Montag, 11. Juli 2022

Träumen erlaubt: Hier wäre ein 9-Euro-Ticket auch denkbar

 Chip  11.07.2022 Patrick Hannemann  hier

Rundfunkbeitrag, Essen in der Schule, Kultur

Das 9-Euro-Ticket kann bislang weitgehend als Erfolg gewertet werden. Was wäre, wenn es so etwas auch für andere Lebensbereiche gäbe? Möglicherweise könnte es in Deutschland ein Stückchen fairer zugehen.

Das 9-Euro-Ticket hat besonders vor seiner eigentlichen Einführung für viel Furore gesorgt.
Nun, da die günstige Monatskarte für ganz Deutschland schon eine Weile Realität ist, haben sich die Wogen geglättet und es lässt sich eine erste Bilanz ziehen: Laut einer Umfrage von Statista sind knapp zwei Drittel der Deutschen sehr zufrieden oder zufrieden mit dem 9-Euro-Ticket.
So ähnlich geht es mir auch. Ich finde, darin steckt eine große Chance für Deutschland und seine Bürger – selbst wenn das Ticket 30 Euro im Monat oder 365 Euro im Jahr kosten würde. Schließlich macht die allgemeingültige Fahrkarte das Ticket-Chaos deutlich einfacher.
Darum habe ich mich gefragt: Welche anderen Lebensbereiche könnten durch eine erschwingliche Monatskarte verbessert werden?

Rundfunkbeitrag: Sind 9 Euro im Monat nicht genug?         

Es ist seit vielen Jahren ein Streitthema, für das mancher sogar bereit ist, ins Gefängnis zu gehen: Der Rundfunkbeitrag. Die einen wollen sich ihm aus ideologischen Gründen komplett verweigern, andere zahlen ihn sogar gern für unabhängige Berichterstattung.
Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten sind mittlerweile zu einem gigantischen Komplex gewachsen, der in Zeiten wachsender Desinformation zwar eine wichtige Aufgabe erfüllt, aber sicher auch kosteneffizienter aufgestellt werden könnte.
Kritisiert werden seit Jahren unter anderem folgende Punkte:
  • überbordende Verwaltung: Allein bei ARD und ZDF gibt es viele Doppelstrukturen, darunter zwei separate Mediatheken. Hinzu kommen die diversen Sendeanstalten der einzelnen Bundesländer.
  • hohe Gehälter: Die Jahresgehälter der Intendanten sind sehr hoch, angeführt von WDR und BR mit jeweils über 400.000 Euro. Insgesamt sind es über 2,8 Millionen Euro für neun Personen.
  • trotzdem Werbung: Obwohl durch die Rundfunkgebühr 8,4 Milliarden Euro jährlich eingenommen werden, gibt es trotzdem teils Werbung. Allein bei der ARD wurden dadurch 2021 weitere 354,5 Millionen Euro brutto eingenommen.
Der Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro pro Haushalt und Monat belastet einige Bürger stark. Wie wäre es also hier stattdessen mit einem "9-Euro-Ticket", vor allem für finanziell schwächer aufgestellte Menschen?
Es soll natürlich nicht darum gehen, die öffentlich-rechtlichen einfach zu halbieren. Doch es ist schon ungerecht, dass Familien am Existenzminimum dasselbe zahlen wie Haushalte mit sechsstelligem Bruttoeinkommen. Hier sollte nachgebessert werden!

