Schwäbische Zeitung hier 26.07.2022 von Elke Oberländer
Vortrag in Ravensburger Museum Humpis-Quartier
Für Landwirte ergeben sich neue Möglichkeiten
Hitze gefährdet die Gesundheit vor allem von Älteren und Kindern, von Stadtbewohnern und von ärmeren Menschen in schlecht gedämmten Mietwohnungen, sagt Manfred Walser. Er ist Vorstandsmitglied im BUND Ravensburg-Weingarten. Im Museum Humpis-Quartier hat er eine Vielzahl von absehbaren Auswirkungen des Klimawandels vorgestellt.
Darunter die Ausbreitung von Mücken und Zecken, die Krankheitserreger übertragen. Oder auch neue Möglichkeiten für Landwirte: Wenn es wärmer wird, können sie leichter Melonen oder Soja anbauen. Mit Weizen und Dinkel werde es dann jedoch schwieriger.
Walser rechnet damit, dass lokale Katastrophen häufiger werden und die Rettungsdienste überlasten. Dass hochwassergefährdete Siedlungsplätze mit Dämmen gesichert oder aufgegeben werden müssen. Dass immer öfter ein Maisacker als Schlammlawine in bewohnte Ortschaften strömt.
Dass die ungleichmäßige Verteilung der Niederschläge zum Kampf ums Wasser führt. Dass Extremwetter-Ereignisse Schienen und Straßen schädigen. Dass Niedrigwasser in den Flüssen den Gütertransport beeinträchtigt und dass der Kühlwasserbedarf der Kraftwerke nicht gedeckt werden kann. Dass Klimaflüchtlinge aus dem Süden in großer Zahl in den Norden drängen.
Sorge wegen Trend zu schweren Fahrzeugen
Diese Szenarien seien alle seit Jahrzehnten bekannt, ergänzt Corinna Tonoli, beim BUND Ravensburg-Weingarten verantwortlich für Klimaschutzprojekte. Aber jetzt dränge die Zeit. Tonoli sieht mit Sorge den Trend zu noch mehr Autoverkehr und immer größeren und schwereren Fahrzeugen.
Sie fordert mehr Investitionen in den Radverkehr. Als eine der Hauptquellen für das klimaschädliche Gas Kohlendioxid nennt sie die Viehhaltung und den Dünger, mit dem das Futter angebaut wird. Um den Viehbestand zu senken, müssten die Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten ändern. „Aber ein Veggie-Day liegt bei uns noch in ferner Zukunft, ähnlich wie ein Tempolimit“, sagt sie.
Die Prognosen der beiden Referenten sind also eher düster. Trotzdem raten sie davon ab, in Depression und Resignation zu verfallen. Stattdessen schlagen sie zwei Strategien vor: eine auf der persönlichen Ebene und eine auf der gesellschaftlichen. Auf der persönlichen Ebene geht es um den eigenen Lebensstil, nach dem Motto: Ich übernehme Verantwortung für das, was ich tun kann. Dazu zählen vor allem Konsum, Mobilität und Wohnen.
Alternative zum Kaufen könnte das Tauschen sein
„In allem, was man kauft, steckt Kohlendioxid drin“, sagt Walser. Seine Alternative: Teilen und Tauschen. In der Klimakrise könne es helfen, wenn die Menschen mehr zusammenrücken, Spaß daran haben, sich gegenseitig zu helfen und Dinge gemeinsam zu nutzen. Im Schussental sieht Walser bereits eine ganze Menge von Initiativen, die in diese Richtung gehen – vom Kapuziner Kreativzentrum über die Solidarische Landwirtschaft und Foodsharing bis zum Repair-Café.
Auf der gesellschaftlichen Ebene ruft Walser dazu auf, politisch tätig zu werden. Also auf Demonstrationen zu gehen, sich in Vereinen zu engagieren, Leserbriefe zu schreiben und mit Abgeordneten zu diskutieren. „Es ist sinnlos, nur mit Freunden zusammenzusitzen, die ähnlich denken, und über die Politik zu schimpfen“, sagt er. Walser plädiert für das Motto: „Gut leben, statt viel haben.“ Das klinge zunächst nach Verzicht und Askese, kein Politiker würde so etwas sagen. Aber Walser fragt: „Konsum durch Zeit zu ersetzen – wäre das wirklich ein Verlust von Lebensqualität?“
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