Donnerstag, 28. Juli 2022

Essenretter*innen zu 10 Sozialstunden verurteilt

Pressemitteilung vom 28.7.22

Am heutigen Donnerstag, den 28.07.2022, fand die Fortsetzung des Prozesses gegen die zwei Essensretter*innen vor dem Amtgericht Ravensburg statt. Am ersten Prozesstag, am 07.07.2022, hatten die Angeklagten Samuel Bosch (19) und Charlie Kiehne (20) darauf bestanden, dass die Staatsanwaltschaft ausreichend Beweise für eine Verurteilung vorlegt, denn dies war aus ihrer Sicht nicht der Fall. Vorgeworfen wurde den beiden Diebstahl, da sie im Februar weggeworfene Lebensmittel aus den Mülltonnen von Supermärkten nahmen

"Ich bereue zutiefst, dass ich gutes Essen aus der Tonne gezogen und an Bedürftige verteilt habe. Dabei hätte es so schön in der Tonne vergammeln können und anschließend energieaufwendig in der Müllverbrennungsanlage verbrannt werden können. Durch meine Untat hat es Bedürftige gesättigt, obwohl die doch eigentlich hungern hätten sollen. Ja, da habe ich gesündigt!" so Samuel Bosch (19) nach der Verhandlung. 

Zum zweiten Termin waren drei weiter Zeug*innen geladen worden, darunter die Person, die die Tat bei der Polizei gemeldet hatte und eine Mitaktivistin, welche in der Tatnacht dabei war. So wollte die Staatsanwaltschaft, die von den Essensretter*innen geforderte, Klarheit zu den Vorwürfen schaffen.

Die Mitaktivistin fiel leider krankheitsbedingt aus, die restlichen Zeug*innen konnten auch keine neuen Erkenntnisse liefern. Da das Gericht auf eine Zeugenvernahme der Aktivistin bestand, entschieden sich Kiehne und Bosch dazu ein Geständnis abzugeben. 

"Wir wollen nicht, dass Menschen, die uns unterstützen in so eine Konflikt Situation kommen und gegen uns aussagen müssen, da belasten wir uns lieber selbst. Ein Ziel haben wir auf jeden Fall erreicht, die Staatsanwaltschaft hat dazu gelernt und sich um relevante Beweise gekümmert, genau das war unsere Bedingung für eine Verurteilung." erklärt Charlie Kiehne (20). 

Die Staatsanwaltschaft machte außerdem klar, dass die Lebensmittel nicht durchgehend gekühlt worden seien und damit eine "Gesundheitsgefährdung" bestehe. Aus Sicht der Essenretter*innen spricht die Staatsanwaltschaft damit den Menschen die Fähigkeit, schlechte Lebensmittel von guten zu unterscheiden, ab. Die Richterin bestärkte die Aktivist*innen in  diesem Punkt: "Aus meiner Sicht ist die Gesundheitdsgefährdung fraglich" so Dr. Schneider in der mündlichen Urteilsbegründung. 

Am Ende der Verhandlung wurden die zwei Angeklagten zu je 10 Sozialstunden verurteilt. Diese müssen sie bis zum 30.09.2022 ableisten. Die Essensretter*innen machen in ihrem letzten Worten klar, dass sie eine Verurteilung nicht davon abhalten wird weiter Lebensmittel zu retten.  

Vor, während und nach der Verhandlung wurde erneut gerettetes Essen vor dem Amtsgericht verteilt.


auch die Bildschirmzeitung berichtet hier

Dort wurde noch Folgendes ergänzt:

Die Zahl der Menschen, die von Armut in Deutschland betroffen sind, betrug laut dem Paritätischen Armutsbericht 2021 13,8 Millionen Personen. Das ist faktische jeder Sechste:r in der Bundesrepublik. Gleichzeitig werden statistisch von jeder Verbraucherin und jedem Verbraucher 75 kg an Lebensmitteln im Jahr weggeworfen. Somit landen 46,5 Millionen Tonnen an Lebensmitteln im Müll. „Dieses Gesetz, das das Retten von Lebensmitteln bestraft, gehört in den Müll, forderten die Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude.


Bericht in der Schwäbischen hier

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