Buchbesprechung im Tagesspiegel hier REINHART BÜNGER
Stadtumbau: Gründachexperte Bernd Krupka legt praktische Vorschläge zum Umbau von Großstädten im Klimawandel vor
Wäre der Anlass nicht so bedenklich, könnte von einem idealen Timing gesprochen werden. Während Hitze und Trockenheit Öffentlichkeit und Politik einmal mehr zum Handeln mahnen, erschien Mitte Juli ein neuer Band von Bernd W. Krupka, der sich neben der Dach- und Fassadenbegrünung vor allem auch der Weiterentwicklung urbaner Vegetationstechniken verschrieben hat.
Laubengänge und Mauerblümchen
Die Städte müssen endlich besser gegen hohe Temperaturen und auch gegen Starkregen geschützt werden. Knapp zwei Jahrzehnte nach den ersten Gluthitzeperioden und Starkregenereignissen ist es an der Zeit. Auch in Deutschland. Überlegungen wie zuletzt die des Umweltbundesamtes allein werden es aber nicht richten. „Wir müssen unsere Städte umbauen, um mit dem Klimawandel leben zu können“, hatte Präsident Dirk Messner der Deutschen Presse-Agentur gesagt. „Dazu gehört vor allem viel mehr Grün in den Städten. Das kühlt deutlich.“ Wie das konkret aussehen könnte, hat Krupka kenntnisreich aufgeschrieben. Mit Messner findet er, dass Flächen wie Parkplätze, Straßen und gepflasterte Plätze in Großstädten entsiegelt werden sollten. Hinzu kommen beim Gründachexperten Laubengänge als grüne Tunnel im Stadtraum, Grünwandsysteme, extensive Dachbegrünungen, Vegetationsmatten für Verkehrsnebenflächen, wie zum Beispiel Verkehrsinseln und Fahrbahn-Trennstreifen. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Dies wären wunderbare Aufgaben für funktionierende Grünflächenämter.
Wo Wasser und Grün sind, ist es kühler
"Mit dem Bundesprogramm Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel fördern wir Städte und Gemeinden bei der Erhaltung und Entwicklung von Grün- und Freiflächen", sagte Bundesbau- und Stadtentwicklungsministerin Klara Geywitz am 19. Juli in Potsdam. "Da wo Grün und Wasser sind, ist die Umgebung kühler." Der Bund will dabei bis zu 85 Prozent der förderfähigen Kosten übernehmen.
Mit den Kosten seiner stadtökologischen Anwendungsbeispiele hat sich der Autor nicht beschäftigt – und das muss er auch nicht: Angesichts des dramatischen Wandels, der sich um uns herum auf dem Lande, im Wasser und in der Luft abspielt, spielt Geld schon (fast) keine Rolle mehr.
In Großstädten fehlt die Verdunstungskälte unversiegelter Flächen
Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes (Nabu) kritisierte am 21. Juli, dass weiterhin keine echte Trendumkehr beim Flächenverbrauch zu erkennen sei.
„Die Bundesregierung ist meilenweit davon entfernt, ihr selbst gesetztes Ziel eines täglichen Flächenverbrauchs von maximal 30 Hektar bis 2030 zu erreichen“, sagte Miller.
So würden beispielsweise reihenweise riesige Logistikimmobilien in die Landschaft gesetzt. Durch die Versiegelung würden Lebensräume zerschnitten, der Grundwasserhaushalt beeinträchtigt und mehr CO2 emittiert, da neue Siedlungen und Verkehrsflächen mehr Verkehr verursachen. In Städten überhitzten Stadtviertel, weil die Verdunstungskälte unversiegelter Flächen fehle. Laut Bundesumweltamt sind etwa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland versiegelt. Sie sind bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder mit Folien luft- und wasserdicht abgeschlossen.
Ziel des Buches ist es, Hilfestellung bei der Planung und Umsetzung der Revitalisierung von verdichteten Stadträumen und Anpassung an den Klimawandel zu geben. Krupkas Grundüberlegung: Stadtnatur als nachweisbar leistungsfähiges urbanes Ökosystem für die Zukunft zu gestalten. „Dieses Ökosystem besteht aus einem Netzwerk urbaner Vitalräume“, schlägt der Experte vor: „Mit den Grundkomponenten Boden – Wasser – Vegetation sollen dauerhafte, klimawirksame und gesundheitsfördernde Wirkungen erreicht werden.“ Dem Gründachexperten Krupka wird angesichts des Klimawandels inzwischen angst und bange, wenn es um sein Lieblingsthema geht: "Die sichtbaren Folgen des Klimawandels in der Verschiebung der Jahreszeiten wirken sich auf den extremen Pflanzstandort Dach stärker aus als bei bodengebundenen Begrünungen." Leider nicht in positiver Weise. An heißen Sommertagen wirkt das Grün auf dem Dach kühlend wie eine natürliche Klimaanlage. „Schwarze Bitumenpappe und Kiesdächer können sich bei Hitze bis zu 80 Grad Celsius aufheizen“, sagt Krzysztof Pompa, Experte bei der BHW-Bausparkasse, „bei bepflanzten Dächern hingegen betragen die maximalen Temperaturen nur etwa 20 bis 25 Grad.“
Berlin könnte bei Quartiersentwicklungen neue Klimaoasen etablieren
Welche andere Stadt wäre wie Berlin mit Blick auf die neuen Quartiersentwicklungen besser geeignet, den inzwischen unbestrittenen Klimawandel bei der Aufstellung der Bauleitplanung zu berücksichtigen? Leider wurden dem „Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden“ 2011 keine konkreten stadtökologischen Maßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels eingeschrieben. Dieses Versäumnis sollte mit Hilfe dieses Bandes dringend nachgeholt werden, um zu Stadtsanierungsgebieten zu kommen, die Lebensverhältnisse in einem umfassenden Sinne verbessern. „Wir müssen in den Städten grüne Klimaoasen etablieren", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes, dem Handelsblatt. Kupkas praktische Handlungsempfehlungen in Form von „Grünen Bausteinen“ zu verschiedenen Begrünungsarten wären ein Einstieg. Wenn sie denn gelesen und umgesetzt werden.
64 Prozent der Hausbesitzenden wünschen sich laut einer Umfrage der BHW-Bausparkasse mehr Grün in der Nachbarschaft. Dabei unterschätzen viele noch die enormen positiven Effekte einer Dach- und Fassadenbegrünung für das Klima. Denn eine Begrünung kann die Temperatur im Umfeld des Hauses um bis zu fünf Grad senken und sich vor allem auf das städtische Klima kühlend auswirken. Dies wissen indes laut BHW-Umfrage nur sehr wenige der Befragten (9 Prozent).
Buchhinweis: Bernd W. Krupka: Neue Stadtökologie im Klimawandel. Entwicklung der grünen Stadtumwelt für die Zukunft. Ulmer Verlag 2022, 240 Seiten, 134 Farbfotos, 44 Euro.
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