sortieren die Produkte allerdings häufig aus.


Diese Rolle spielt der Handel

Die Supermärkte verursachen offiziell nur vier Prozent der Lebensmittelabfälle.
Ein Grund: In Deutschland ist es schon lange üblich, dass Lebensmittelläden mit den Tafeln kooperieren und Produkte spenden, die nicht mehr verkauft werden. Dennoch müsste sich auch in diesem Bereich etwas verändern, wenn wir die Lebensmittelverschwendung reduzieren wollen. Denn der Handel beeinflusst mit seinen Marktpraktiken die Landwirtschaft – zum Beispiel indem er von den Landwirt:innen fordert, ausreichend „Qualitätsware“ zu liefern. Wobei die Qualitätsanforderungen im Handel nur wenig damit zu tun haben, ob ein Lebensmittel gut im Sinne von genießbar ist.
Auch deshalb werden genießbare Lebensmittel als Tierfutter zweckentfremdet oder in Biogasanlagen verbrannt. Die Verbraucherzentrale sieht darin einen der Gründe für die systematische Überproduktion von Agrarprodukten.


Was Lebensmittelverschwendung mit dem Klima zu tun hat

Eine neue Studie der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) schätzt, dass die Lebensmittelverluste vor und während der Ernte besonders hoch sind. Doch diese Verluste gelten in Europa nicht als Lebensmittelverschwendung. Zum Beispiel krummes Gemüse, das auf dem Acker liegen bleibt. Oft werden solche Verluste noch nicht einmal erfasst. Dabei beeinflusst das, was wir nicht essen, das Klima genauso, wie das, was wir essen. Denn wenn Wälder Äckern und Weiden weichen müssen, gehen sie als CO2-Speicher verloren und es wird Kohlendioxid freigesetzt. Während der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt, werden die Flächen knapp.


Könnten unsere Essensreste hungernde Kinder satt machen?

Was wir wegwerfen, könnte rein rechnerisch viele hungernde Menschen satt machen. 
Allerdings gibt es keinen Automatismus. Der Zusammenhang zwischen Lebensmittelverschwendung und Ernährungssicherheit ist eher indirekt. So ist die Lebensmittelverschwendung nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und des WWF für acht bis zehn Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Wenn durch den Klimawandel Wetterextreme zunehmen, hat das vor allem auch Einfluss auf die Länder des globalen Südens. Und Naturkatastrophen führen seit jeher zu Hunger.


DIE MACHER:INNEN

Hannah Rau hat Literaturwissenschaften und Geschichte studiert.
Als Journalistin spürt sie nach, wie unser Verhalten heute die Geschichte von morgen schreibt.

Sebastian Sonntag ist leidenschaftlicher Radiomoderator und Quarks-Daily-Host.

 


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