Deutschlandfunk hier vom 19.07.2022
Ob Energiekrise, schlechte Luft oder weniger Verkehrstote: Ein Tempolimit könnte einigen relevanten Problemen entgegenwirken. Auch das Stresslevel und die Verkehrssicherheit dürften sich verbessern. Fakten und Zahlen zu den Auswirkungen von Tempobegrenzungen.
In der Debatte um Sparmaßnahmen infolge der Energiekrise wird erneut über ein Tempolimit auf Autobahnen oder auch einen autofreien Sonntag gesprochen. Für ein zumindest befristetes Tempolimit zeigen sich nun auch Teile der CDU offen, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung eigentlich ablehnen.
Was haben die britische Insel Isle of Man, Nepal, Nordkorea, Haiti, Mauretanien und Deutschland gemeinsam? Sie gehören zu den wenigen Orten der Erde, in denen es keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gibt. Hierzulande ist die Forderung „Tempo 130“ für manche immer noch ein Reizthema. Dabei gilt durchaus der Grundsatz: Je langsamer die Geschwindigkeit, desto größer die Vorteile.
Wie viel CO2 könnte durch welches Tempolimit eingespart werden?
Ein generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen könnte die Treibhausgasemissionen jährlich (je nach Ausgestaltung) um 1,9 bis 5,4 Millionen Tonnen verringern. Das hat das Umweltbundesamt (UBA) in einer Studie ermittelt.
Nach den Berechnungen hätten die folgenden Tempolimits ein unterschiedliches jährliches Einsparpotenzial:
130 km/h = 1,9 Millionen Tonnen (CO2-Äquivalente)
120 km/h = 2,6 Millionen Tonnen
100 km/h = 5,4 Millionen Tonnen
Zur Einordnung: Die mittlere Einsparung (Tempolimit 120) entspricht rund 6,6 Prozent der jährlichen Emissionen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen auf Autobahnen.
Und wie viel emittiert der gesamte Verkehrssektor?
Weil durch Corona das Verkehrsaufkommen zeitweise gesenkt wurde, hier ein Vergleich mit dem Vorpandemie-Jahr 2019: Damals war der deutsche Verkehrssektor für rund 164 Millionen Tonnen Treibhausgase (berechnet als CO2-Äquivalente) verantwortlich und hat damit 20 Prozent zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands beigetragen.
Welchen Einfluss hätte ein Tempolimit auf die Luftqualität?
Verbrennermotoren erzeugen eine ganze Palette unterschiedlicher Abgase, die die Luftqualität mehr oder weniger stark belasten – zum Beispiel Stickoxide (NOx) wie Stickstoffdioxid (NO2), aber auch Feinstaub (PM10).
Stickoxide, die aus dem Verkehrsbereich freigesetzt werden, können in Kombination mit starker UV-Strahlung die Ozonwerte in der Atmosphäre ansteigen lassen. Ab ungefähr 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft löst das Gas Ozon beim Menschen verstärkt gesundheitsgefährdende Symptome aus – darunter Husten, Kopfschmerzen, tränende Augen und Schleimhautreizungen. Bei empfindlichen Personengruppen – wie Asthmatiker, Senioren, Kinder – können solche Folgen schon deutlich früher auftreten – ab etwa 100 Mikrogramm.
Was bedeutet das für den Autoverkehr?
Schnelles Fahren sorgt nicht zwangsläufig für mehr Schadstoffe. Ein Tempolimit kann dennoch einen reduzierten Ausstoß von beispielsweise Stickstoffdioxid bewirken. Allerdings führt das Bundesumweltamt dies auf einen Nebeneffekt zurück: Bei konstanter Geschwindigkeit wird weniger beschleunigt.
„Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass auch die Qualität des Verkehrsflusses einen großen Einfluss auf die Luftschadstoffbelastung hat. Kann eine Verstetigung des Verkehrsflusses erreicht werden, sind auch deutliche Reduktionen der Luftschadstoffe möglich“, schreibt das UBA in einer Untersuchung (Seite 14).