Essen in der Schule: Ein wichtiger Grundstein für Bildung

Ein weiterer Punkt, bei dem ein 9-Euro-Ticket vielen Menschen helfen könnte, ist das Schulessen. Es würde Eltern nicht nur finanziell entlasten, sondern auch beim Thema Mental Load. Muss man sich jeden Morgen noch selbst um ein wechselndes, gesundes Mittagessen fürs Kind kümmern, steigt der Stresspegel zusätzlich.
Und natürlich ist es auch für Kinder wichtig: Persönlich habe ich höchst selten die Mensa in der Schule von innen gesehen. Es war finanziell einfach nicht drin, sodass ich oft den kompletten Schultag auf leerem Magen überstehen musste. Das Highlight war ein- oder zweimal im Monat ein billiger Hotdog für einen Euro.
Darunter leiden auch die Konzentration im Unterricht und damit langfristig die Bildungschancen. Diese sollten für Kinder verschiedenster familiärer Hintergründe aber gleichberechtigt sein.
Auch hier stellt sich die Frage nach Kosten und Qualität des Schulessens, schließlich sollten die Mahlzeiten auch vitamin- und abwechslungsreich sein und vegetarische Optionen bieten. Es braucht Konzepte – in Ländern wie Schweden dürfen Schulkinder zwischen 7 und 16 Jahren schon seit den 1970ern völlig kostenlos am Mittagessen teilnehmen.

Kulturprogramm: Nicht zu unterschätzen

Auch die Kultur ließe sich mit einem 9-Euro-Ticket wieder stärker fördern. Besuche in Museen finden für viele Kinder außerhalb von Schulausflügen so gut wie gar nicht statt – dabei gibt es inzwischen viele spannende und interaktive Angebote statt dröger Führungen mit monotoner Frontalbeschallung.
Die Stadt München macht das teilweise schon vor: Manche Museen verlangen sonntags nur einen Euro Eintritt. Hier können vor allem Familien und Gruppen ordentlich sparen. Dazu zählen:
  • Museum Fünf Kontinente
  • Ägyptisches Museum
  • Sammlung Schack
  • Alte Pinakothek
  • Museum Brandhorst
Könnte man dieses Konzept nicht auch auf andere Städte in Deutschland erweitern, um den Zugang zu Kultur zu erleichtern?
Auch Theater, Wandertage oder Sportkurse könnten in dieser Hinsicht von Bund und Ländern gefördert werden, um ein umfassendes 9-Euro-Ticket richtig lohnenswert für alle Beteiligten zu machen

Natürlich sind diese Ideen für ein 9-Euro-Ticket in anderen Lebensbereichen bewusst provokativ und nicht ohne Weiteres finanzierbar. Also alles nur Luftschlösser? Das war die günstige Monatskarte bis Juli 2022 auch und trotzdem ist sie nun Realität – ob daraus ab September ein Klima-Ticket werden könnte, wird noch heiß diskutiert.
Ich finde, es wird Zeit für politische Entscheidungen, die sich am Wohl der Gesamtgesellschaft orientieren. Viele Familien in Deutschland haben es schwer und können es sich kaum leisten, ihren Kindern mal einen Urlaub oder zumindest Tagesausflüge zu bieten. Und auch bei der Verpflegung unseres Nachwuchses sollte es keine Kompromisse geben.
Fallen Ihnen vielleicht noch andere Bereiche ein, wo eine Art 9-Euro-Ticket sinnvoll sein könnte? Man wird schließlich noch Träumen dürfen!


In der Thüringer Zeitung heißt es in einem Kommentar zum 9€-Ticket: hier

Der Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger“ ist längst nicht aus der Zeit gefallen. Man muss ihn nur umdeuten, meint Christian Unger.

Es gibt diesen sehr deutschen Spruch: Freie Fahrt für freie Bürger. Aus der Zeit der Ölkrise der 1970er-Jahre, herausposaunt von der Auto-Lobby. Der Spruch ist aus der Zeit gefallen, selbst die Lobbyisten haben sich distanziert. Doch eigentlich muss man ihn nur umdeuten. Freie Fahrt für freie Bürger … mit Bus und Bahn!

Es sind erst Krisen und Notfälle, die Innovation und neue Wege denkbar und möglich machen. Die Politik hat es gewagt: das 9-Euro-Experiment. Aus der Not der Energiekrise heraus, unter dem Druck der Klimakrise. 

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