Eine weitere positive Folge: Durch eine gleichmäßigere Geschwindigkeit würden sogenannte Staus aus dem Nichts auf Autobahnen wahrscheinlich seltener.
In einigen Teilen Frankreichs wurde am 19. Juli 2022 das ohnehin bestehende Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen um weitere 20 km/h verschärft. Zusätzlich sollen Geschwindigkeits- und Schadstoffkontrollen durchgeführt werden, um zusätzliche Belastungen zu reduzieren. Grund: Hitzewelle und Waldbrände entlang der Atlantikküste haben die Luftqualität bereits verschlechtert.
Wie stark schont ein Tempolimit den Geldbeutel?
Je schneller ein Auto fährt, umso mehr Sprit verbraucht es – denn mit zunehmender Geschwindigkeit erhöht sich der Luft- und Roll-Widerstand eines Fahrzeugs. Oder andersherum: Je langsamer man unterwegs ist, desto weniger Benzin wird im Verhältnis zur Wegstrecke benötigt – und das schont auch das Portemonnaie.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes würde beispielsweise ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen (und zusätzlich 80 Stundenkilometern außerorts) deutschlandweit zu einer jährlichen Spritersparnis in Höhe von 3,5 bis 4,2 Milliarden Euro führen – abhängig davon, wie viele Menschen sich tatsächlich an die Vorgabe halten.
Welche weiteren Vorteile hat ein Tempolimit?
Verkehrssicherheit
Grundsätzlich gilt auch hier: Langsamer ist sicherer. Denn je schneller ein Fahrzeug unterwegs ist, desto länger dauert es, bis es auf null gebremst wird.
Zahlen aus dem Unfallatlas der statistischen Ämter des Bundes zeigen: Je eine Milliarde gefahrener Kilometer sind auf Autobahnabschnitten mit Tempolimit 0,95 Todesfälle zu verzeichnen. Auf Abschnitten ohne Tempolimit sind es 1,67 Unfälle mit Todesopfer – und somit rund 75 Prozent mehr.
Weniger Stress für ordnungsgemäß Fahrende
Wer auf der linken Spur ein anderes Auto überholen möchte und dabei 130 fährt, wird immer wieder von hinten bedrängt, schneller zu fahren oder die Bahn freizugeben. Große Tempounterschiede sorgen für Stresssituationen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass ausnahmslos alle Drängler durch ein Tempolimit ihr Naturell ändern würden, aber zumindest bestünde zusätzliche Abschreckung durch das Gesetz.
Einfache Umsetzbarkeit
Um ein Tempolimit durchzusetzen bräuchte es einen politischen Beschluss und eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung. Zusätzlich müssten die bisherigen Beschilderungen auf den Autobahnen angepasst und Aufhebungsschilder entfernt werden. Die notwendigen Investitionen würden sich also in Grenzen halten.
Wer ist für und wer gegen ein Tempolimit?
Einer Umfrage des Umweltbundesamts zufolge spricht sich die Mehrheit der Deutschen deutlich für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen aus.
Wiederum gegen ein Tempolimit werden die Interessen der deutschen Autoindustrie ins Feld geführt. „Es geht dabei um die Produktion von besonders schnellen, schweren und spritverschwendenden Fahrzeugen“, so die Einschätzung von Dlf-Wirtschaftsredakteur Georg Ehring. „Besonders diese Fahrzeuge werden von deutschen Herstellern stark verkauft – damit geht es auch um die Arbeitsplätze in ihrer Produktion“.
Quellen: Umweltbundesamt, Bundesanstalt für Straßenwesen, 16th Road Safety Performance Index Report, BR24, WDR, Der Spiegel, Statista, Georg Ehring, Dagmar Röhrlich, jma
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